Allgemeine Homöopathische Zeitung 1992; 237(1): 3-8
DOI: 10.1055/s-2006-936386
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co KG, Stuttgart

Christian Friedrich Samuel Hahnemann (1755-1843) und die medizinischen Konzepte seiner Zeit

W.U. Eckart
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Publication Date:
04 April 2007 (online)

Zusammenfassung

Kaum eine andere medizinische Disziplin ist so weitgehend ihrem historischen Erbe und insbesondere dem Vermächtnis ihres Begründers verpflichtet wie die Homöopathie. Samuel Hahnemann (1755-1843) hat mit seinem Konzept des "similia similibus" im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts eine Medizin entworfen, die mit ihrem individuellen Ansatz in Anamnese und Therapie nicht nurden konkurrierenden Konzepten ärztlichen Handeln ihrer Zeit erfolgreich gegenüber stand, sondern diese auch bis heute zum Wohle der ratsuchenden und von der Allopathie enttäuschten Patienten überdauern konnte. Der vorliegende Beitrag soll Licht werfen auf die Konzeptlandschaft der Medizin des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. Dabei wird zu zeigen sein, daß die sogenannte "Schulmedizin" jener Zeit, von der sich Hahnemann bewußt abwandte, vielfältige Gestalt hatte. Sie war nicht aus einem Guß, sondern vielmehr ein Konglomerat unterschiedlichster Ansätze und vielfältiger Denk- und Praxistraditionen. Modernere Elemente des Animismus, des Vitalismus, des Brownianismus, des Mesmerismus spielten in ihr ebenso eine Rolle wie auch noch das klassische Konzept der Säftemedizin. Hahnemann hat sich mit den meisten dieser Strömungen und ihren gefährlichen allopathischen Therapieansätzen kritisch auseinandergesetzt. Aber sein neues ärztliches Denken und Handeln lebt nicht nur aus der Abkehr von den konkurrierenden Konzepten, sondern bezieht selbst aus dem Vitalismus der Zeit, besonders aus der Lebenskraftlehre eines Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836) wichtige Elemente, wenngleich die therapeutischen Konsequenzen Hahnemanns auch dem Vitalismus diametral gegenüber stehen. Auch war die Homöopathie nicht einziger Ausdruck einer Abkehr von der gefahrvollen allopathischen Thera-peutik der Zeit. Der - erfolglose - "Therapeutische Nihilismus" des Wieners Joseph Dietl (1804-1878) oder die frühe Naturheilkunde, die gerade in unserer Zeit eine vielgestaltige Renaissance erlebt, kennzeichneten ebenfalls die Suche nach einer angemesseneren Medizin.

Summary

Besides homoeopathy, hardly any other medical concept canbefound,whichisstron-ger obliged to its historical roots or to the legacy of its founder. During the last decade of the 18th Century Samuel Hahnemann (1755-1843), with his concept of "similia similibus" designed a new art of healing, that could compete successfully with all other contemporary concepts of medicine, especially because of its considerate and individual approach, both in anamnesis and in therapy. Homoeopathy outlasted not only its founder, it is still practiced by homoeopathical physicians and accepted by an increasing number of patients. The paper goes back into history and tries to shed light upon the landscape of medical concepts at Hahnemanns time. The so called allopathic "Schulmedizin" at the begin-ning of the 19th Century was not made of a piece, nor was it perfect, and it was far from being successful. It contained elements of animism, vitalism, Mesmerism, Brownianism and even of the old concept of humoural pathology. Hahnemann knew them all and he sharply criticised them, mostly because of their dangers for the patient. Nevertheless he also profited from the contemporary concept of vitalism ("Lebenskraft"), designed by Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836), even if his homoeopathic therapeutic was completly different from Hufeland's vitalism. Finally the paper will outline two other medical concepts of Hahnemanns time which were also based on the critique of allopathical medicine: Joseph Dietl's (1804-1878) "therapeutical nihilism" and the early naturopathy.

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