Ultraschall Med 2006; 27(5): 410-411
DOI: 10.1055/s-2006-954801
Reflexe
Bildessay
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akutes Skrotum bei einem Neugeborenen

Acute Scrotum in a Neonate
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Publikationsdatum:
11. Oktober 2006 (online)

 

Ein Junge wurde nach einer normalen Schwangerschaft vaginal entbunden, wobei die Entbindung wegen Makrosomie und Schulterdystokie verzögert und schwierig verlief (Geburtsgewicht 4850 g). Der APGAR-Index betrug 5-7-8, und das Kind wurde auf die Neonatalstation verlegt. Man diagnostizierte eine obere Plexuslähmung (Erb-Duchenne-Lähmung); eine Infektion konnte ausgeschlossen werden.

Am 4. postpartalen Tag trat eine schmerzlose Schwellung des Skrotums sowie ein kleines beidseitiges Hämatom der Haut in der Leistenbeuge auf (Abb. [1]). Die Ultraschalluntersuchung des Skrotums ergab eine deutliche Schwellung der Skrotalhaut sowie kleine Hydrozelen. Die Hoden erschienen normal (Abb. [2]), mit regelrechter und symmetrischer Perfusion (Abb. [3]). Die Sonographie des Abdomens zeigt beidseitige Nebenniereneinblutungen (Abb. [4]). Es bestanden keine Hinweise auf eine Nebenniereninsuffizienz und der Hämoglobinwert betrug mindestens 12,6 g/l. Thrombozyten und Gerinnungsstatus waren normal.

Abb. 1 Schwellung des Skrotums und inguinale bläuliche Verfärbung.

Fig. 1 Non-tender scrotal swelling and inguinal bluish discoloration.

Abb. 2 Transverse Darstellung des Skrotums mit Schwellung der Skrotalhaut.

Fig. 2 Transverse ultrasound through the scrotum with swelling of the scrotal skin.

Abb. 3 Normale arterielle Perfusion des linken Hodens (wie auf der rechten Seite)

Fig. 3 Normal arterial perfusion of the left testicle (same on the right side).

Abb. 4 Nebennierenblutung rechts (gleicher, wenn auch kleinerer Befund links).

Fig. 4 Adrenal haemorrhage on the right side (same, but smaller finding on the left side).

Die Diagnose lautete: beidseitige Nebenniereneinblutung mit absteigendem Hämatom der Skrotalhaut. Auf eine chirurgische Exploration wurde verzichtet. Die Skrotalhaut normalisierte sich innerhalb von 2 Wochen und das Hämatom der Nebennieren bildete sich zurück. Der Junge wurde nach unauffälligem weiterem Krankheitsverlauf entlassen.

Die Differenzialdiagnose des akuten Skrotums umfasst die Hodentorsion, welche eine sofortige chirurgische Intervention erfordert. Das Skrotalhämatom muss gegen die Hodentorsion abgegrenzt werden, um einen chirurgischen Eingriff zu vermeiden. Als mögliche Ursachen eines Skrotalhämatoms kommt ein Geburtstrauma bei Steißlage, eine Gerinnungsstörung oder eine Nebenniereneinblutung in Frage [BJU International 2003; 91: 675-677, Urology 2002; 59: 601]. Ein Hämatom der Nebennieren betrifft 0,5 % aller Neugeborenen [Acta Paediatr Taiwan 2000; 41: 327-330] und bleibt typischerweise intrakapsulär begrenzt. Falls diese Kapsel reißt, kann sich die Blutung im Retroperitoneum oder intraperitoneal ausbreiten. Von dort aus sinkt das Hämatom in die Skrotalhaut oder in einen offenen Processus vaginalis ab [Pediatr Radiol 1997; 27: 672-674].

Die Sonographie stellt die wichtigste diagnostische Methode bei einem akuten Skrotum des Neugeborenen dar. Eine gründliche Untersuchung des Skrotums, der Hodenperfusion sowie die Suche nach einer abdominellen Blutung ist erforderlich, um einen unnötigen chirurgischen Eingriff bei einem Neugeborenen mit Nebenniereneinblutung zu vermeiden. Es ist jedoch zu beachten, dass die Sensitivität des Ultraschalls beim Ausschluss einer Hodentorsion des Neugeborenen vom Können des Untersuchers und dem Gerätestandard, z.B. hochauflösenden Schallköpfen, abhängt [Radiology 2003; 227: 18-36]. Bei unklaren Fällen sollte die chirurgische Intervention nicht hinausgezögert werden.

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