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DOI: 10.1055/s-2006-949179
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Akute Hepatitis durch Kava-Kava und Johanniskraut: immun-vermittelter Mechanismus? Erwiderung
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
17. August 2006 (online)

Es ist einzuräumen, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um die Einnahme von Kava-Kava, der Kava-Kava-Wurzel oder Kava-Kava-Wurzelextrakte handelte, sondern um die Einnahme eines wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffes des Kava-Kava, dem Kavain [3], hier in Neuronika®, als synthetisch hergestelltem Kavain, das im Präparat als Razemat (Gemisch aus links- sowie rechtsdrehenden Enantiomeren des Kavains D/L-Kavain) vorliegt. Der wirksame Bestandteil dieses Razemates entspricht in seiner Strukturformel dem im Wurzelextrakt vorliegenden Kavain [2]. Kavain ist ein Kavapyron, besser Kavalacton. Zu den Kavalactonen gehören daneben auch Dihydrokavain, Methysticin, Yangonin u. a. Wir stimmen zu, dass in unserer Kasuistik die Bezeichnung Kava-Kava zu ersetzen ist durch die Kennzeichnung Kavapyrone/-lactone als definierter Substanzgruppe und möchten zu weiterer sachlicher Klarstellung Folgendes ergänzend kommentieren:
Im Juli 2002 hat das BfArM gemäß § 69 AMG, Abs. 1, Kava-Kava-Extrakt- und Kavain-haltige Arzneimittel (hier auch Neuronika®) vom Markt genommen bzw. deren Zulassung widerrufen, nachdem schwerwiegende Leberschäden in Verbindung mit der Einnahme von Kava-Kava- und Kavain-haltigen Arzneimitteln berichtet wurden [6]. Nach dem neuesten Bescheid des BfArM vom 12. 5.2005 zu „Kava-Kava (Piper methysticum)-haltige und Kavain-haltige Arzneimittel” [1] ist nachzulesen, dass unerwünschte Wirkungen von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln, sowohl zu alkoholischen und acetonischen Extrakten, als auch synthetischem D/L-Kavain berichtet wurden. Für D/L-Kavain liegen insgesamt drei Fälle vor. Weiter heißt es, dass die UAW-Verdachtsfälle zu Arzneimitteln mit synthetischem D/L-Kavain im Einklang stehen mit dem Ergebnis der in-vitro-Untersuchungen von Gebhardt, in denen unter den Kavapyronen das Kavain die höchste Toxizität aufweist. Der leberschädigende Mechanismus ist bisher nicht bekannt.
Es ist richtig, dass wir eine idiosynkratisch ausgelöste Leberschädigung durch das D/L-Kavain nicht beweisen konnten. Hierzu hätte ein Lymphozytentransformationtest durchgeführt werden sowie eine Reexposition mit D/L-Kavain nach Normalisierung der Aminotransferasen erfolgen müssen. Letzteres wäre beweisend (gesicherte Kausalität) - wie im von Strahl et al. [4] vorgestellten Fall - hier hatte die Patientin nach Normalisierung der Aminotransferasen erneut Kava-Kava in Selbstmedikation eingenommen, und es kam zu einem nochmaligen Anstieg der Aminotransferasen. Eine Reexposition zur Sicherung einer Kausalität wurde aufgrund der von uns beschriebenen schweren Hepatitis unserer Patientin nicht für möglich gehalten. Wenn auch keine gesicherte, so liegt im geschilderten Fall dennoch eine wahrscheinliche Kausalität vor. Zum einen bestand histologisch eine medikamentös-toxische Hepatitis (pharmakologische Plausibilität), zum anderen ein zeitlicher Zusammenhang zur Einnahme des D/L-Kavain (Chronologie) [1]. Ferner ist ein weiterer Anstieg der Aminotransferasen trotz des Absetzens des möglichen verursachenden Medikamentes nicht ganz ungewöhnlich. Im von uns geschilderten Fall waren die Aminotransferasen erst 2 Wochen nach Absetzen des D/L-Kavains spontan rückläufig. Ähnliches berichten auch Strahl et al. [4]: Nach Absetzen aller Medikamente stiegen initial die Leberwerte weiter an.
Außerdem bestand wie auch in einigen anderen berichteten Fällen eine Komedikation mit Johanniskraut. Wir postulierten hier eine mögliche Potenzierung hepatotoxischer Eigenschaften. Für Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen durch Kava ist nachzulesen [5], dass sich bei den komedizierten Arzneistoffen beispielsweise auch das Johanniskraut findet, das unter anderem das Hypericin als Inhaltsstoff mit erheblicher enzyminduzierender Wirkung enthält. Obwohl Johanniskraut selbst keine toxischen Leberschäden hervorruft, so besteht doch über die Enzyminduktion die Möglichkeit einer Auslösung von hepatotoxischen Reaktionen durch andere komedizierte Arzenistoffe. Es ist außerdem allgemein bekannt, dass das Risiko arzneistoffbedingter toxischer Leberschäden mit der Zahl der komedizierten Präparate zunimmt. Dies dürfte auch für die Komedikation bei der Kava-Therapie zutreffen [5].
In Anbetracht der zeitlich verzögerten Reaktion der Aminotransferasen und des massiven Bilirubinanstiegs, wie diese bei unserer Patientin zu beobachten waren, ist über die Erklärung im Sinne einer toxisch bedingten Reaktion hinaus der Verdacht auf einen zumindest zusätzlich durch Idiosynkrasie bedingten Schädigungsmechanismus nicht unbegründet.
Nachdem die ungezielte antitoxische Therapie zuvor den weiteren Anstieg der Aminotransferasen zu hoher Aktivität nicht hatte verhindern können, und die Bilirubinspiegel im Serum weiter angestiegen waren, hatten wir die immunsuppressive Therapie mit Corticoiden + Azathioprin nach klassischem Dosis-Schema in Kombination mit Ursodesoxycholsäure eingeleitet, unter welcher sich der bis dahin erreichte Bilirubin-Spitzenwert von 19,95 mg/dl prompt rückläufig zeigte und binnen 7 Wochen zur Norm zurückkehrte. Es trifft die Bemerkung zu, dass die Aminotransferasen zum Zeitpunkt der Aufnahme der immunsuppressiven Therapie bereits deutlich zurückgegangen waren, worauf in unserer Kasuistik auch hingewiesen wurde. Die Überlegung und der Entschluss zur Aufnahme der immunsuppressiven Therapie fokussierte auf den rapid und extrem ansteigenden Bilirubinwert bei klinischer Verschlechterung unter der differentialtherapeutischen Rationale, dass hierfür eine durch das Spektrum der bekannten leberbezogenen Autoantikörper entweder nicht zu erfassende Autoimmunhepatitis - sog. Autoantikörper-negative Autoimmunhepatitis/primär autoimmune Gallenwegerkrankung im Sinne eines Overlap-Syndroms oder eine auf immunologischem Weg im Rahmen einer Medikamentenidiosynkrasie getriggerte Reaktion der Leber - verantwortlich zu machen sei. Die immunsuppressive Therapie wurde nach Tapering der Dosis der Corticoide als Langzeittherapie fortgesetzt. Die prompte und anhaltende klinische Besserung der Patientin in Verbindung mit dem Abfall des Bilirubinspiegels mit dem Beginn der immunsuppressiven Therapie in Kombination mit Ursodesoxycholsäure war Anlass für uns, diese Kasuistik aufgrund ihrer sowohl ätiopathogenetisch als auch differentialdiagnostisch/therapeutisch betrachtet besonderen Vielschichtigkeit zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen.
Insgesamt sind wir über das Interesse und die Diskussion zu dieser vorgestellten Kasuistik dankbar - ist der geschilderte Krankheitsverlauf bei unserer Patientin doch dergestalt, dass Individualentscheidungen getroffen werden mussten, die sich auf der einen Seite ohne Zweifel an Kriterien Evidenz-basierter Medizin auszurichten haben, für die auf der anderen Seite streng Leitlinien-konformes Vorgehen nicht hinterlegt ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist es uns wesentlich, am Beispiel der von uns behandelten Patientin darauf hinzuweisen, dass von unmittelbarer auf die Bildung reaktiver Spezies/Intermediate beruhender Hepatotoxizität abgesehen, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist, dass Medikamente über immunologisch ausgelöste Mechanismen zu akuter Erkrankung der Leber führen können und dass dies ggfs. in der Behandlung medikamentös-ausgelöster Lebererkrankungen zu berücksichtigen ist. Wir haben hier die Hypothese vertreten, dass im geschilderten Fall der akuten Lebererkrankung der zeitlichen Assoziation der Einnahme von D/L-Kavain und der Besonderheit des klinischen Verlaufs entsprechend eine durch D/L-Kavain ausgelöste immunologische Reaktion zugrunde lag und haben diese mit Fragezeichen gekennzeichnet. Wir stellen klar, dass es sich um eine Hypothese handelt.
Literatur
-
1 Bescheid des BfArM vom 12.05.2005 zu „Kava-Kava (Piper methysticum)-haltige und Kavain-haltige Arzneimittel”,. www.bfarm.de, Pharmakovigilanz - Risikoverfahren/Stufenpläne
- 2 Burger A, Wachter H. Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch. Walter de Gruyter: Berlin 1986
- 3 Schilder H, Kammerer S. Leitfaden Phytotherapie. Urban & Fischer: München 2003: 128-131
- 4 Strahl S, Ehret V, Dahm H H, Maier K P. Nekrotisierende Hepatitis nach Einnahme pflanzlicher Heilmittel. Dtsch Med Wochenschr. 1998; 123 1410-1414
- 5 Teschke R. Kava, Kava-Pyrone und toxische Leberschäden. Z Gastroenterol. 2003; 41 395-404
-
6 www.arznei-telegramm.de/register/0206510.pdf
Prof. Dr. med. Diplom-Biochem. Eugen Musch
Dr. med. Angeliki Chrissafidou
Abteilung für Allgemeine Innere Medizin, Marienhospital Bottrop gGmbH
Josef-Albers-Straße 70
46236 Bottrop