Zusammenfassung
Die Prognose der Multiplen Sklerose wird von einem quantitativen (Mortalität) und
qualitativen (Behinderung) Aspekt her beleuchtet.
Die Lebenserwartung von MS-Patienten ist in den letzten Jahrzehnten durch wirksamere
Bekämpfung der Komplikationen angestiegen. Derzeit beträgt sie in Deutschland etwa
58 Jahre für Frauen und 57 Jahre für Männer. Die Übersterblichkeit (Verhältnis von
beobachteten zu erwarteten Todesfällen) der Frauen ist 4,19, die der Männer 2,49.
Sie wird am stärksten durch den Behinderungsgrad beeinflußt.
Nach 10 bis 15 Jahren sind nach der Literatur noch 25 bis 42% der Patienten zumindest
teilweise arbeits- oder gehfähig. In einer eigenen epidemiologischen Untersuchung
weisen 36% einen gutartigen Verlauf auf, d. h. sie verschlechtern sich in einem Zeitraum
von 5 Jahren um höchstens 1 Schweregrad nach Kurtzke. In einem Krankenhauskollektiv finden sich hingegen nur bei 16% der Patienten derartig
benigne Verläufe. Der Prozentsatz der arbeitsfähigen Patienten ist ebenfalls in der
epidemiologischen Gruppe höher. Allerdings verschwindet dieser Unterschied nach 15-
bis 20jähriger Krankheitsdauer. Nach dieser Zeit sind - auch nach der Literatur -
insgesamt noch etwa 30% der Patienten arbeitsfähig.
Patienten mit initialer Optikusneuritis haben eventuell eine etwas bessere Prognose.
Bleibende pyramidale und zerebelläre Symptome weisen auf einen ungünstigen Verlauf
hin. Der schubförmige Beginn hat eine bessere Prognose als der primär chronisch progrediente
Prozeß. Die Zahl der Schübe hat keinen Einfluß auf die Prognose. Das Erkrankungsalter
spielt insofern eine Rolle, als Patienten mit höherem Erkrankungsalter und einem primär
chronischen Beginn eine besonders schlechte Prognose haben. Männer sollen nach der
Literatur eher ungünstigere Verläufe aufweisen, was aber in eigenen Untersuchungen
nicht bestätigt werden kann.
Bisher sind keine Laborparameter bekannt geworden, die eine prognostische Einschätzung
erlauben.
Summary
There are two aspects to the prognosis of Multiple Sclerosis (MS): mortality and disability.
The life expectancy has increased during the last decades due to the better management
of complications. At present the mean life expectancy is 58 years for females and
57 years for males.
The excess mortality (ratio of observed to expected mortality) is 4.19 for females
and 2.49 for males. The degree of disability has the most important influence on the
excess mortality.
According to the literature 25-42% of the patients are still able to work or walk
after 10-15 years of illness. In an epidemiological sample of patients 36% had a benign
course (deterioration of not more than one degree of disability during a five-year-period)
whereas only 16% of a hospital group belonged to this category. The percentage of
patients with preserved working ability is higher in the epidemiological group. After
15-20 years of illness this difference disappears. At that time 30% of all groups
of patients are still working.
Patients with an initial neuritis seem to have a slightly better prognosis. Permanent
pyramidal and/or cerebellar signs bear a bad prognosis.
The remitting course is more benign than the chronic progressive course. The number
of bouts is irrelevant for the prognosis.
A higher age at onset is correlated with a rapid deterioration in patients with a
progression from onset. In an epidemiological study in Sweden men were found to have
a worse prognosis than women, a finding which cannot be confirmed in our epidemiological
group. At present laboratory findings do not contribute to prognostic assessment.