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DOI: 10.1055/s-2006-932165
Ausverkauf der Krankenhauspsychiatrie -
Allheilmittel für die Länder?
Sellout of Hospital Psychiatry - Universal Remedy for Germany's Federal States?
Publication History
Publication Date:
14 March 2006 (online)
Unter dem Motto „Privatisierung” haben Länder wie Thüringen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Niedersachsen ihre psychiatrischen Fachkrankenhäuser veräußert oder sind gerade dabei. Meist kommen große kommerzielle Betreiber zum Zuge. Betroffen sind längst auch viele psychiatrische Abteilungen.
Es geht den Ländern um Entstaatlichung, das Füllen von Haushaltslöchern, Investitionen im wachsenden Maßregelvollzug und um Sorgen, die Häuser seien bei veränderter Krankenhausfinanzierung nicht zukunftsfähig - der Sozialstaat erodiert weiter. Nur wenige nichtkommerzielle Träger kamen zum Zuge. Sozialpolitik und fachlicher Rat setzen sich nicht durch. Die öffentliche Resonanz hält sich in Grenzen. Die Gewerkschaften kämpfen um Mitarbeiterrechte und Übergangsfristen. Von den Auswirkungen auf die Versorgung schwer psychisch Kranker und auf die Krankenhauspsychiatrie ist kaum die Rede.
Es geht nicht um Änderungen der Rechtsform. Auch in öffentlicher Trägerschaft können Betriebe modern und wirtschaftlich geführt werden, erfolgreich arbeiten und gute Versorgung machen. Übersehen wird: Chronisch und schwer psychisch Kranke sind keine Kunden, die am Markt frei über das Angebot entscheiden. Renditeziele von 15 bis 25 % oder Personalbesetzungen nach Psych-PV von 70 % und darunter bedeuten nackte Rationierung und belasten Versorgungsqualität und Mitarbeiter massiv. Profitorientierung und Wachstumslogik zwingen zu einer Ausrichtung am Markt, in der schwer chronisch Kranke und Gemeindeorientierung an den Rand geraten. Das Problem der Bewirtschaftung psychisch Behinderter in Heimen bleibt ungelöst. Melchinger u. Mitarb. (2003) zeigten die Schieflagen im System auf. Langfristig zahlen nicht nur Betroffene, sondern auch der Steuerzahler und die Kommunen die Zeche. Ob ein Maßregelvollzug verfassungskonform ist, der von beliehenen Privatunternehmern betrieben wird, wird sich zeigen.
Eine Tagung der Ev. Akademie Loccum 2006 zeigte: Not tut eine Gesamtdiskussion, die Fehlentwicklungen wie Heimversorgung, Rationierung, Forensifizierung, Fehlallocation und Unwirtschaftlichkeit in den Griff bekommt und regionale Versorgung und therapeutische Qualität und Kultur erhält. Die psychiatrische Versorgung darf nicht aus öffentlicher Verantwortung und Kontrolle entlassen und zum Objekt kommerzieller Interessen gemacht werden.
Prof. Dr. Andreas Spengler
Prof. Dr. Andreas Spengler
Südstr. 25
31515 Wunstorf ·
Email: Andreas.Spengler@nlkhwunstorf.niedersachsen.de