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DOI: 10.1055/s-2005-951635
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Stellungnahme zum Abbruch des Monoarms der WHI-Studie
Publication History
Publication Date:
12 September 2006 (online)
Der Abbruch des Estrogenarmes der WHI-Studie nach 7 statt geplanten 8 Jahren war nach Regeln der "Good Clinical Practice" nicht berechtigt. Zwar wurde neben der erwarteten Risikoerhöhung für Thrombosen auch ein erhöhtes Insultrisiko gesehen (HR 1,39, pro 10 000 Frauen 12 zusätzliche Fälle/Jahr), aber das Brustkrebsrisiko wurde um 23% gesenkt, wobei 48% der Frauen bereits vor der WHI mit HRT behandelt worden waren. Auch das Risiko für Herzinfarkte nahm signifikant mit Dauer der Studie ab, trotz bereits vorliegendem hohen Risiko (48% Hypertonie, 45% BMI > 30, 48% Raucherinnen etc). Für Frauen unter 60 Jahren wurde das Infarktrisiko um 44% reduziert. Erwartungsgemäß wurde auch die Frakturhäufigkeit um bis 40% verringert.
Nach vorzeitiger Beendigung des Estrogen/Gestagen-Armes der WHI im Sommer 2002 (vgl. z.B. unsere Stellungnahme Geburtsh Frauenheilk 2002; 62: 914-916) wurde nun auch der Estrogen-Monoarm nach im Mittel 6,8 Jahren abgebrochen (1). Die amerikanische Gesundheitsbehörde setzt damit unserer Ansicht nach bewusst ein negatives Signal, da der Abbruch nicht berechtigt war: Die vor der Studie festgelegten Abbruchkriterien waren nicht erfüllt. Darauf weisen die Autoren der WHI auch selbst hin.
Die Tabellen [1] und [2] fassen die wesentlichen Ergebnisse zusammen. Da die präventive Wirkung bezüglich Herzinfarkte, Brustkrebs und osteoporotische Frakturen mit Dauer der Studie immer stärker anstieg, hätte man das verbleibende 8. Jahr noch abwarten können. Nach dem Verlauf der Kaplan-Meier-Kurven wären sowohl die Risikosenkung für Brustkrebs im Gesamtkollektiv als auch die für Herzinfarkte in der Altersgruppe unter 60 Jahren vermutlich signifikant geworden.
Hinsichtlich der für die Risikobeurteilung relevanten Anamnesedaten hatten von den 10 739 teilnehmenden Frauen insgesamt 2345 Patientinnen (22%) bereits eine Venenthrombose, Lungenembolie, Angina pectoris, einen Herzinfarkt, Schlaganfall, eine Bypass-Operation oder Angioplastie oder litten an Diabetes mellitus. Nahezu 50% der Frauen hatten eine behandlungsbedürftige Hypertonie sowie einen BMI über 30 (!) kg/m2, das mittlere Alter lag während der Studie bei 67 Jahren.
40% der Frauen waren hysterektomiert und bilateral ovarektomiert. Dadurch wird einerseits das Brustkrebsrisiko gesenkt, anderseits aber das Risiko für Osteoporose erhöht. Der geringe Anteil von 14% der Frauen mit vorbestehenden Frakturen ist vermutlich damit zu erklären, dass 48% des Kollektivs bereits vor der WHI mit HRT behandelt waren.
Für die Altersgruppe unter 60 Jahren wurde lediglich das bekannt erhöhte Risiko für Thromboembolien beobachtet (HR 1,22, n.s.). Es gab kein erhöhtes Risiko für Hirninsulte, und die Risiken für Herzinfarkte und kolorektale Karzinome wurden um 44 bzw. 41% reduziert. Das Risiko für Brustkrebs war bis zum Alter von 70 Jahren um 28% reduziert. Diese Risikoabnahmen verfehlten zwar die Signifikanz, aber die Altersabhängigkeit von Nutzen und Risiken ist sehr eindeutig zu erkennen.
PD Dr. med. Dr. rer. nat. Alfred O. Mueck
Universitäts-Frauenklinik, Tübingen
Email: Endo.Meno@med.uni-tuebingen.de