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DOI: 10.1055/s-2006-951934
Hans H. Strupp (1921 - 2006) - Ein Nachruf
Hans H. Strupp (1921 - 2006) - An ObituaryPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
12. Januar 2007 (online)
Prof. Hans Hermann Strupp
Hans Hermann Strupp, distinguished professor an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, Schöpfer der „time-limited dynamic psychotherapy”, ist am 5.10.2006 verstorben. Die Nachricht kam nicht ganz unerwartet: Hans Strupp litt seit mehreren Jahren am Morbus Parkinson, sein Zustand hat sich stetig verschlechtert, auch in Abhängigkeit von Ereignissen der letzten Zeit, die ihm sehr zugesetzt haben, wie dem Tod seines Sohnes. Dem Vernehmen nach hörte er in den letzten Tagen seines Lebens einfach auf zu essen und zu trinken und schlief dann friedlich ein.
Hans H. Strupp wurde 1921 in Frankfurt/Main geboren und emigrierte im Alter von 18 Jahren 1939 zusammen mit seiner Mutter in die USA. Er besuchte das City College in New York und die George Washington University, erreichte den Bachelor 1945, den Master 1947, den Doktor in Sozialpsychologie 1954 und ein Zertifikat für „Applied Psychiatry for Psychologists” 1954. 1945 wurde er amerikanischer Staatsbürger, 1949 - 1954 diente er als Psychologe in der US Army. Lehrstühle hatte er an der University of North Carolina in Chapel Hill (1957 - 1966) und der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee (1966 - 1994). Ehrenamtlich war er u. a. Präsident der Society for Psychotherapy Research (SPR), die er mit begründete als frechen Akt gegenüber dem wissenschaftlichen Establishment, um intrinsisch motivierten Psychotherapieforschern eine Plattform und eine Heimat zu schaffen. Zu den vielen Ehrungen gehören auch der „Distinguished Career Award” dieser Gesellschaft und die Ehrendoktorwürde der Universität Ulm. Sein Leben ist ein eindrucksvolles Stück Zeitgeschichte.
Wir hatten Hans Strupp in dieser Zeitschrift (PPmP, 3/4, 2004) in einem Interview zu Wort kommen lassen und ihn als den „bescheidenen Infragesteller” geehrt. Vielen von uns ist der kleine große Mann, der wie kein anderer dazu beigetragen hat, die Psychotherapie als wissenschaftliche Disziplin zu etablieren, in eindrucksvoller Weise begegnet. Er war ein begnadeter Lehrer, der viele Studenten und Kollegen in ihrer wissenschaftlichen Entwicklung und Laufbahn mit einer hervorragenden Mischung von Unterstützung und In-Frage-Stellen förderte.
Er verstand es, sich Gehör zu verschaffen. Er brauchte keine Power-Point-Präsentation, um seine Zuhörer zu fesseln, wenn er - stets in elaborierten Formulierungen - vortrug, aber auch wenn er spontan diskutierte. Er konnte ungewöhnliche Mittel einsetzen: Anlässlich einer Tagung in der Schweiz bemerkte er einmal, dass sein typisches Hinterfragen des Bestehenden zum Nachteil einer nüchternen Psychotherapieforschung instrumentalisiert werden sollte. Er schaltete mitten in einem wie üblich in Englisch gehaltenem Vortrag in das sonst vermiedene Deutsch um und sagte mit Nachdruck: „Die empirische Psychotherapieforschung hat gewichtige Ergebnisse erbracht, die in der Praxis nicht ignoriert werden dürfen”!
Hans H. Strupp war - gemeinsam mit seiner Ehefrau Lotti - 1999 wahrscheinlich letztmalig in Deutschland. Er war Gast bei einer Tagung in Weimar mit dem Titel „Eigenes und Fremdes - Psychotherapie in Zeiten der Veränderung” und sprach dort über die Zukunft der psychodynamischen Psychotherapie. Sein Vortrag [1] war ein eindrucksvolles Plädoyer für die Reflexion und Bedeutung der therapeutischen Beziehung in einer Zeit, in der ökonomische Zwänge den genuinen Gehalt psychotherapeutischer Arbeit zu bedrohen begannen.
Die therapeutische Beziehung war für ihn ein zentrales Thema: „What has the best therapeutic effect is how the patient experiences the therapist as a person to whom he can relate”. Auch wenn er eine gewisse Zurückhaltung kaum ganz aufgab, konnte man sich in der Beziehung zu ihm und seiner für ihn und seine Umgebung eminent wichtigen Frau Lotti sehr wohl fühlen.
Neben seinem Einsatz für die Psychotherapieforschung galt sein besonderes Interesse der Ausbildung in Psychotherapie. Er hat nicht nur zahllose Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auf ihrem Weg begleitet, sondern auch die Art und Weise, in der wir Psychotherapieausbildung und das Training in konkreten Methoden gestalten, immer wieder infrage gestellt und mit neuen Ideen bereichert.
Das Feld der Psychotherapie wäre ohne ihn zweifellos heute nicht, was es ist. Wir werden Hans H. Strupp, der im Übrigen auch eine ganze Weile Mitglied des Beirats der Zeitschrift PPmP war, ein ehrenvolles Andenken wahren.
Franz Caspar
Bernhard Strauß