Allgemeine Homöopathische Zeitung 2005; 250(5): 201
DOI: 10.1055/s-2005-918555
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Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & CO. KG

Julian Winston (1941-2005)

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Publikationsdatum:
21. März 2006 (online)

 

„Wohl geziemt es, in diesen Blättern einem Abgeschiedenen ein einfaches Denkmal zu setzen, welcher durch sein, der homöopathischen Heilkunst gewidmetes eifriges Streben, den Freunden derselben werth geworden ist und in den Annalen der Kunst eine werthvolle Stelle sich errungen hat.” Mit diesen Zeilen begann Ernst Stapf seinen Nekrolog für Karl Gottlob Caspari im „Archiv für die homöopathische Heilkunst” (Band 7, Heft 2, 1828).

Treffende Worte auch für Julian Winston, fast 180 Jahre später. Wenn ein Freund von uns geht, reißt eine Lücke auf. Wenn ein Schriftsteller stirbt, werden Werke ungeschrieben bleiben. Nach dem Tod eines Musikers ist sein Instrument verwaist. Wenn ein Historiker aus dem Leben scheidet, bleiben viele Fragen unbeantwortet.

„JW” - so signierte er Bilder, E-Mails, Briefe und Widmungen - war: Homöopath, Lehrer, Schriftsteller, Historiker, Designer, Pedal-Steel-Guitar-Player … Eine unglaubliche Vielschichtigkeit vereint in einer Person, begabt mit außerordentlicher Ausdruckskraft.

Geboren am 31.5.1941 in New York City, USA, waren seine jungen Jahre geprägt durch sein Interesse an Kunst und Musik (unter dem Namen „Winnie Winston” ist er in der Banjo- und Steel-Guitar-Szene seit Jahrzehnten bekannt). Nach längerer Arbeit als Industriedesigner übernahm er 1969 eine Stelle als Associate Professor of Design in Philadelphia. 1971 wurde er durch Raymond Seidel - einem Schüler von Calvin Knerr - mit der Homöopathie bekannt, begann 1980 seine Ausbildung als Homöopath am National Center for Homeopathy und übernahm für das NCH im Laufe der Jahre vielfältige Aufgaben (Member of Board of Directors; Dekan der NCH Summer School von 1988-1992; Herausgeber des Newsletters „Homeopathy Today”; Mitglied der HPCUS). Noch viel mehr zu seinem Lebenslauf findet man unter www.julianwinston.com, mit einem Schwerpunkt im Bereich Geschichte der Homöopathie.

Die Liebe führte ihn 1995 nach Wellington, Neuseeland, wo er seither als Co-Director zusammen mit seiner Frau Gwyneth Evans das Wellington College of Homoeopathy leitete und die „Homeopathy NewZ” herausgab. Julian Winston starb friedlich nach längerer Krankheit am 12.06.2005 in Wellington.

Was bleibt, ist sein Werk. Dieses umfasst unter anderem seine Bücher: „The Faces of Homoeopathy” (1999), eine illustrierte Geschichte der Homöopathie, „The Heritage of Homeopathic Literature” (2001), eine Bibliographie der homöopathischen Literatur mit wertvollen Kommentaren, „The Organon of The Healing Art by Samuel Hahnemann” (2004), eine Übersetzung von Bernhardt M. Fincke von1880. „JW” fand das Originalmanuskript 1983 in einer Schublade der Bibliothek des NCH - es war nie vollständig veröffentlicht worden! Er ließ es von Maria Mackey transkribieren und gab es in einer Kleinauflage von 50 Stück in seinem Great Auk Verlag heraus.

Er hinterlässt auch eine Datenbank auf CD-ROM: „American Homeopaths 1825-1963” (2003) mit mehr als 25 000 Namen, oft mit Geburts- und Sterbetag, Ausbildungsort, Praxisort etc.

Des Weiteren bleiben Videotapes, Artikel, Bücherrezensionen, seine ungezählten sachkundigen und scharfzüngigen Beiträge in den homöopathischen E-Mail-Listen von Lyghtforce und Minutus, einige Fotos von Arzneimitteln im Computerprogramm RADAR (z.B. von Staphisagria - erkennbar an der unverwechselbaren Signatur), eine wunderbare Sammlung von mehreren tausend Originalwerken und alten Arzneimitteln, die hoffentlich einen würdigen Platz finden, damit nichts von diesen Preziosen der Vergessenheit anheimfällt - sowie die Erinnerungen seiner Freunde an eloquente Seminare, an heftige Dispute über historische Fakten, an seine phänomenale Fähigkeit, Situationen zu schildern und längst vergangene Ereignisse und ihre beteiligten Personen plastisch ins Leben zu rufen.

Vor allem durch ihn wurde mein Interesse für die Geschichte der Homöopathie geweckt, bekam ich Anregungen, die deutschen und amerikanischen Originalwerke zu studieren und zu diskutieren. Für viele Homöopathen in der englischsprachigen Welt war er die Anlaufstelle für homöopathisch-historische Fragen.

Wir alle werden unseren Freund sehr vermissen.