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DOI: 10.1055/s-2006-949585
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Der Förderverein "Kunst in den DRK - Kliniken Berlin I Westend" würdigt den Dichter und Arzt Dr. Gottfried Benn anlässlich seines 50. Todestages
Publication History
Publication Date:
05 October 2006 (online)
"Als man die Brust aufbrach, war die Speiseröhre so löcherig", heißt es in Gottfried Benns Gedichtsammlung "Morgue" (= Leichenschauhaus) aus dem Jahr 1912. Kurz darauf wurde der junge Doktor Assistenzarzt in der Pathologie am Berliner Westend-Klinikum. Fast 300 Sektionsprotokolle, die über Jahrzehnte unbeachtet in Archiven lagerten, stammen aus seiner Hand. Im Mai dieses Jahres wurden sie anlässlich einer Gedenkveranstaltung am Ort ihres Entstehens vorgestellt.
Abb 1: Dr. Gottfried Benn bei der Arbeit am Mikroskop.
Der Chirurg Professor Dr. Ernst Kraas, Vorsitzender des Fördervereins, reklamierte Benn als "einen der Unsrigen", fügte aber hinzu, dass dies wohl auch die Literaturwissenschaftler behaupten. "Muskulatur rot, Kammern im Takt", schreibt der Pathologe Benn. Der Dichter Benn habe von dem um Eindeutigkeit bemühten Protokollstil gelernt, meint der Literaturwissenschaftler Christoph Hoffmann, nämlich Aufmerksamkeit für den Akt des Schreibens und die Uneindeutigkeit von Sprache: "Blut ist eben nicht kirschrot, sondern wird als solches lediglich bezeichnet."
Benn, 1886 geboren, wurde am stärksten geprägt von seinem protestantischen Elternhaus. Er rebellierte gegen das naturwissenschaftliche 19. Jahrhundert, in dem die Nähe von Kunst und Wissenschaft verloren ging. Benn klagte, der Verstand werde flach und der Opportunismus rüde. Der Mensch ist das Wesen, das Kunst hervorbringt, weil er ihrer zum Überleben bedarf; so begründete Benn die Notwendigkeit von Kunst.