Aktuelle Dermatologie 2006; 32(1/02): 44-49
DOI: 10.1055/s-2005-921136
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Überempfindlichkeit auf Jod: Rien ne va plus?

Hypersensitivity to Iodine - Rien ne va plus?A.  J.  Bircher1
  • 1Allergologische Poliklinik, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Basel/Schweiz
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Publication Date:
14 February 2006 (online)

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Zusammenfassung

Eine Jodallergie wird im Alltag häufig vermutet, ist aber relativ selten. Insbesondere auf Jodderivate zurück zu führende Überempfindlichkeitsreaktionen sind heutzutage rar geworden. Das anorganische Jodid (I-) ist weniger reaktiv, das molekulare Jod (I2) ist stark reaktiv, wärend das Jod in Kontrastmitteln inert ist, solange es kovalent gebunden bleibt. Öfters werden pseudoallergische Reaktionen auf jodhaltige Röntgenkontrastmittel beobachtet, die aber nicht durch das Jod ausgelöst werden, sondern von der Osmolalität des Kontrastmittels abhängen. Als pathophysiologischer Mechanismus werden hier Komplementaktivierung und eine direkte Aktivierung von basophilen Granulozyten und Mastzellen verantwortlich gemacht. Gelegentlich werden kontaktallergische Reaktionen auf das Povidon-Jod beobachtet, die teilweise einen vesikulo-bullösen Aspekt annehmen können. Aber auch toxisch-irritative kutane Reaktionen auf Jod können massiv bullös verlaufen. Einen immunologischen Pathomechanismus scheinen die allergischen Arzneimittel-Exantheme auf Röntgenkontrastmittel zu haben, die als T-Zell-vermittelte Reaktionen verstanden werden. Die auslösenden Antigene sind nicht eindeutig erklärt, gemäß neueren Daten handelt es sich wahrscheinlich um die Röntgenkontrastmoleküle selbst, und nicht um das in Spuren vorhandene Jodid. IgE-mediierte anaphylaktische Reaktionen auf Povidon-Jod wurden selten beschrieben, hier scheint Povidon selbst das auslösende Antigen zu sein. Einige so genannte idiosynkratische Reaktionen, bei welchen der Pathomechanismus unklar ist, werden heute nur noch seltenerweise beobachtet. Dazu werden die Jod-Akne, das akneiforme Jod-Exanthem, das tuberöse Jododerm sowie die Jod-Sialoadenitis gezählt, die wahrscheinlich durch Jodide ausgelöst werden. Noch seltener sind Überempfindlichkeitsreaktionen wie schwere febrile Exantheme und schwere bullöse Dermatosen geworden. Patienten mit einer Dermatitis herpetiformis Duhring sowie mit einer hypokomplementämischen Vaskulitis erleiden eine Exazerbation ihrer Grundkrankheit auf höhere Joddosen. Hingegen sind auf jodhaltige Nahrungsmittel wie Meerfische und Meeresfrüchte trotz ihrem Jodgehalt keine allergischen Reaktionen zu erwarten. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Pathomechanismen der Überempfindlichkeitsreaktionen auf Jod und Jodide enthaltende Arzneimittel und Diagnostika, liegt nie eine allgemeine „Jodallergie” vor. Mit einer umfassenden allergologischen Abklärung können diese aufgeklärt und in deren Folge andere jodhaltige Arzneimittel wieder problemlos eingesetzt werden.

Abstract

Suspicion of allergy to iodine is a commonly suspected clinical problem, however, often it is not sufficiently documented. Hypersensitivity reactions to iodine derivatives are currently rare. More common are pseudoallergic reactions to iodinated contrast media, however these reactions are dependent on the osmolality of the contrast media and not on the iodine content.

Delayed allergic reactions to iodinated contrast media include exanthemas where a T-cell mediated pathophysiology has been proposed. The eliciting antigens are not known, recent data indicate that probably the molecules itself and not iodine are involved. Occasionally, toxic bullous reactions and contact allergy to povidone iodine have been observed. IgE-mediated anaphylactic reactions from povidone iodine have been attributed to the povidone molecule and not to the iodine itself. Idiosyncratic reactions where pathophysiological mechanisms are mostly unknown are only rarely observed. These include iodine-induced acne, acneiforme exanthemas, iododerma and iodine mumps. Very rarely, febrile exanthemas and severe bullous exanthemas have been reported from iodine intake. Patients with dermatitis herpetiformis Duhring and hypocomplementemic vasculitis experienced an exacerbation of the disease upon exposure to high iodine doses. Hypersensitivity reactions to iodide in food have only rarely been reported to seaweed-containing food. Because of the very different pathomechanisms involved in the different hypersensitivity reactions to iodine and iodide containing drugs and diagnostic media, a general „iodine allergy” does not exist. Based on a standardized and complete allergologic investigation safe alternatives may be identified in such patients.

Literatur

Prof. Dr. med. Andreas J. Bircher

Allergologische Poliklinik · Dermatologische Klinik · Universitätsspital Basel

Petersgraben 4 · 4031 Basel · Schweiz

Email: andreas.bircher@unibas.ch