manuelletherapie 2006; 10(5): 209-210
DOI: 10.1055/s-2006-927252
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gisela Rolfs Beitrag zur Manuellen Therapie

P. Wells
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Publication Date:
05 December 2006 (online)

Gisela Rolfs bemerkenswerte Karriere als Physiotherapeutin konzentrierte sich auf 2 Hauptgebiete des klinischen Fachs: die Behandlung von Patienten mit ZNS-Läsionen (z. B. Apoplex) und das Management neuromuskulärer Schmerzzustände und funktioneller Behinderungen.

Gisela Rolf

Peter Wells

Ihre Forschungen, ihre klinische Arbeit und ihre fachlichen Publikationen aus den Mittfünfziger- bis Mittsiebziger-Jahren bereiteten sie auf das vor, was später ihr hervorragendster und weit reichendster Beitrag in der Physiotherapie Europas sein sollte, nämlich die Einrichtung eines Studiencenters in Bad Ragaz für fertig ausgebildete Physiotherapeuten. Im Jahr 1975 gründete sie gemeinsam mit Pat Davies, einem führenden Bobath-Instruktor und Therapeuten, ein Programm für Physiotherapeuten und andere, das Teilnehmer aus vielen europäischen und anderen Ländern anzog, je weiter sich der Ruf dieses exzellenten Ausbildungszentrums verbreitete.

In Bad Ragaz entwickelte sie ihr Interesse für die Manuelle Therapie bei der Behandlung neuromuskuloskelettaler Schmerzen und Dysfunktionen weiter. Der positive Einfluss des Arztes Dr. James Cyriax und des Physiotherapeuten Freddy Kaltenborn hat die Fähigkeiten und das Denken der Physiotherapeuten und Ärzte im Bereich der Manuellen Therapie geprägt.

Auch der Einfluss von Geoffrey Maitland aus Australien war in der englischsprachigen Welt bis 1970 stark gefestigt. Gisela Rolf organisierte 1982 den 1. Kurs auf der Basis des Maitland-Konzepts in Bad Ragaz. Die offene undogmatische Art der Untersuchung, Befunderhebung und Behandlung dieses Konzepts förderte die Phantasie der Physiotherapeuten, die in großen Teilen der englisch sprechenden Welt zu dieser Zeit Erstkontakt-Therapeuten wurden. Die Bücher von Maitland [1] [2] leiteten für den physiotherapeutischen Beruf einen großen Sprung nach vorne ein.

Von einem Physiotherapeuten für Physiotherapeuten geschrieben, lieferte der Inhalt der Bücher ein weiteres Argument in der Diskussion darum, dass gut ausgebildete Physiotherapeuten nicht reine Techniker sind, die unter der strikten Kontrolle und Anordnung der Ärzte zu arbeiten haben, sondern es sich um eine reife professionelle Gruppe handelt, die in der Lage ist, selbstständig fundierte Therapieentscheidungen für ihre Patienten zu treffen.

Dies war eine Inspiration für Gisela Rolf, die sich wie viele spezialisierte Physiotherapeuten in der Lage fühlte, Patienten in kollegialer Zusammenarbeit mit den Ärzten und nicht „unter” deren Aufsicht zu behandeln. Sie entwickelte die Dauer, den Qualitätsstandard und die Zertifizierung der Ausbildung in Manueller Therapie weiter. In diesem Zusammenhang nehmen die Einführung eines anerkannten Diploms für Instruktoren des Maitland-Konzepts und die Gründung der Internationale Vereinigung für Maitland-Instruktoren (IMTA) einen sehr hohen Stellenwert ein, die sie mit viel Energie vorantrieb. Diese Neuerungen waren für die Fortsetzung der Spezialkurse für Fortgeschrittene ausschlaggebend, deren Herzstück die klinische Supervision darstellt. Das europaweite Angebot einer derartigen Ausbildung überforderte beinahe die Zahl der qualifizierten Instruktoren, was durch die große Nachfrage auch heute noch gilt.

Informiert und durch ihre Arbeit in der Neurologie und der Physiotherapie des Bewegungsapparats inspiriert, sah Gisela Rolf die Notwendigkeit, diese beiden so unterschiedlichen, aber doch eng verbundenen therapeutischen Bereiche zusammenzubringen. Sie entwickelte eine Grundlage, auf der die Befund- und Behandlungstechniken für die neurodynamischen Komponenten des Bewegungsapparats in die Behandlung von an ZNS-Läsionen leidenden Patienten integriert werden konnte. Die Ergebnisse, die sie bei den Patienten erzielte, indem sie die beiden therapeutischen Gebiete verband, inspirierten viele andere Therapeuten in der neurologischen Rehabilitation.

Man kann sich fragen, warum die Rolle der durch unphysiologische Belastungen sensibilisierten und geschädigten pathologischen Afferenzen des peripheren Nervensystems in der neurologischen Rehabilitation über so viele Jahre übersehen wurde. Glücklicherweise wurden Gisela Rolfs Ideen zum Nutzen der Patienten von dänischen und vielen weiteren Physiotherapeuten aus anderen Teilen Europas aufgenommen, eingesetzt, weiter erforscht und fortentwickelt.

Ihre Energie und ihr Enthusiasmus ebenso wie ihre organisatorischen Fähigkeiten bei der Fortentwicklung und Erweiterung der Manuellen Therapie besonders in Europa kann nicht überbewertet werden. Es ist eine meiner größten Freuden und ein Privileg, mit einem Teil dieser Errungenschaften verbunden gewesen zu sein und zeitweise an ihrer Seite gearbeitet zu haben.

Literatur

Peter Wells, B.A., F.C.S.P., M.M.A.C.P. DIP.T.P. Consultant Physiotherapist und Post-Graduate-Lehrer London, Mitglied der Internationalen Maitland-Instruktoren Vereinigung

25 Campana Rd.

GB-London SW6 4AT