Rofo 2007; 179(2): 169-171
DOI: 10.1055/s-2006-927202
Der interessante Fall

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

CT-gezielte Feinnadelaspiration bei epiduralem Vacuumphänomen mit Lumboischialgie

T. Kau1 , J. Gasser1 , H. Illiasch1
  • 1Landeskrankenhaus Klagenfurt
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

eingereicht: 6.8.2006

angenommen: 17.10.2006

Publikationsdatum:
07. März 2008 (online)

Einführung

Das so genannte Vacuumphänomen (VP) bzw. Ansammlungen von Gas wurden in den verschiedenen Segmenten der Wirbelsäule beschrieben, einschließlich der Bandscheibenräume, Schmorl’scher Knoten, Wirbelanteile, Epidural- und Intraduralräume, Synovialzysten und Facettengelenke. Obwohl es an experimentellen, physikalisch-chemischen Beweisen in der Literatur mangelt, weisen zahlreiche klinische Fallberichte darauf hin, dass es sich bei vielen radiologischen Manifestationen des VP um Momentaufnahmen eines komplexen, dynamischen, hydropneumatischen Kontinuums handelt, welches von Vacuum über Gas bis zur Flüssigkeit reicht und umgekehrt (Coulier B. JBR-BTR 2004; 87: 9 - 16). Wohl wird über Gestaltänderungen von Gaseinschlüssen im Sinne einer Verlagerung berichtet, dokumentierte Fälle von spontaner Resorption findet man in der Literatur jedoch nicht.

In der gängigen radiologischen Praxis wird die Bezeichnung „Vacuumphänomen” inkorrekt verwendet, um gasähnliche Dichte zu beschreiben, welche entweder im Sinne des wahren VP durch rasche Zunahme des Gelenksraumvolumens entsteht (akutes VP), oder ein echtes Gas repräsentiert, wie in Zusammenhang mit degeneriertem Bandscheibengewebe (gelegentlich subakutes oder chronisches VP genannt). VP im Bandscheibenraum wird in der Computertomografie mit einer Häufigkeit von nahezu 50 % bei Patienten über 40 Jahren entdeckt. Seit 1990 gibt es zahlreiche Fallberichte über intra- wie auch extradurale Nervenwurzelkompression durch Gasansammlungen in der Hals- und Lendenwirbelsäule (Hidalgo-Ovejero AM et al. Spine 2004; 29: 463 - 467). Gelegentlich werden sie als Zyste bezeichnet oder als gashaltiger Bandscheibenprolaps, eine einheitliche Terminologie existiert bisweilen nicht.

Hinsichtlich Symptomatik, Diagnose und Therapie müssen intraspinale Gaseinschlüsse als echte Raumforderung gewertet werden. Pathogenetisch kommen zwei Mechanismen infrage. Der erste geht von einer degenerierten Bandscheibe aus, deren Nucleus pulposus bereits eine Gasansammlung enthält und in den Spinalkanal bzw. ein Neuroforamen herniert. Für den zweiten Mechanismus wird angenommen, dass Gas in den Spalten einer degenerierten Bandscheibe einzeitig oder nach und nach durch einen Riss im Anulus fibrosus ausgestoßen wird und sich unter Druck innerhalb einer Kapsel oder Pseudokapsel sammelt. Die Wand solcher Pseudozysten kann ligamentäres Bindegewebe enthalten. Salpietro leitet davon die therapeutische Empfehlung ab, eine vollständige Mikrodiskektomie durchzuführen einschließlich einer Entfernung des betroffenen Anteils des hinteren Längsbandes (Salpietro FM et al. J Neurosurg Sci 2002; 46: 93 - 95). Hingegen konnten Patienten mit intraspinalen, gashaltigen Zysten der Lendenwirbelsäule in mehreren Fallserien mittels Nadelpunktion von radikulären Symptomen befreit werden (Righini A et al. J Neurosurg 1999; 91: 133 - 136). Hinsichtlich der Diagnostik erwies sich die Computertomographie als geeignete Modalität (Tsitouridis I et al. Eur J Radiol 2005; 56: 1 - 4). Wir berichten über einen interessanten Fall, der die Möglichkeit einer minimalinvasiven Therapie bei intraspinalem VP veranschaulicht und gleichzeitig deren potenzielle Einschränkung gegenüber einer Operation aufzeigt.

Dr. Thomas Kau

9020 Klagenfurt

eMail: t.kau@gmx.at