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GebFra-Refresher

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Thrombophiliediagnostik

Unter besonderer Berücksichtigung der Frauenheilkunde und GeburtshilfeM. Ludwig1
  • 1Endokrinologikum Hamburg, Zentrum für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie, Hamburg
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Publication Date:
18 August 2006 (online)

Grundlagen

Definition der Thrombophilie

Von einer Thrombophilie spricht man dann, wenn eine Neigung zur Bildung einer Thrombose besteht (Hyperkoagulabilität

Die Hyperkoagulabilität der Thrombophilie kann angeboren oder erworben sein.

). Dieser Neigung kann ein angeborener oder auch erworbener Defekt im Gerinnungssystem zugrundeliegen. In vielen Fällen ist jedoch auch heute der Kausalzusammenhang nicht bekannt. Man geht davon aus, dass in etwa 60 % aller Thrombosen eine Thrombophilie eine Rolle spielt.

Übersicht über die Hämostase

Im Folgenden soll der Fokus nicht auf die detaillierte Darstellung der einzelnen, in die komplexen Abläufe der Hämostase involvierten, pro- und antikoagulatorisch wirkenden Faktoren gerichtet sein. Die Schritte der Hämostase sind daher in Abb. [1] dargestellt und sollen dem Leser das Verständnis des folgenden Textes erleichtern.

Abb. 1 Ablauf der Gerinnungskaskade. Das „a“ hinter einem Gerinnungsfaktor bedeutet, dass dieser „aktiviert“ ist. „ai“ beschreibt die Inaktivierung eines aktivierten Faktors. „+“ und „-“ beschreiben die aktivierende bzw. hemmende Wirkung von Prothrombin auf verschiedene vorgeschaltete Schritte der Gerinnungskaskade.

Die initiale Reaktion der Hämostase ist der Kontakt von Thrombozyten (Blutplättchen) mit dem Endothel. Über Liganden adhärieren die Thrombozyten mit den subendothelialen Strukturen. Wesentlich ist die dann nach neuesten Erkenntnissen vorwiegend auf der Oberfläche der Thrombozyten ablaufende Initiierung der plasmatischen Gerinnungsreaktion. Durch den Formwandel der Blutplättchen wird die Reaktionsoberfläche vergrößert, dennoch aber lokal pointiert. Es folgt die Aggregation der Thrombozyten miteinander, die Einbindung von Leukozyten und Erythrozyten, sowie die sich anschließende Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin. Der Defekt im Endothel wird hierdurch verschlossen. Beim Gesunden wird dieser Prozess auf den erforderlichen räumlichen Rahmen begrenzt, die Gerinnung anschließend durch die Auflösung des Blutpfropfes fortgesetzt und so die Hämostase auf die Erfordernisse in vivo begrenzt. Bei einer Thrombophilie liegt eine Störung dieses tagtäglich ablaufenden physiologischen Prozesses vor.

Epidemiologie

Grundsätzlich kann man mit einer Thrombose oder Embolie bei gesunden jungen Männern oder bei nicht schwangeren Frauen in einer Frequenz von 1 : 4000 bis 1 : 12 000 pro Jahr rechnen. In der Gesamtbevölkerung, mit oder ohne Risikofaktoren, liegt die Inzidenz

Die Gesamtinzidenz der Thrombophilie liegt bei 1 : 100 - 200.

bei 1 : 100 bis 1 : 200 pro Jahr, da hier die am häufigsten Betroffenen, nämlich ältere Menschen, berücksichtigt werden. Die Thrombose betrifft die gynäkologische und geburtshilfliche Praxis als Komplikation z. B. unter hormoneller Therapie oder in Schwangerschaft und Stillzeit.

Relevante, abklärungsbedürftige Punkte im Rahmen einer Thrombophilie sind:

  • aktivierte Protein-C‐Resistenz (APC‐Resistenz; dabei liegt in 80 % der Fälle eine Faktor-V‐Leiden-Mutation zu Grunde)

  • Prothrombin-Polymorphismus (G20210A)

  • Protein-C‐Mangel

  • Protein-S‐Mangel

  • Antithrombinmangel

  • Faktor-VIII‐Erhöhung

  • Antiphospholipid-Syndrom.

Daneben existieren andere Faktoren, die einen bisher nicht gesicherten Stellenwert haben wie Polymorphismen im Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 (PAI-1) und ein Faktor-XII-Mangel.

Tab. [1] gibt die Wahrscheinlichkeit wieder, mit der die o. g. thrombophilen Veränderungen in der Allgemeinbevölkerung bzw. bei Thrombosepatienten gefunden werden können. Aus der Tabelle wird deutlich, dass aufgrund ihrer Häufigkeit vor allem die APC‐Resistenz

Die APC‐Resistenz hat eine erhebliche Relevanz für die Thrombophilie.

eine ganz erhebliche Relevanz bei dieser Abklärung hat. Aus der Tabelle wird auch ein Problem deutlich, das weiter unten im Text noch einmal behandelt wird. Dies ist die relativ geringe Prävalenz, die für bestimmte, definierte Risikosituationen wie z. B. die Einnahme eines oralen Kontrazeptivums nur eine orientierende Risikokalkulation zulässt. Insofern ist man für diese Situationen auf eine individuelle Abschätzung des Risikos angewiesen, ohne dafür aussagekräftige Studien zur Verfügung zu haben, die eine fundierte Evidenzbasis darstellen.

Tab. 1 Prävalenz verschiedener Thrombophilieparameter. Daten zusammengestellt nach [39] Veränderung Allgemeinbevölkerung (asymptomatisch) (%) Thrombosepatienten (%) Antithrombin-Mangel 0,02 1 APC‐Resistenz (Faktor-V‐Leiden) heterozygot 3 - 7 20 homozygot 0,02 3 Protein-C‐Mangel 0,2 3 Protein-S‐Mangel - 1 - 2 Prothrombin-Polymorphismus (G20210A) 1,2 - 3,5 4,6 - 7,1

Die erworbenen Risikofaktoren sind in Tab. [2] zusammengefasst.

Tab. 2 Erworbene Risikofaktoren für eine Thrombose Lebensalter Schwangerschaft, Wochenbett orale Kontrazeption, Östrogentherapie Antiphospholipid-Syndrom vorausgegangene Thrombose Immobilisation Operation maligne Erkrankungen

Ein Risikofaktor scheint das Fliegen

Das Lungenembolierisiko ist beim Fliegen um das 2 - 4fache erhöht.

zu sein. Schon seit längerer Zeit wurde das Reisen in der Economy Class als Risikofaktor für eine Thrombose gewertet [[6]]. Ganz allgemein wird für das Fliegen von einem 2 - 4fach erhöhten Risiko für eine Lungenembolie ausgegangen [[22]]. Als die Hauptursache wurde stets das längere Sitzen, also die Immobilisierung, diskutiert [[20]]. Eine jüngst erschienene Studie scheint dies aber in Zweifel zu ziehen und stellt auch noch einmal das gynäkologisch relevante Problem der oralen Kontrazeptiva

Orale Kontrazeptiva scheinen beim Fliegen das Risiko weiter zu erhöhen.

als Risikofaktor in den Vordergrund [[31]]. In dieser Cross-over-Studie wurden 71 Freiwillige konsekutiv mit jeweils 2 - 3 Wochen Pause 3 Situationen über jeweils 8 Stunden unterzogen:

  • 8 Stunden Flug (von/nach Amsterdam)

  • 8 Stunden Kino

  • ein normaler Tag

Die Zusammensetzung der Studienkohorte ist in Tab. [3] wiedergegeben. Die Autoren fanden eine signifikante Erhöhung der Thrombin-Antithrombin-Komplexe ausschließlich nach Abschluss des Fluges. Diese Erhöhung fand sich am ausgeprägtesten bei den Frauen, die bei heterozygoter Anlage für eine Faktor-V‐Leiden-Mutation ein orales Kontrazeptivum einnahmen. Ähnliche Ergebnisse ergab die Untersuchung von Prothrombinfragmenten und D‐Dimeren. Schließlich identifizierten die Autoren noch so genannte high responder als diejenigen, deren Thrombophilieparameter einen Anstieg höher als die dreifache Standardabweichung des Mittelwerts in der Alltagssituation zeigten (Abb. [2]). Während der 3 Studiensituationen wurde exakt darauf geachtet, dass die körperliche Aktivität, die Flüssigkeitsaufnahme

Die hypobare Hypoxie könnte beim Fliegen ein Umgebungsfaktor sein, der das Thromboserisiko steigert.

sowie anderer Parameter vergleichbar waren. Die Autoren kommen daher zu dem Schluss, dass beim Fliegen weniger die Immobilisierung das Problem darstellt, sondern vielmehr andere Umgebungsparameter wie z. B. die hypobare Hypoxie. Eine genetische Veranlagung bzw. zusätzliche Risikofaktoren können dabei eine thrombophile Situation triggern [[31]].

Abb. 2 High responder in einer Studie zur Untersuchung der Auswirkung von Fliegen auf Thrombophilieparameter (Thrombin-Antithrombin-Komplexe). Gezeigt ist der Anteil der high responder bezugnehmend auf die Zahl der Risikofaktoren (keine, Faktor-V‐Leiden-Mutation, orale Kontrazeption, oder beide) (Tab. 3). Daten nach: [31]. Tab. 3 Zusammensetzung der Studienkohorte (n = 71) in einer Untersuchung zur Auswirkung des Fliegens auf die Hämostase. Daten aus [31] Geschlecht n Faktor-V‐Leiden-Mutation (heterozygot) orale Kontrazeption Männer 15 nein - Frauen 26 15 15 ja nein ja nein ja ja

Präanalytik bei der Thrombophiliediagnostik

Bei der Gerinnungsanalytik sind, teilweise mehr als bei anderen Labormethoden, ganz wesentliche Bedingungen der Präanalytik zu beachten. Diese sind in Stichworten in Tab. [4] aufgelistet. Zu bedenken ist auch, dass sich in bestimmten Lebenssituationen, die im Rahmen der Gynäkologie und Geburtshilfe relevant sind, Gerinnungsparameter verändern und insofern deutlich schwieriger zu beurteilen sind. Dies gilt

In bestimmten Lebenssituationen wie Schwangerschaft oder Stillzeit verändern sich die Gerinnungsparameter.

besonders für die Schwangerschaft und Stillzeit (Tab. [5] und [6]), sowie für die Einnahme oraler Kontrazeptiva oder Hormonersatzpräparate (Tab. [7]). Einzig die molekulargenetische Analyse ist immer durchführbar und wird nicht durch Medikamenteneinnahmen beeinflusst.

Tab. 4 Relevante Punkte für die Präanalytik bei der Gerinnungsuntersuchung optimal: liegend, nüchtern, stressfrei Stauung maximal eine Minute Nadel: 0,8 - 1,0 mm, Pädiatrie 0,6 mm Reihenfolge bei der Blutentnahme: Serum: damit nicht die durch die Gefäßverletzung freigesetzten Gewebsthromboplastine die Gerinnungsanalytik stören Citratblut EDTA: Abnahme zuletzt, da diskutiert wird, dass EDTA die Citratblut-Analyse stören kann und Thrombozyten aktiviert Füllhöhe beachten! Gut mischen aber ohne Schaumbildung Zentrifugation: nach 30 (bis 60) Minuten, mindestens 2500 × g, 15 Minuten zur Gewinnung thrombozytenarmen Plasmas Raumtemperatur (22 ± 2 °C) für 4 Stunden oder gefroren bei - 20 °C Lagerung: nicht im Kühlschrank (Thrombozyten-Aggregation) gefrorene Proben: thrombozytenarmes Plasma vorsichtig abheben, ohne mit dem Buffy Coat oder den Erythrozyten in Kontakt zu kommen Proben für die Molekulargenetik (EDTA): keine Zentrifugation oder Einfrieren erforderlich Cave: Medikamentenanamnese (orale Kontrazeptiva, andere Hormonmedikamente, Heparine, Kumarine, Infusionen, Transfusionen, Kathetersysteme) Tab. 5 Änderung der Hämostaseparameter bei Schwangeren. Daten zusammengestellt nach [34] Anstieg der D‐Dimere im 1. Trimenon um den Faktor 2 - 3, im 3. Trimenon um den Faktor 5 - 10 Aktivitätsanstieg der Faktoren VII, VIII, X, XII um 30 - 100 % Abfall der Faktoren XI und XIII TPZ nimmt ab der 12. - 32. Schwangerschaftswoche kontinuierlich ab aPTT nimmt ab der 24. - 32. Schwangerschaftswoche ab Antithrombin sinkt um 10 - 20 % Protein C: Anstieg um bis zu 50 % Protein S: Abfall um bis zu 50 % durch Hämodilution kontinuierliche Verminderung der Thrombozyten Tab. 6 D‐Dimer-Konzentrationen bei gesunden Schwangeren. Daten aus [19] Angabe in µg/l alle 1. Trimenon 2. Trimenon 3. Trimenon 3. Trimenon (1. Hälfte) 3. Trimenon (2. Hälfte) n 183 45 41 97 20 77 5er Perzentile 222 141 289 589 438 685 Median 735 317 554 1 147 931 1 270 95er Perzentile 1 970 701 1 205 2 313 1 672 2 584 99er Perzentile 2 848 1 412 1 556 3 137 2 071 3 266 Alter (Jahre) 21 - 44 21 - 41 22 - 40 21 - 44 24 - 42 21 - 44 Tab. 7 Änderung der Gerinnungsanalytik bei oralen Kontrazeptiva und Hormonersatztherapie. Daten nach [38] Antithrombin: leichter Abfall Protein C: Anstieg (25 - 30 %) Protein S (frei und gesamt): Abfall (25 - 30 %) Quick, aPTT: unverändert Molekulargenetik: unverändert

Resistenz gegen aktiviertes Protein C (APC‐Resistenz) und Faktor-V‐Leiden

Der Faktor V, auch als Proaccelerin bezeichnet, ist ein Plasmaprotein, das die Vorstufe des Faktors Va darstellt. Als Co-Faktor von Faktor Xa wird so die Bildung von Thrombin forciert. In einer positiven Feedback-Schleife wird Faktor V wiederum durch Thrombin und Faktor Xa aktiviert. Durch eine Mutation auf dem assoziierten Genabschnitt kann der Faktor V in seiner Molekülstruktur verändert sein. Bei der Punktmutation im Faktor-V‐Gen

Die Punktmutation im Faktor-V‐Gen ist die häufigste hereditäre Thrombophilieform. Durch sie kann APC nur unzureichend gespalten und damit inaktiviert werden.

liegt meist eine einzelne Veränderung vor, bei der Guanin durch Adenin ersetzt wird. Diese Punktmutation stellt die häufigste Form der erblichen Thrombophilie dar. Sie wird auch als Faktor-V‐Leiden bezeichnet, da sie erstmals von einer Arbeitsgruppe in der holländischen Stadt Leiden erwähnt wurde. Auf Proteinniveau entspricht dies einem Aminosäureaustausch an Position 506, wo dann Arginin durch Glutamin substituiert wird.

Liegt ein autosomal co-dominant vererbter Faktor-V‐Leiden-Gendefekt vor, bleibt die Aktivierung der Blutgerinnung unverändert. Nachdem Thrombomodulin an Thrombin gebunden hat, fördert dieser Komplex die Aktivierung von Protein C zu dessen aktivierter Form. Die aktivierte Form bindet sowohl an Thrombozyten wie auch an das Endothel. Unterstützt durch den Co-Faktor Protein S werden so die Faktoren Va und VIIIa gehemmt (Abb. [1]).

Die Mutation ist ausschließlich für den Prozess der Inaktivierung des Faktors Va von Bedeutung. Da die Position 506 des Faktor-V‐Proteins in der Erkennungssequenz für das aktivierte Protein C liegt, kann die Faktor-V‐Leiden-Mutante nur noch unzureichend von APC gespalten und damit inaktiviert werden. Dadurch wird die Blutgerinnung nicht wie im Normalfall inhibiert. Der Genotyp trägt daher die Bezeichnung APC‐Resistenz.

Die Faktor-V‐Leiden-Mutation ist die häufigste hereditäre Form einer Thrombophilie (Tab. [1]). Weitere wichtige Beispiele sind die Prothrombinmutation, der Mangel an antikoagulatorisch wirkenden Proteinen und Enzymen der Gerinnung wie Protein C, Protein S oder Antithrombin. In Abb. [3] sind die verschiedenen Möglichkeiten zusammengefasst, aufgrund derer eine APC‐Resistenz entstehen kann.

Abb. 3 Pathogenese einer Protein-C-Resistenz. Unter normalen Umständen wird Prothrombin unter dem Einfluss des aktivierten Faktor X (Xa) und V (Va), die zusammen die sog. Prothrombinase bilden, in Thrombin umgewandelt. Thrombin aktiviert über Thrombomodulin Protein C zu aktiviertem Protein C (APC). APC wiederum wirkt, verstärkt durch Protein S, als Inaktivator von Faktor V. Nunmehr kann es durch Mangel an Thrombomodulin (1), Protein C (2) oder Protein S (3) zu einer mangelhaften Inaktivierung kommen. Ferner ist möglicherweise der Angriffspunkt von APC am Faktor V durch ein Antiphospholipidsyndrom blockiert (4).

Die APC‐Resistenz lässt sich durch einen plasmatischen Gerinnungstest

In einem plasmatischen Gerinnungstest kann die APC‐Resistenz nachgewiesen werden.

diagnostisch nachweisen. Wesentlich genauer ist der Nachweis der zugrundeliegenden Mutation durch eine molekulargenetische Untersuchung (PCR). Durch diese Methode werden, wegen der hohen Probenstabilität, zudem mögliche Probleme im Rahmen der Präanalytik umgangen.

Antiphospholipid-Syndrom

Für ein Antiphospholipid-Syndrom

Laboranalytische Kriterien des Antiphospholipid-Syndroms sind: Nachweis von Lupusantikoagulanzien, Anti-Cardiolipin-Antikörper u/o Anti-beta-2-Glykoprotein-I‐Antikörper.

gelten international festgelegte klinische und laborchemische Kriterien (Tab. [8]). Die laboranalytischen Kriterien eines Antiphospholipid-Syndroms umfassen den Nachweis von Lupusantikoagulanzien, Anti-Cardiolipin-Antikörpern und/oder Anti-beta-2-Glykoprotein-I‐Antikörpern. Unter einem Lupusantikoagulans versteht man Immunglobuline, die gegen spezifische phospholipidbindende Plasmaproteine wie z. B. beta-2-Glykoprotein I oder Prothrombin gerichtet sind. Phospholipide wiederum sind ein relevanter Bestandteil jeder Zellmembran. Durch die kompetitive Interaktion mit Gerinnungsfaktoren um die Bindung an Phospholipide verlängern diese Immunglobuline verschiedene Gerinnungstests. Zur Detektion kann daher vor allem die aktivierte Plasmathrombinzeit (aPTT) eingesetzt werden. Anti-Cardiolipin-Antikörper sind Antikörper, die meist über beta-2-Glykoprotein I an Cardiolipin, Phosphatidylserin oder Phosphatidylinositol binden. Auch beta-2-Glykoprotein I ist selbst antikoagulatorisch wirksam durch Hemmung der intrinsischen Gerinnung und der Thrombozytenaggregation.

Tab. 8 Klinische und laborchemische Kriterien eines Antiphospholipid-Syndroms. Zur Diagnose bedarf es mindestens eines klinischen und eines laboranalytischen Kriteriums. Nach [25] 1. Klinische Kriterien Thrombose im arteriellen oder venösen Stromgebiet oder in kleinen Gefäßen (small vessels), nachgewiesen durch eine objektivierbare Methode Erkrankungen in der Schwangerschaft eine oder mehrere Aborte/Totgeburten nach der 10. Schwangerschaftswoche bei morphologisch unauffälligem Fetus (nachgewiesen durch Sonographie oder direkte Untersuchung) eine oder mehrere Frühgeburten (< 34. Schwangerschaftswoche) bei normalem Feten und schwerer Präeklampsie, Eklampsie oder Plazentainsuffizienz drei oder mehr Spontanaborte vor der 10. Schwangerschaftswoche unter Ausschluss anatomischer und hormoneller Ursachen auf maternaler Seite sowie chromosomaler Ursachen auf Seite beider Elternteile 2. Laborchemische Kriterien Anticardiolipin (aCL)-Antikörper des IgG- und/oder IgM‐Isotyps, mittel- oder hochtitrig gemessen durch standardisierten ELISA in 2 oder mehr unabhängigen Proben im Abstand von mindestens 12 Wochen Lupus-Antikoagulanzien (LA), entsprechend den Kriterien der International Society of Thrombosis and Haemostasis, in 2 oder mehr unabhängigen Proben im Abstand von mindestens 12 Wochen Anti-β2-Glykoprotein-I-Antikörper des IgG- und/oder IgM‐Isotypes, mittel- oder hochtitrig gemessen durch standardisierten ELISA in 2 oder mehr unabhängigen Proben im Abstand von mindestens 12 Wochen

In vivo kommt es durch die Antiphospholipid-Antikörper zur Reaktion mit beta-2-Glykoprotein I, Prothrombin, Protein C und S sowie Annexin V und damit zu einer Interferenz im Gerinnungsablauf. Die Protein-C‐Aktivierung, die Antithrombin-Aktivität, die Annexin-V‐Bindung und die Fibrinolyse werden gehemmt - eine thrombophile Situation ist entstanden.

Das Antiphospholipid-Syndrom

Habituelle Aborte können durch ein Antiphospholipid-Syndrom verursacht werden.

hat in der Gynäkologie und Geburtshilfe v. a. Bedeutung bei der Klärung habitueller Aborte oder anderer Komplikationen in der Schwangerschaft (Tab. [8]).

Homocystein

Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt der essenziellen Aminosäure Methionin. S‐Adenosylmethionin ist ein wichtiger Methylgruppendonator bei vielen biologischen Prozessen. Methionin wird über Methioninsynthase zu Methionin remethyliert. Homocystein wiederum wird irreversibel abgebaut über eine Kondensation mit Serin; Nebenprodukt ist das Cystein (Abb. [4]). Homocystein ist heute ein anerkannter Risikofaktor vor allem für Komplikationen im arteriellen Gefäßsystem

Im arteriellen Gefäßsystem ist Homocystein ein wichtiger Risikofaktor.

. Für venöse thromboembolische Ereignisse besteht keine Einigkeit über die aktuelle Wertigkeit. Die Hyperhomocysteinämie scheint dabei eher eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Abb. 4 Stoffwechsel des Homocysteins. Zu beachten ist die Rolle von Folsäure, Vitamin B12 und B6 bei diesen Wechselwirkungen. MTHFR: Methylentetrahydrofolat-Reduktase.

Ein relevantes Enzym in diesem Stoffwechsel ist die Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR). Ein Polymorphismus im MTHFR‐Gen führt zu einer thermolabilen Variante (Position 677, C - T).

Ein Polymorphismus im MTHFR‐Gen führt zu Hyperhomocysteinämie und Empfindlichkeit gegenüber Folsäuremangel.

Die Prävalenz dieser Veränderung liegt bei 15 - 20 % in der europäischen Allgemeinbevölkerung und führt zu einer Verminderung der Enzymaktivität um bis zu 70 % [[12]]. Die betroffenen Personen sind besonders empfindlich gegenüber einem Folsäuremangel und zeigen eine Erhöhung von Homocystein um etwa 25 % [[21]].

Im Falle einer MTHFR‐Mutation mit konsekutiver Hyperhomocysteinämie kann diesen Patienten durch eine Folsäure-, Vitamin-B12- und Vitamin-B6-Supplementierung

Eine Supplementierung mit Folsäure, Vitamin-B12 und ‐B6 ist indiziert bei MTHFR‐Mutation.

geholfen werden. Die Zusammenhänge dieser Vitamine mit dem Homocysteinstoffwechsel zeigt Abb. [4]. Von der DACH‐Liga Homocystein e. V. wird eine Substitution mit 0,2 - 0,8 mg Folsäure, 3 - 100 µg Vitamin B12 und 2 - 6 mg Vitamin B6 empfohlen. Kommt es darunter nicht zu einem Abfall des Homocystein auf unter 10 µmol/l, wird eine Erhöhung der Dosierung auf 1 - 5 mg Folsäure, 100 - 600 µg Vitamin B12 und 6 bis 25 mg Vitamin B6 empfohlen. Dies gilt v. a. für Patienten mit manifester arterieller Gefäßerkrankung sowie für Risikogruppen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine erste Kontrolle des Homocystein nach Substitution nach 4 - 6 Wochen ist sinnvoll [[33]].

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Prof. Dr. med. Michael Ludwig

Endokrinologikum Hamburg Zentrum für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie

Lornsenstraße 4 - 6

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