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DOI: 10.1055/s-2006-944777
Weiße Indianer in Südamerika
White Indians in South AmericaPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
17. Oktober 2006 (online)

Nach der gängigen Lehrmeinung begannen erste größere Besiedlungen von Amerika vor rund 12 000 bis 13 000 Jahren. Damals waren die Kontinente Asien und Amerika zwischen Sibirien und Alaska durch eine gewaltige Landbrücke miteinander verbunden. Diese Landbrücke mit dem Namen Beringia war sogar während der Höhepunkte der Eiszeit eisfrei und von Menschen und Tieren besiedelt. Die Vegetation muss recht üppig gewesen sein, denn es lebten dort Großtiere, zu denen auch gewaltige Elefanten, die Mammuts, gehörten, die sich von Gras und Laub ernährten. Heute ist der Pflanzenwuchs in Nordsibirien so karg, dass auf den großen Flächen der Tundra kein Mammut mehr Nahrung finden könnte.
Der Weg nach Amerika blieb den Menschen jedoch lange verwehrt, denn auf den heutigen Gebieten von Alaska, Kanada und großen Teilen der USA lag ein gewaltiger und weit über 1000 Meter hoher undurchdringlicher Eispanzer. Kein Mensch konnte die riesigen Gletscherflächen überwinden, denn er wäre auf seinem Weg in den Süden verhungert. Erst als sich nach und nach eisfreie Korridore öffneten und Pflanzen sowie Tiere langsam vordrangen, konnte sich auch der Mensch auf den Weg machen. Die aus Asien kommenden Menschen gründeten deshalb erstmals vor rund 12 000 Jahren in Nordamerika eine Kultur. Es war die Clovis-Kultur, benannt nach einem Ort in Neu-Mexiko, wo zuerst Werkzeuge und Waffen der Clovis-Menschen gefunden wurden.
„Clovis first” war für lange Zeit die gesicherte Lehrmeinung zur Besiedlung von Amerika. Doch moderne Erkenntnisse können dieser These widersprechen. Der Beginn der menschlichen Besiedlung von Amerika verschiebt sich neuen Forschungsarbeiten zufolge immer weiter nach hinten. Es gab bereits lange vor der Clovis-Kultur in Amerika an unterschiedlichen Orten zahlreiche Prä-Clovis-Kulturen. Die wirklich ersten Amerikaner kamen wahrscheinlich noch nicht einmal zu Fuß über die Landbrücke von Beringia, sondern mit kleinen Booten über das Meer. Diskutiert werden mögliche Routen von Asien nach Amerika entlang der Pazifikküste, aus dem australischen Raum quer durch den Pazifik bis zur südamerikanischen Küste und von Europa aus entlang der Eisgrenze über den Atlantik bis nach Nord- und Mittelamerika ([Abb. 1]). Insbesondere die Route quer über den Pazifik muss ein hohes seemännisches Können erfordert haben. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass sie gewählt wurde, denn in den 1970er Jahren wurde in Brasilien der Schädel von „Luzia” gefunden, der etwa zwischen 11 000 und 11 500 Jahre alt ist. Vergleichende Studien verrieten eine Überraschung. Der Schädel der jungen Frau war nicht asiatisch, sondern zeigte aufgrund spezifischer Merkmale in den australisch-melanesischen Raum. Einen solchen denkbaren Kontakt haben auch die heute ausgestorbenen Ureinwohner von Feuerland hervorgehoben. Sie zeichneten sich wie „Luzia” ebenfalls durch australisch-melanesische Merkmale aus. Wenn auch die heutigen australischen Aborigines keine Seefahrertradition mehr besitzen, ihre fernen Urahnen mussten dennoch recht tüchtige Seefahrer gewesen sein, denn sie konnten Australien nur über das Meer erreicht haben [1] [2] [3].
Abb. 1 Mögliche Routen zur Erstbesiedlung von Amerika. Die ersten Einwanderer kamen vermutlich mit Schiffen und nicht über Land.
Literatur
- 1 Scarre C (ed). The Human Past. London, New York:; Thames & Hudson 2005
- 2 Lavallée D. The First South Americans: The Peopling of a Continent from the Earliest Evidence to High Culture. Salt Lake City:; Univ. Utah Press 2000
- 3 Bruhns K O. Ancient South America. Cambridge, New York:; Cambridge Univ. Press 1994
- 4 Oth R. Bevor Kolumbus kam. Die frühen Entdecker Amerikas. Stuttgart:; Theiss Verlag 2006
- 5 Turner C G. Dentrochronical separation estimates for pacific rim populations. Sciene. 1986; 232 1140-1142
- 6 Schoch R M, McNally R A. Die Weltreisen der Pyramidenbauer. Frankfurt:; Zweitausendeins 2002
- 7 Diehl R. The Olmecs: America’s First Civilization. London, New York: ; Thames & Hudson 2004
- 8 Moseley M E. The Incas and Their Ancestors. The Archaeology of Peru. London, New York:; Thames & Hudson 2001
- 9 Zillmer H-J. Kolumbus kam als Letzter. München:; Langen Müller 2004
Dr. Manfred Reitz
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