Notfallmedizin up2date 2006; 1(1): 57-70
DOI: 10.1055/s-2006-924288
Spezielle Notfallmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akutes Koronarsyndrom

H.-R. Arntz
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Publication Date:
26 October 2007 (online)

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Kernaussagen

Unter akutem Koronarsyndrom werden die Krankheitsbilder ST‐Streckenhebungsinfarkt (STEMI), Nicht-ST‐Streckenhebungsinfarkt (NSTEMI)und instabile Angina pectoris zusammengefasst.

Schlüsselinstrument für die Diagnostik und der Differenzierung ist das 12-Kanal-EKG, das bereits vom Notarzt abgeleitet werden sollte. Dabei schließt bei entsprechender Klinik selbst ein normales EKG einen drohenden Infarkt nicht aus.

Spezifische biochemische Marker für myokardialen Zelluntergang sind frühestens zwei bis drei Stunden nach Symptombeginn nachweisbar. Negative Laborergebnisse bzw. Bedside-Tests sind demzufolge in der Frühphase ohne Aussagekraft.

Die symptomatische Therapie bei akutem Koronarsyndrom besteht zunächst aus Schmerzbekämpfung (Morphin!) und bei ausreichendem Blutdruck (> 90 mmHg) in der Gabe von Nitraten.

Die kausale Therapie zielt beim NSTEMI und instabiler Angina pectoris primär auf eine Risikostratifizierung, bei STEMI auf die möglichst rasche Wiederherstellung einer vollständigen und dauerhaften Koronardurchblutung ab.

Sowohl bei NSTEMI als auch bei STEMI ist die initiale Gabe von 160 - 325 mg Acetylsalicylsäure als Kautablette oder i. v. indiziert. Die zusätzliche Gabe einer frühzeitigen „Loading Dose“ von 300 mg Clopidogrel (falls keine Lyse geplant ist: 600 mg Clopidogrel) ist bei allen Formen des akuten Koronarsyndroms sinnvoll, reduziert die Sterblichkeit, steigert den Thrombolyseeffekt und verhindert Komplikationen bei koronarer Intervention.

Die frühzeitige Gabe von Gp-IIb/IIIa-Rezeptorblockern sollte nur bei geplanter Koronarintervention ins Auge gefasst werden.

Die Gabe von Antithrombin in Form von Heparin (initiale Dosis 60 - 70 E/kg Körpergewicht) oder niedermolekularem Heparin (LMWH), z. B. Enoxaparin (initialer Bolus 30 mg i. v.), ist bei allen Formen des akuten Koronarsyndroms indiziert. Bei Einsatz von LMWH bei Patienten > 75 Jahren und Patienten mit Niereninsuffizienz sowie bei geplanter Thrombolyse sollten reduzierte Dosen verwendet werden (bei > 75-Jährigen Verzicht auf die initiale i. v. Dosis!).

Bei NSTEMI und Fehlen von Risikomarkern, insbesondere fehlendem Anstieg von Troponinen, ist eine konservative Vorgehensweise mit Stufendiagnostik angezeigt. Bei Patienten mit Risikomarkern (erhöhtem Troponin, Diabetes mellitus, hämodynamischer oder Rhythmusinstabilität) ist insbesondere dann ein frühes invasives Vorgehen angezeigt, wenn die Patienten symptomatisch bleiben bzw. sich nicht stabilisieren lassen.

Bei STEMI ist die sofortige Reperfusionstherapie bei einer Symptomdauer von weniger als 12 Stunden angezeigt, bei Patienten mit längerer Symptomdauer bei Symptompersistenz.

Prinzipiell ist das bevorzugte Reperfusionsverfahren bei STEMI die primäre Koronarintervention. Die Thrombolyse kommt vor allem für Patienten mit einer Symptomdauer von weniger als zwei bis drei Stunden und bei deutlich verzögerter Verfügbarkeit (drohender Zeitverlust von > 90 Minuten bis zur ersten Balloninsufflation) infrage und sollte nach Möglichkeit bereits prästationär durchgeführt werden.