Z Orthop Ihre Grenzgeb 2006; 144(5): 451-455
DOI: 10.1055/s-2006-954405
Orthopädie aktuell

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Akuter Handlungsbedarf für Gewebebanken - Handlungsleitfaden der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCh) vor dem Hintergrund der Unterwerfung der Gewebeentnahme und -bearbeitung unter die Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG

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Publikationsdatum:
05. Oktober 2006 (online)

 

Einleitung

Betreiber von Gewebebanken, die häufig auch zur Deckung des Eigenbedarfs von allogenen Geweben zu Transplantationszwecken in Kliniken oder in verschiedenen chirurgischen Fachabteilungen existieren, sehen sich mit gesteigerten regulatorischen Anforderungen konfrontiert. Der Auslöser für diese Entwicklung liegt im Europarecht, insbesondere in der Richtlinie 2004/23/EG[1] - der so genannten Geweberichtlinie - und der Richtlinie 2006/17/EG[2]. Der deutsche Gesetzgeber hat zur Umsetzung der Geweberichtlinie bereits mit der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) im Jahre 2004 erste gesetzgeberische Maßnahmen getroffen. Weitere Umsetzungsmaßnahmen stehen mit dem kommenden Gewebegesetz[3] sowie der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV)[4] an. Ungeachtet der Frage nach der Europarechtskonformität des vom Gesetzgeber eingeschlagenen Weges[5] ergibt sich hieraus für die Betreiber von Gewebebanken Handlungsbedarf. Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Maßnahmen von den Betreibern von Gewebebanken in Anbetracht der Unterstellung der Gewebeentnahme und -bearbeitung unter die Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG zu ergreifen sind.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 bedarf derjenige, der u. a. Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG sowie zur Arzneimittelherstellung bestimmte Stoffe menschlicher Herkunft gewerbs- oder berufsmäßig zum Zwecke der Abgabe an andere herstellen will, einer Erlaubnis der zuständigen Behörde.

  • 01 Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung Lagerung und Verteilung menschlicher Gewebe und Zellen, ABl. L 102 vom 7.4.2004, S. 48. 
  • 02 Richtlinie 2006/17/EG der Kommission vom 8.2.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich technischer Vorschriften für die Spende, Beschaffung und Testung von menschlichen Geweben und Zellen, ABl. L 38 vom 9.2.2006, S. 40. 
  • 03 Regierungsentwurf vom 9.8.2006, verfügbar unter www.bmg.bund.de
  • 04 Entwurf einer Verordnung zur Ablösung der Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer, Bundesrat Drucksache 398/06 vom 31.5.2006. 
  • 05 vgl. hierzu Pannenbecker, Pharma Recht 2006, 363 ff. 
  • 06 vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht Kommentar, Stand: Januar 2006, § 2 Anm. 100; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, Transplantationsgesetz, § 21 Rn. 1; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, Transplantationsgesetz, § 21 Rn. 1. 
  • 07 Dies hat zur Folge, dass Augenhornhäute ebenso wie nach der derzeitigen Rechtslage bereits andere allogen verwendete Gewebe oder Tissue-Engineering-Produkte der Zu-lassungspflicht nach § 21 AMG unterliegen. Infolge der Ausweitung des Begriffs "Fertigarzneimittel" in § 4 Abs. 1 AMG im Rahmen der 14. AMG-Novelle werden Arzneimittel, bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die gewerblich hergestellt werden, von der Zulassungspflicht erfasst, die für ein Inverkehrbringen (vgl. § 4 Abs. 17 AMG) erforderlich ist. Für solche Arzneimittel ist nach § 94 AMG eine Deckungsvorsorge vonnöten. Es ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass nach dem Entwurf des Gewebegesetzes in § 21 Abs. 2 AMG eine neue Nr. 1d eingegliedert werden soll. Hiernach soll es einer Zulassung für Arzneimittel nicht bedürfen, die Stoffe menschlicher Herkunft sind oder aus Stoffen menschlicher Herkunft hergestellt worden sind und auf eine ärztliche Bestellung, für die nicht geworben worden ist, abgegeben werden und die nach den Angaben des bestellenden Arztes hergestellt werden und zur Anwendung bei seinen Patienten unter seiner unmittelbaren Verantwortung bestimmt sind. Mit der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, die in Form eines Kommissionsvorschlags vom 16.11. 2005 vorliegt, (KOM (2005) 567 endgültig) sollen Tissue-Engineering-Produkte ("Produkte aus Gewebezüchtungen") der zentralen Zulassungspflicht unterworfen werden. 
  • 08 Zwölftes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. 2004, Teil I, S. 2031. 
  • 09 Sofern nachfolgend von Gewebeentnahme die Rede ist, ist zugleich auch die Entnahme von Zellen gemeint. 
  • 10 vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 4 Anm. 49. 
  • 11 vgl. Bayerischer VGH, Pharma Recht 1997, 479 ff.; Sander, Arzneimittelrecht, Stand März 2006, § 13 Erl. 4; Rehmann, AMG, 2. Aufl. § 13 Rn. 2; a. A. Wolfslast/Rosenau, NJW 1993, 2348, 2350, die meinen, dass eine Abgabe dann nicht vorläge, wenn verschiedene Ärzte unter der Verantwortung eines Chefarztes tätig sind. 
  • 12 Solchenfalls soll in Umsetzung des Art. 2 Abs. 2 lit. a) Geweberichtlinie nach § 1 Abs. 2 TPG in Fassung des Gewebegesetzes auch das TPG nicht gelten. 
  • 13 vgl. Bundestag Drucksache 14/9252, S. 20; Kloesel/Cyran, a. a. O., § 4a Anm. 7. 
  • 14 Die fachliche Verantwortung des Arztes im Sinne der Nr. 4 ist auch dann gegeben, wenn die Maßnahmen im Krankenhaus unter der Verantwortung eines leitenden Arztes vollzogen werden, siehe Bundestag Drucksache 13/4355, S. 32. 
  • 15 vgl. hierzu Bundestag Drucksache 13/4355 S. 32. 
  • 16 Deutsches Ärzteblatt 2001, 1011 ff. 
  • 17 vgl. Wolfslast/Rosenau, NJW 1993, 2348 ff.; Gutmann, a. a. O., § 21 Rn. 2; Nickel/ Schmidt-Preisigke/Sengler, a. a. O., § 2 Rn. 2. 
  • 18 Zuvor war streitig, ob es sich bei der Gewebeentnahme um die erlaubnispflichtige Gewinnung eines Arzneimittels oder Wirkstoffs menschlicher Herkunft oder um die nicht dem AMG unterliegende Gewinnung eines Rohstoffs handelt. 
  • 19 vgl. Bundestag Drucksache 15/2360, Ziff. 10 auf S. 5. 
  • 20 Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelsgesetzes vom 29.8.2005, BGBl. 2005, Teil I, S. 2570. 
  • 21 vgl. Bundestag Drucksache 15/5728, S. 81. 
  • 22 Die zunächst bis zum 1.9.2005 bemessene Übergangsfrist ist mit der 14. AMG-Novelle um ein Jahr verlängert worden. Im Rahmen der 14. AMG-Novelle wurde der Übergangsvorschrift zudem ein 2. Satz angefügt, wonach für die Entnahme von Blut zur Auf-bereitung oder Vermehrung von autologen Körperzellen im Rahmen der Gewebezüchtung zur Geweberegeneration bis zum 1.9.2006 keine Herstellungserlaubnis erforderlich ist, sofern noch keine beantragt worden ist. 
  • 23 vgl. hierzu Bundestag Drucksache 15/5728, S. 83. 
  • 24 vgl. Pannenbecker, Pharma Recht 2006, 363, 373 f. 
  • 25 Deutsches Ärzteblatt 2000, 2122 ff. 
  • 26 vgl. Begründung zum Entwurf des Gewebegesetzes auf S. 46. 
  • 27 Darüber hinaus ist die Entwicklung der auf die weiteren Herstellungsschritte bezogenen Durchführungsverordnung zur Geweberichtlinie im Auge zu behalten. Derzeit liegt ein Entwurf dieser Durchführungsrichtlinie ("Comission Directive implementing Directive 2004/23/EC as regards traceability requirements, notification of serious adverse reactions and events and certain technical requirements for the coding, processing, preservation, storage and distribution of human tissues and cells") mit Stand vom 11.7.2006 vor. 

Ch. Gaissmaier & A. Pannenbecker

Dr. Christoph Gaissmaier

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik

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Ch. Gaissmaier & A. Pannenbecker

Dr. A. Pannenbecker

Kleiner Rechtsanwälte

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