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DOI: 10.1055/s-2006-924745
GebFra-Refresher

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Habituelle Aborte

Eine Evidenz-basierte Empfehlung zu Diagnostik und TherapieE. Strehler1 , K. Sterzik1 , M. Ludwig2 , F. Nawroth2
  • 1Endokrinologikum Ulm
  • 2Endokrinologikum Hamburg, Zentrum für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie, Lornsenstraße 4 - 6, 22767 Hamburg
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Publication Date:
22 December 2006 (online)

Einleitung

Die Fehlgeburt im ersten Drittel (Frühabort) ist die häufigste Komplikation der Schwangerschaft. Wiederholte frühe Aborte sollen bis zu 2 % der Paare betreffen [[1]]. Von habituellen Aborten

Habitueller Abort: Ende von ≥ 3 Schwangerschaften vor der 20. SSW.

spricht man, wenn 3 oder mehr Schwangerschaften als Frühabort vor der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) endeten, wobei das Risiko altersabhängig steigt [[2], [3]]. In vielen Studien werden außerdem Begriffe wie „recurrent miscarriages/abortions“, „repeated abortions“ oder „wiederholte/rezidivierende Aborte“ verwendet, die demgegenüber bereits Patientinnen mit 2 aufeinanderfolgenden Fehlgeburten einschließen. Ob auch hCG‐Erhöhungen ohne sonographisches Korrelat gezählt werden sollen, ob der Nachweis fetaler Strukturen essenziell ist und wie Patientinnen zu integrieren sind, die nach einer Geburt mehrere Aborte erleiden (in manchen Publikationen auch als „sekundäre Aborte“ beschrieben), ist unklar.

Aborte stellen insbesondere nach aufwendigen Kinderwunschtherapien, aber auch generell für das betroffene Paar mit Kinderwunsch, eine belastende Situation dar. Dies potenziert sich mit der Wiederholung derartiger Ereignisse, so dass häufig wegen des erneuten Abortrisikos nachgefragt wird (Tab. [1]).

Tab. 1 Wiederholungsrisiko eines Aborts in Abhängigkeit von der Anzahl vorheriger Aborte [2] Anzahl vorheriger Aborte in der Anamnese Wiederholungsrisiko bei erneuter Schwangerschaft (%) 1 16 2 25 3 45 4 54

Aus dem erheblichen Leidensdruck der Paare erwächst ein intensiver kausaler Therapiewunsch. Dieser ist aufgrund des aktuellen Wissens zu Ursachen habitueller Aborte und deren Therapiemöglichkeiten nur eingeschränkt erfüllbar. Dies den Paaren zu vermitteln und sinnvolle Diagnostika/Therapeutika zu indizieren, ist gerade angesichts der in der Vergangenheit, aber auch aktuell oft bemühten empirischen Empfehlungen mit resultierendem „Überaktionismus“ schwierig. Einige Fragen zu einer sinnvollen Diagnostik/Therapie sind mittlerweile durch mehrere oder wenigstens eine randomisierte und kontrollierte Studie (randomized controlled trial, RCT) eindeutig beantwortet (= Evidence based Medicine-EbM‐Klasse I/II). Eine der jüngsten Übersichtsarbeiten zu rezidivierenden Aborten bemängelt, dass nach wie vor hochqualitative Studien

Zu zahlreichen Aspekten rezidivierender Aborte fehlen hochqualitative Studien.

weitgehend fehlen. Andererseits werden durch unvollständige Berücksichtigung der Literatur und aus Studien untergeordneter Qualität übertriebene Schlüsse gezogen [[3]]. Viele Fehler entstehen durch Festhalten an veraltetem Wissen oder Überaktionismus. Am wahrscheinlichsten ist am Ende doch die Geburt eines gesunden Kindes, was die Evaluierung von sinnvollen Therapieverfahren zusätzlich erschwert [[4]]. Rai und Regan [[5]] formulieren es in einem aktuellen Lancet-Seminar: „Weg von der anekdotischen Evidenz hin zum Evidenz basierten Management.“ Eine der wesentlichen Leistungen der Evidenz-basierten Medizin (EbM) ist die zuverlässige und aktuelle Information.

Die systematische Literatursuche und ‐bewertung fördert die transparente und nachvollziehbare Darstellung zum rezidivierenden Abortgeschehen. Der Arzt will die kurze Darstellung der besten aktuellen Datenlage, auf Qualität geprüft.

In diesem Refresher soll klar Stellung bezogen werden. Für jede therapeutische Intervention gilt, dass der Goldstandard die Information aus dem RCT ist. Ergebnisse aus Beobachtungsstudien oder gar Fallkontrollstudien sind in der Evidenzhierarchie nachrangig (Klasse II, III). Die beste Evidenzklasse und den höchsten Empfehlungsgrad erreicht die systematische Übersichtsarbeit mit anschließender Metaanalyse auf der Grundlage aller verfügbaren RCT [[6]].

Die Schwerpunkte sind heute die klinische Relevanz und die Effektgröße

Klinische Relevanz und Effektgröße bestimmen den Härtegrad einer klinischen Empfehlung.

. Ist die Wirkung der Vergleichstherapie statistisch besser als der etablierte Standard, und ist dieser Unterschied klinisch relevant? Das Ergebnis ist die starke (Grad 1) oder schwache (Grad 2) Empfehlung [[7]] für das klinische Vorgehen. Klinische Empfehlungen, versehen mit einem Härtegrad, zeigen schnell, wie viel Vertrauen der Ratsuchende in die Empfehlungen legen kann und wie gut die Empfehlungen durch Studien hoher methodischer Qualität abgesichert sind. Ärzte und ihre Patientinnen sollen Klarheit haben, wann eine Maßnahme sinnvoll und von gesundheitlichem Nutzen ist und wie gut die Daten untersucht sind (Güte der Evidenz). Wird dies beachtet, kommt es zur Reduzierung von Fehlentscheidungen und zur Verbesserung der Kommunikation mit den Patientinnen. Unter diesen Aspekten haben wir in der vorliegenden Arbeit die verschiedenen Aspekte der habituellen Aborte betrachtet und herausgearbeitet.

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Priv.-Doz. Dr. med. Frank Nawroth

Endokrinologikum Hamburg

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