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DOI: 10.1055/s-2007-1002373
Proskynese und Servilitätssyndrom im Verlauf endogener Psychosen
Zur Frage von Instinktverhalten, Bewußtwerdung und Archetypus in der Psychose und zum Problem atypischer psychotischer Syndrome*Proskynesis and Servility as an Expression of Psychotic Behaviour *Herrn Prof. H. Dietrich zum 60. GeburtstagPublication History
Publication Date:
07 January 2008 (online)

Abstract
Proskynesis as an expression of submission, reverence and awe is deeply rooted in the religious and sociocultural history of man. It may be traced to the old phylogenetic submissive posture in animals, which is a pattern of behavior belonging to the group of survival instincts.
Different forms of proskyneses and servility may emerge as an expression of psychotic behavior in man, reflecting a special stage of ,,archetypical" (C. G. Jung) consciousness. Archetypical conciousness is understood as a special step in the emergence of the human mind, thought and selfconsciousness. The freedom of thinking - as the highest function of the human mind - is lost in every psychotic disorder. Archetypical consciousness with its lower stages of thinking may be typical for one kind of psychotic thinking disorder.
Diagnostic problems may arise, if one does not recognize the drive of instinctive behaviour which lies behind the mere forms of human costums and religious rites.
Zusammenfassung
Ausgehend von der klinischen Beobachtung der Proskynese in der Psychose wird versucht, religions- und geistesgeschichtliche Beziehungen und Zusammenhänge zum Syndrom herzustellen und seine stammesgeschichtliche Verwurzelung zur Instinktbewegung der Demutshaltung der Säuger aufzuzeigen. Nur wenn man den Sinn phylogenetisch alter Instinktschablonen kennt, erkennt man plötzlich auch den Sinn vieler psychotischer Verhaltensweisen. Die Frage nach dem Sinn der Psychose scheint in diesem Zusammenhang nicht in erster Linie die Frage nach der sinnvollen Einordnung des psychotischen Erlebens und Verhaltens des Kranken in seine bisherige Biographie zu sein, sondern die Frage nach der Einordnung dieser Verhaltensweisen in die phylogenetisch alte Stammesgeschichte. So liegt z.B. der Sinn der Stereotypien, wie aller katatonen Bewegungsstörungen, in phylogenetisch alten Instinktbewegungen, Automatismen und motorischen Schablonen, die die Anpassung des Individuums an seine Umwelt bezwecken.
Daß auf der anderen Seite gerade die Psychose totalen Sinnverlust - weil den sinnvollen Zusammenhang der Biographie zerreißend - bedeutet, ist nur im Zusammenhang der Bewußtseinsgeschichte des Menschen zu sehen, die ihn zur Freiheit des Denkens führte. Diese Freiheit des Denkens ist in der Psychose - letztlich durch die Herrschaft der die Affekte beherrschenden Instinkte und Triebe - aufgehoben. So erweist sich jede Psychose letzlich als ,,Geistesstörung'', insofern nämlich, als die phylogenetisch höchsten seelischen Funktionen, nämlich die Vernunft, der Verstand, das reflektive Denken oder Bewußtsein gestört sind.
Bestimmte Äußerungsformen psychotischen Verhaltens können sich normaler, im Verlaufe der Menschheitsgeschichte ausgebildeter, Ausdrucks- und Umgangsformen bedienen, die unter Umständen von hoher kulturund geistesgeschichtlicher Symbolik sind. Der psychotische Charakter dieser Verhaltensweisen wird häufig erst dann erkannt, wenn man die hinter ihnen stehenden Instinktschablonen mit ihren entsprechenden Trieb- und Drangzuständen durchschaut.