Kardiologie up2date 2006; 2(1): 75-88
DOI: 10.1055/s-2006-925267
Aortenerkrankungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diagnostisches und therapeutisches Management bei akutem Aortensyndrom

Tim  C.  Rehders, Hüseyin  Ince, Henrik  Schneider, Tushar  Chatterjee, Christoph  A.  Nienaber
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Publication Date:
20 April 2006 (online)

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Kernaussagen

Die akute Aortendissektion ist eine Erkrankung, die mehr Männer als Frauen in ihrer 5. und 6. Lebensdekade trifft. Der häufigste Risikofaktor ist die arterielle Hypertonie.

Jüngere Patienten (Lebensalter < 40 Jahre) mit Aortendissektion sind seltener von einer arteriellen Hypertonie betroffen; Marfan-Syndrom, Existenz einer bikuspiden Aortenklappe bzw. eine Aortenoperation in der Vorgeschichte sind in dieser Patientengruppe aber häufiger anzutreffen.

Das Spektrum der Risikofaktoren für eine Aortendissektion ist sehr vielfältig.

Das intramurale Hämatom (IMH) und das penetrierende Aortenulkus (PAU) können Vorläufer einer klassischen Aortendissektion sein.

Klinisch lassen sich ein IMH, ein PAU und eine Dissektion nicht sicher voneinander unterscheiden. In jedem Fall ist bei klinischem Verdacht eine Schnittbilddiagnostik der gesamten Aorta erforderlich.

Die Prognose des akuten Aortensyndroms wird schlechter, je proximaler die Aorta ein entsprechendes pathoanatomisches Substrat aufweist. Hieraus ergibt sich, dass tendenziell ein IMH der aszendierenden Aorta eine ähnlich ungünstige Prognose wie eine Typ-A-Dissektion hat, während ein IMH der deszendierenden Aorta eine Prognose wie eine Typ-B-Dissektion aufweist.

Die Differenzialdiagnose eines akuten Aortensyndroms sollte immer erwogen werden bei Patienten mit ungeklärter Synkope, Brust- oder Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Schlaganfall oder akuter Herzinsuffizienz. Seitendifferenzen der Pulse oder Zeichen von Malperfusion sind besondere Verdachtsmomente.

Patienten mit Risikofaktoren für ein akutes Aortensyndrom sollten auch bei unklarem Beschwerdebild unabhängig von Nachweis klassischer Zeichen (Erweiterung des Mediastinums im Röntgenbild des Thorax, Seitendifferenzen von Pulsqualität bzw. Blutdruckwerten, Diastolikum über der Aortenklappe) immer einer definitiven Bilddiagnostik der gesamten Aorta zugeführt werden.

Diagnostische Fehler sind heute mit den modernen Bildgebungstechniken weniger ein Problem, sondern eher Verzögerungen bei der Veranlassung einer bildgebenden Diagnostik.

Bei jeder Typ-A-Dissektion ist eine sofortige chirurgische Sanierung erforderlich, mit dem Ziel, eine Aortenwandruptur oder eine Perikardtamponade und damit den sofortigen Tod zu verhindern und die aszendierende Aorta einschließlich des Klappenapparats zu rekonstruieren. Interpositionsgrafts und Compositgrafts mit Reinsertion der Koronarien stellen die Standardverfahren dar.

Bei allen Patienten, die eine Aortenerkrankung überstanden haben, ist eine konsequente Nachsorgestrategie notwendig, da hypertensive Blutdruckwerte und Expansion der Aorta relativ häufig vorkommen und in aller Regel asymptomatisch verlaufen. Zur Nachsorge gehören: die langfristige pharmakologische Blutdruckoptimierung, regelmäßige klinische Kontrollen und eine serielle Dokumentation der Aorta mit bildgebenden Verfahren.