Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2006-942254
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Kurt Friedrich Schürmann (19.2.1920-11.5.2006), Prof. Dr. med. Dr. h. c.
Publication History
Publication Date:
06 September 2006 (online)
Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude.
Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht.
Ich handelte - und siehe, die Pflicht ist Freude.
Rabindranath Tagore
Dieses Motto zitierte Kurt Schürmann gerne, wenn er nach seinen Grundsätzen gefragt wurde.
Als drittes von vier Kindern wurde er am 19.2.1920 in Bochum geboren. Von 1926-1938 absolvierte er die Grund- und Oberrealschule in Bochum. Das durch Kriegsverwendung in sizilianischen Lazaretten mehrfach unterbrochene Medizinstudium begann er 1939 in Leipzig und setzte es in Marburg, Heidelberg und Innsbruck fort. Am 2.4.1945 legte er in Graz das Staatsexamen ab. 3 Tage später promovierte er mit einer Arbeit „Über den vorzeitigen Blasensprung und seine Latenzzeit”. Tage danach floh er vor den anrückenden russischen Truppen mit dem Fahrrad in die britische Besatzungszone. Er kehrte nach Graz zurück, nachdem es durch die Briten wiederbesetzt war, und begann am 1.8.1945 seine klinische Ausbildung an der dortigen Nervenklinik.
Das Schlüsselerlebnis, das ihn bestimmte, Neurochirurg zu werden, war ein Vortrag des Neurochirurgen Sorgo, der ihn an Tönnis in Bad Ischl verwies. Als Schürmann dort ankam, war Tönnis abgereist. Auf einem Viehtransport der Bahn kehrte Schürmann in seine Heimat zurück, wo inzwischen Tönnis tätig war.
Am 1.8.1945 trat Schürmann als unbezahlter Hospitant in die 250 chirurgische und 100 neurochirurgische Betten umfassende Klinik in Bochum-Langendreer ein. Er absolvierte parallel eine allgemeinchirurgische und neurochirurgische Ausbildung, die er am 16.4.1951 mit der Fachanerkennung für Chirurgie abschloss. Die neurochirurgische Fortbildung erfolgte samstags; an den Treffen nahmen neben Tönnis, Zülch, Klug, Pia und weiteren Assistenten der Klinik intermittierend auch Röttgen, Sorgo, Spatz und Hallervorden teil. 1949 erschien im wieder aufgelegten Zentralblatt für Neurochirurgie Schürmanns erste Publikation: „Die Durchschneidung der Pyramidenvorderstränge und benachbarter extrapyramidaler Bahnen bei spastischen Zuständen und unwillkürlichen Bewegungen”.
In Vertretung von Eduard Weber übernahm Schürmann mit 31 Jahren (1951-1952) die Leitung der neurochirurgischen Abteilung in München. 1952 kehrte er zu Tönnis zurück, der inzwischen die neurochirurgische Universitätsklinik in Köln mit angeschlossenem Hirnforschungsinstitut leitete. 1955 folgte Kurt Schürmann dem Ruf nach Mainz, wo er noch im selben Jahr mit dem Thema „Klinik und Syndrome der raumfordernden Prozesse der Frontallappen und des Balkens” für Chirurgie und Neurochirurgie habilitierte. Die neurochirurgische Abteilung der Chirurgischen Klinik Mainz, als deren Leiter und einziger Assistent er 1955 antrat, erhielt 1962 den Status einer Neurochirurgischen Universitätsklinik mit Lehrstuhl. Für sie wurde 1968-1970 ein Neubau geschaffen, in dem auch eine selbständige Neuroradiologie Platz fand. Späteren Rufen nach Köln als Tönnis-Nachfolger und nach Würzburg folgte er nicht.
Nach dem zweiten Weltkrieg stießen deutsche Neurochirurgen international selbstverständlich und oft auf Ablehnung. Trotzdem gelang es Schürmann schon in den 40er-Jahren, Kontakte zu skandinavischen Kollegen zu knüpfen (af Björkesten, Kristiansen, Leksell, Lundberg, später auch zu Lassen und Ingvar). So wurde er 1958 korrespondierendes Mitglied der Scandinavian Neurosurgical Society. Über den Deutsch-Amerikaner E. Krüger kamen 1961 Verbindungen zu Henry Schwartz, Gerhard Schneider, W. B. Scoville, Ch. G. Drake und L. A. French zustande. Diese Kontakte machte er auch für seine Schüler nutzbar, von denen M. Brock, H. Dietz, H.-J. Reulen und M. Samii genannt sein sollen, die später selbst neurochirurgische Lehrstühle besetzten und internationales Renommae erlangten.
Unter Kurt Schürmanns neurochirurgischen Interessensgebieten sind als Schwerpunkte die extrapyramidalen Hyperkinesen, die Frontalhirntumoren, neurochirurgische Schmerztherapie, Hirndurchblutung und -ödem sowie die Orbitatumoren zu nennen. 1970 gründete er mit Samii, Draf, Hacker, Helms, Scheunemann und Wigand die Arbeitsgemeinschaft Schädelbasischirurgie. Daraus entstand 1979 in Montpellier die Skull Base Study Group, deren erster Präsident Schürmann war und der Gros und Rabischon sowie Dietz und Lang angehörten.
Schürmann bildete zahlreiche ausländische, vor allem brasilianische Kollegen aus; dafür ehrte man ihn 1971 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Paraibo/Brasilien. Er war korrespondierendes Mitglied 6 internationaler Fachgesellschaften, darunter der American Association of Neurological Surgeons und der British Society of Neurological Surgeons.
1972-1974 war Schürmann Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie, deren Jahrestagung er 1973 ausrichtete. Von 1975-1979 bekleidete er das Amt des Vizepräsidenten der European Association of Neurosurgical Societies.
Für seine Leistungen wurden ihm zahlreiche Ehrungen zuteil: 1988 die Fedor-Krause-Medaille der DGNC und die Poppelreuter-Medaille in Gold des Bundes der Hirnverletzten und 1993 die Medal of Honour der World Federation of Neurosurgical Societies. Die Japanische Gesellschaft für Neurochirurgie und die North American Skull Base Society ehrten ihn 1994 mit Ehrenpräsidentschaften. 1995 war Schürmann Ehrenpräsident des 10. Kongresses der EANS. 1999 richtete die Deutsche Gesellschaft für Schädelbasis-Chirurgie eine „Kurt-Schürmann-Lecture” ein.
In den letzten Lebensjahren engten Krankheiten seinen Lebenskreis zunehmend ein. Trotzdem konnte er noch lange seiner Liebe zu den „schluchzenden Herzen der Kirchen”, wie Heine die Orgeln nannte, dieser durch die Freundschaft mit dem Mainzer Domorganisten genährten Liebe zu den klangreichsten Musikinstrumenten, nachgehen. Reisen zu den großen französischen Kathedralen und zu den Silbermann-Orgeln Sachsens geben davon Zeugnis.
Am 11.5.2006 ist Kurt Schürmann verstorben. Alle Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie werden diesen tatkräftigen, neuen Erkenntnissen stets aufgeschlossenen Neurochirurgen, Förderer, Grandseigneur, auch für Jüngere immer interessanten Diskussionspartner, den lebendigen und weltoffenen Freund mit breit gefächerten Interessen stets gerne in dankbarer Erinnerung behalten.
Prof. Dr. Klaus Roosen
1. Vorsitzender der DGNC
Prof. Dr. Hans Arnold
Ehrenmitglied DGNC
Emeritierter Ordinarius Lübeck