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DOI: 10.1055/s-2006-927332
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Hohe Auszeichnung für Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Schwartz
Publication History
Publication Date:
29 November 2006 (online)
Am 14.2.2006 wurde Professor Dr. Friedrich Wilhelm Schwartz für sein Lebenswerk geehrt. Er erhielt das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Die Feier aus Anlass der Ordensverleihung fand im Gästehaus der Niedersächsischen Landesvertretung in Hannover statt. Staatssekretär Dr. Josef Lange überreichte die Auszeichnung, in Vertretung für den Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz Stratmann.
Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Schwartz
Professor Dr. Friedrich Wilhelm Schwartz, Direktor der Abteilung „Epidemiologie, Sozialmedizin und (seit 1998) Gesundheitssystemforschung” an der Medizinischen Hochschule Hannover gilt mit guten Gründen als einer der geistigen Nährväter der ‚New Public Health’-Forschung und der Gesundheitssystemforschung in Deutschland. Er war 42 Jahre alt, als er 1985 die Berufung auf den Lehrstuhl für Epidemiologie und Sozialmedizin seines renommierten Vorgängers Professor Dr. Manfred Pflanz in Hannover erhielt. In den mehr als 20 Jahren Arbeit als Forscher und Lehrer hat Friedrich Wilhelm Schwartz seine Abteilung zu einem Zentrum von ‚New Public Health’ entwickelt.
Friedrich Wilhelm Schwartz wurde am 13.9.1943 im schlesischen Waldenburg geboren. Aus seiner Familie, die ihre Wurzeln in Schlesien, in der Mark Brandenburg (Potsdam) und in Berlin hatte, stammten Lehrer, Pfarrer, Ärzte und Offiziere. Infolge von Krieg und Vertreibung musste die Mutter im Jahre 1945 mit Sohn F. Wilhelm und Tochter Irmi aus Schlesien fliehen. In Wiesbaden fand die Familie ein neues Zuhause. Nach dem Abitur studierte F. Wilhelm - mit einem Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes - Kunstgeschichte, Philosophie und Medizin in München und später zusätzlich Soziologie in Marburg. Hier legte er 1969 das medizinische Staatsexamen ab. In seiner medizinhistorischen Dissertation (Uni Frankfurt, 1973) arbeitete er über „Die Anfänge neuzeitlicher, sozialer und gesundheitlicher Aktivitäten und die Entwicklung der organisierten staatlichen Fürsorge für die Gesundheit der Bürger”. Dieser Themenbereich sollte sich als ein wichtiger Leitfaden durch sein weiteres berufliches Schaffen ziehen.
1972, nach einigen Jahren klinischer Arbeit im Bereich der inneren Medizin, eröffnete sich ihm ein neues Wirkungsfeld als ärztlicher Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Köln (1972 - 1984). Im Rahmen seines Schwerpunktes „Prävention” veranlasste er die Einführung der Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen für Kinder, der Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere und der Krebsfrüherkennung. Ab 1974 wurde er zusätzlich Gründungsgeschäftsführer des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, dem ersten Forschungsinstitut zur ambulanten Versorgung. Zusammen mit dem Wissenschaftlerehepaar Schach aus Dortmund führte er die erste lange Zeit einzige repräsentative Erhebung zur ambulanten Versorgung im hausärztlichen Bereich durch (EVaS-Studie). Während seiner Kölner Zeit gewann F. W. Schwartz eine deutlichere Sicht seiner beruflichen Schwerpunkte. Seine berufliche Entfaltung verlief bipolar: Sie vollzog sich aus der Vertiefung in wissenschaftliche Forschung ebenso wie aus dem Antrieb zu öffentlichem Wirken. In den Jahren der Verbandstätigkeit begann sein Weg zu einem anerkannten Berater der Gesundheitspolitik.
Sein Ansehen als Wissenschaftler und Politikberater war inzwischen auf andere Weise gefestigt worden. 1985 folgte er dem Ruf an die Medizinische Hochschule Hannover. Drei Jahre vorher hatte er hier die Habilitation für Epidemiologie und Sozialmedizin erworben. Auf dem Lehrstuhl widmete er sich mit Schaffensfreude und Innovationskraft der neuen Aufgabe. So etablierte er 1990 den Ergänzungsstudiengang „Bevölkerungsmedizin und Gesundheitswesen” (Public Health), ein Postgraduierten-Programm für die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Als die Gründung erfolgt war, gelang es ihm, nicht nur den Ausbau des Studiengangs schnell zu fördern, sondern auch den Sinn für die Notwendigkeit dieser Einrichtung lebendig zu halten. 1992 war Professor Dr. F. W. Schwartz Mitbegründer und erster Sprecher der drei deutschen Forschungsverbünde für Public Health; Hannover wurde Zentrum des Norddeutschen Forschungsverbundes. Als weitere Marksteine seines konzeptionellen und organisatorischen Wirkens an der MHH sind zu nennen: die Gründung der „Hannover School of Health Mangement” mit einem Master-Studiengang, gemeinsam mit der ‚GISMA Buisiness School’ in Hannover und einer Partneruniversität in den USA (2002), die Einrichtung eines Stiftungslehrstuhls „Prävention und Rehabilitation in der System- und Versorgungsforschung” (2004) und die Gründung einer Patientenuniversität, gemeinsam mit den klinischen Fakultäten der MHH (2006). Bei der Weiterentwicklung der MHH engagierte er sich als Mitglied des Klinikvorstandes und viele Jahre als Mitglied oder stellvertretendes Mitglied des Senats.
F. W. Schwartz war fünf Bundesregierungen ein sachverständiger Berater. Von 1985 bis 1988 und von 1995 bis 2003 gehörte er als Mitglied dem ‚Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen’ an - von 1999 bis 2002 war er dessen Vorsitzender. Er berät Landesregierungen beim Aufbau einer Gesundheitsberichterstattung sowie bei der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen, das Land Niedersachsen bei der Entwicklung präventiver Programme, das Land NRW bei Strategiefragen der Rehabilitation und Qualitätssicherung. Seit 1998 (- 2004) ist F. Wilhelm Schwartz Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), seit 2004 Vorsitzender des Arbeitskreises „Versorgungsforschung” des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer. Seine Beratertätigkeit beschränkte sich nicht nur auf Deutschland. So unterstützte er Polen (1990) und die Philippinen (1990 - 1991) bei der Reform und Umstrukturierung ihres Gesundheitswesens. Die EU berief ihn als Mitglied der Ad hoc-Arbeitsgruppe „Public Health Research Strategies” (1993 - 1994), die WHO als Mitglied des Expertengremiums „Health of the Elderly” (seit 1997). Die Auflistung der Funktionen, durch die er dem nationalen und internationalen Gesundheitswesen verbunden ist, ließe sich fortsetzen mit weiteren Beratertätigkeiten, Mitgliedschaften in Fachgesellschaften, Publikationen, Einladungen zu Vorträgen und zahlreichen Auszeichnungen.
Es ist unmöglich, die Weite seiner Arbeit knapp zu beschreiben. Friedrich Wilhelm Schwartz verfügt über eine große wissenschaftliche Konsumtionskraft und über das Element der Fantasie, das die Stoffmenge in Bewegung setzt und eine neue Sichtweise eröffnet. Es sind diese Talente und die Fähigkeit der raschen Aufnahme und der Sicherheit, Zusammenhänge zu sehen und den springenden Punkt zu erfassen, die seine in nationale und internationale Belange ausgreifende Tätigkeit als Berater der Gesundheitspolitik begründen. In einer Zeit voller neuer Problemstellungen im Gesamtbereich des Gesundheitswesens und lebhafter Interessenkämpfe vereint er den Mut zu vielseitig begründeter Kritik mit dem Bedürfnis nach einem sachlichen, die Gegenmotive achtenden Ausgleich. Er genießt das Vertrauen der Krankenkassen und der Ärzteverbände. Bequem für Lobby und Politik ist er nicht. Er ist eine künstlerische Natur, lebt seine Affinität zur klassischen Musik: das Pianospiel - sein „tägliches Brot”, sucht Zwiesprache mit Poesie, Märchen und Bildender Kunst. Er passt in kein Interessen- oder Parteischema. Er besitzt die erfrischende Eigenschaft der Unbefangenheit, im Fragen wie im Aussprechen. Sein Kampf gilt der Kostensenkung im Gesundheitswesen und der Patientenautonomie. Letztlich will Friedrich Wilhelm Schwartz auch politisch-pädagogisch wirken, die (Einspar-)Potenziale der Prävention nutzen. Deshalb hat Fr. W. Schwartz an der MHH als jüngstes Projekt die „Patientenuniversität” gegründet. In einem Mini-Med-Studium wird Jung und Alt vermittelt, was Gesundheit ist, was jeder tun kann, wo die Risiken liegen und wie Krankheiten entstehen. Er selber hat es so formuliert: „Die Menschen haben den Schlüssel zu ihrem gesundheitlichen Glück in der Hand, sie wissen es nur nicht.” Friedrich Wilhelm Schwartz geht es um „die Übertragung der Aufklärung auf die Medizin als Programm”.
Dipl.-Päd. Ingo Strote
Forschungsstelle Gesundheitsförderung, Medizinische Hochschule Hannover, OE 5410
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover