Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31 - V34
DOI: 10.1055/s-2006-954487

Evaluation des vaskulären Risikos bei Präadipositas und Adipositas WHO Grad I-III

J Selhorst 2, H Leweling 1, A Lammert 2, HP Hammes 2
  • 1IV. Medizinische Klinik
  • 2V. Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Mannheim, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Die Analyse der retinalen Blutgefäße eignet sich zur Risikobeurteilung für makrovaskuläre Komplikationen. Drei retinale Veränderungen werden zur Beurteilung untersucht: Strukturelle Läsionen („red dots“), generalisierte arterioläre Verengung (arterioläre/venuläre Ratio; AVR) und verminderte Vasoreaktivität durch Flickerprovokation („neurovaskuläre Kopplung“). Die reduzierte AVR ist ein etablierter Prädiktor für kardiovaskuläre Mortalität und Apoplex. Retinale mikrovaskuläre Anomalien sind mit subklinischen, MRI-definierten Hirninfarkten unabhängig von Risikofaktoren für Schlaganfall assoziiert. Ziel: Ziel dieser Studie war die Analyse der Retinagefäße als Maß für vaskuläres Risiko in Beziehung zu Parametern des metabolischen Syndroms. Methoden: Wir untersuchten vor Beginn eines strukturierten Programms zur Gewichtsreduktion 27 konsekutive Teilnehmer mit Präadipositas (11/27; 40,7%), Adipositas Grad 1 (8/27; 29,6%), Grad 2 (4/27; 14,8%), Grad 3 (3/27; 11,1%) nach WHO (BMI 33,3±5,7; MW±SD), Alter 47±6 Jahre; weiblich 21/27; 77,8%). Ausschlusskriterien waren: Diabetes mellitus Typ 1 und 2, psychiatrische Erkrankungen, Tumorerkrankungen, Hypo- oder Hyperthyreose, Myokardinfarkt, Hirninfarkt in der Anamnese. Die Retinauntersuchung auf strukturelle Läsionen („red dots“, i.e. Mikroaneurysmen oder Punktblutungen, fokale Gefäßspasmen, arterioläre Schlängelung und Exsudate) wurde mittels digitaler Fundusphotographie in Mydriasis nach einem Standardprotokoll durchgeführt. Die statische und die dynamische Retinagefäßanalyse erfolgten ebenfalls nach standardisierten Protokollen. Bei der statischen Analyse wurde eine papillenzentrierte digitalisierte Aufnahme nach der Formel von Hubbard und Parr analysiert und die AVR berechnet. Für die dynamische Gefäßanalyse wurde das Verfahren der chromatischen Flickerlichtprovokation zur Anregung der neurovaskulären Kopplung unter Verwendung der dynamischen Gefäßanalyse (IMEDOS™) verwendet. Es wurden Nüchternplasmaglukose, Nüchternplasmainsulin und Blutdruck bestimmt. Als Parameter für die Insulinresistenz wurde die HOMA-IR nach der Formel [(Nüchterninsulin µU/ml x Nüchternglucose mmol/L) / 22,5] berechnet. Ergebnisse: Die statische Gefäßanalyse ergab bei 21/27 (77,8%) der Untersuchten eine pathologisch verminderte AVR<0,83 (0,77±0,06). Die provozierte Reaktion auf Flickerlicht war bei 20/27 (74,1%) der Untersuchten vermindert (arterielle Dilatation<4,1%): 2,5±2,4%. HOMA-IR 2,1±1,3; 7/27 (25,9%) wiesen eine Insulinresistenz auf (HOMA-IR>2,5). Eine arterielle Hypertonie (RRsyst.>130mmHg und/oder RRdiast>85mmHg) wiesen 21/27 (77,8%) auf (RR: 135±15mmHg/88±11mmHg). Eine kombinierte systolische (RRsyst.>130mmHg) und diastolische (RRdiast>85mmHg) arterielle Hypertonie lag bei 13/27 (48,1%) vor. Schlussfolgerungen: Die untersuchte Population wies vor der Teilnahme an einem strukturierten Programm zur Gewichtsreduktion ein hohes makrovaskuläres und mikrovaskuläres Risiko auf, 77,8% zeigten eine endotheliale Dysfunktion, 25,9% hatten eine Insulinresistenz. Eine arterielle Hypertonie bestand bei 77,8% der Teilnehmer. Der Einfluss der Gewichtsreduktion auf die untersuchten Parameter wird im Rahmen einer Nachuntersuchung evaluiert.