Z Geburtshilfe Neonatol 2006; 210 - P140
DOI: 10.1055/s-2006-943313

VEGF als objektiver Indikator einer Transfusionsbedürftigkeit bei Früh- und Neugeborenen

E Tschirch 1, B Weber 2, A von Gise 2, F Guthmann 2, C Kluthe 2, RR Wauer 2, M Rüdiger 1
  • 1Neonatologie, Universitätsklinik Innsbruck, Innsbruck, A
  • 2Charité-Universitätsmedizin Berlin, Berlin, D

Hintergrund: Trotz des Einsatzes von Erythropoetin besteht bei mehr als 85% aller Frühgeborenen <1000g nach den derzeit gültigen Transfusionsindikationen noch immer die Notwendigkeit mindestens einer Transfusion (Tx) während des stationären Aufenthaltes. Derzeit existiert kein Parameter, welcher die Indikation für eine Transfusion objektiviert.

Die Produktion des sauerstoffabhängig regulierten VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) wird durch Hypoxie stimuliert. Bei erwachsenen Patienten mit tumor- und renalbedingter Anämie fanden sich deutlich erhöhte VEGF-Konzentrationen im Blutplasma.

Hypopthese: 1. Die VEGF-Plasmakonzentration ist bei Früh- und Neugeborenen mit einer chronischen Anämie im Vergleich zu Kindern mit einer akuten Anämie signifikant erhöht. 2. Bei Kindern mit chronischer Anämie sinkt die VEGF-Plamakonzentration nach Transfusion von Erythrozytenkonzentrat und Normalisierung der Hämoglobinkonzentration bzw. des Hämatokrits signifikant ab.

Methodik: In einer prospektiven Studie wurde bei Früh- und Neugeborenen die VEGF-Konzentration im Blutplasma vor und nach Gabe von Erythrozytenkonzentrat bestimmt. Retrospektiv wurden die Patienten anhand der Abfallgeschwindigkeit des Hk in akute (>0,04/d) und chronische Anämie (≤0,01/d) unterteilt.

In Anlehnung an die Literatur wurde mindestens eine Verdopplung der physiologisch vorhandenen VEGF-Konzentration bei Früh- und 60 pg/ml erwartet. Die±30 pg/ml auf ca. 80±Neugeborenen von 40 Fallzahlberechnung ergab eine Mindestzahl von 24 Patienten pro Gruppe.

Ergebnisse: Im Untersuchungszeitraum von 06/2004 bis 07/2005 wurden insgesamt 219 VEGF-Konzentrationen vor und nach Gabe von Erythrozytenkonzentrat bei 92 Kindern bestimmt. Es fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen VEGF-Konzentrationen bei Kindern mit akuter und chronischer Anämie. Weiterhin zeigte sich keine wesentliche Veränderung der VEGF-Konzentrationen innerhalb von 51±22h nach Transfusion bei 36 untersuchten Kindern mit chronischer Anämie (prä-Tx 80 pg/ml (46–113 pg/ml) vs. post-Tx 85 pg/ml (47–168 pg/ml)).

Diskussion: Trotz verschiedener Hinweise aus der Literatur, dass die VEGF-Konzentration bei Anämie und der daraus resultierenden Gewebshypoxie erhöht ist, fanden sich in der vorliegenden Studie keine höheren Konzentrationen bei Frühgeborenen mit chronischer Anämie. Weiterhin sanken die VEGF-Spiegel nicht signifikant nach Transfusion von Erythrozytenkonzentrat ab. Da in unserer Studie die VEGF Werte lediglich bei 18% der Kinder unter dem „Normwert“ (40 pg/ml) lagen, ist in einer weiteren Studie zu prüfen, ob bei Frühgeborenen höhere VEGF Plasmaspiegel physiologisch sind.

Patientencharakterisierung

Akute Anämie n=27

Chronische Anämie n=50

Gestationsalter in Wochen

31±6

29±3

Geburtsgewicht in g

1596±1018

1090±502

Hämatokrit in l/l

35±4

25±4

VEGF-Konzentration vor Tx in pg/ml Median (Interquartilenrange)

54 (37–95)

80 (46–113)