Gesundheitswesen 2008; 70(1): 47-53
DOI: 10.1055/s-2007-1022524
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diskriminierung von Schwarzen[1] aufgrund ihrer Hautfarbe? Ergebnisse von Focusgruppendiskussionen mit Betroffenen im deutschen Gesundheitswesen

Discrimination of Blacks[2] on Account of their Skin Colour? Results of Focus Group Discussions with Victims in the German Health-Care SystemH. Gerlach 1 , N. Becker 1 , A. Fuchs 1 , A. Wollny 1 , H.-H. Abholz 1
  • 1Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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Publication Date:
14 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Trotz einer gut etablierten Migrationsforschung liegen bislang kaum Forschungsergebnisse über Immigranten in deutschen Arzt-praxen oder über Erfahrungen Schwarzer Patienten mit oder ohne Migrationshintergrund im deutschen Gesundheitswesen vor. Am Beispiel von Immigranten aus der Demokratischen Republik Kongo (DRK) wurde der Frage nachgegangen, wie Schwarze Patienten ihre Weißen Hausärzte in Deutschland erleben.

Methode: Zwei Fokusgruppendiskussionen mit insgesamt 33 Teilnehmenden (TN) wurden durchgeführt, aufgezeichnet, transkribiert und nach einem am Material entwickelten Kategoriensystem inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse: Die TN betonten ihre Selbstkompetenz in Bezug auf Gesundheit und Krankheit. Sprache wurde als Problem bei der Kommunikation benannt, stand aber nicht im Vordergrund. Dagegen wurden Hektik und Unfreundlichkeit, mangelnde Informationen auf Französisch sowie fehlender Respekt ihnen gegenüber hervorgehoben. Kritisiert wurden fernerhin mangelnde medizinische Fachkompetenz der deutschen Ärzte in Bezug auf in Afrika häufige Erkrankungen sowie die zunehmende soziale Ungleichheit, Bürokratie und Ökonomisierung im Gesundheitswesen. Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassismus kamen deutlich zum Ausdruck und wurden in ihrer Verwobenheit mit anderen Diskriminierungen (u. a. sozialer Stellung) illustriert.

Schlussfolgerungen: Das Gesundheits- und Krankheitskonzept der afrikanischen Immigranten entsprach einem westlichen Medizinmodell, andere z. B. „afrikanisch” geprägte Medizinkonzepte spielten keine Rolle. Die vielseitig erfahrenen Diskriminierungen Schwarzer Immigranten in deutschen (Weißen) Arztpraxen und dem deutschen Gesundheitssystem spiegeln vermutlich auch ihre Erfahrungen in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Ein großer Teil der kritischen Bemerkungen dürfte mit dem übereinstimmen, was Weiße Patienten von der Kommunikationsfähigkeit ihrer Ärzte erwarten. Eine Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit von Ärzten und der Kenntnis sogenannter tropischer Krankheiten erscheint ebenso notwendig wie eine größere Reflektion über eigene Diskriminierungsbereitschaft einschließlich Rassismus sowie eine „interkulturelle”Öffnung des deutschen Gesundheitssystems.

Abstract

Background: In spite of a number of researches on immigrants in the German Health System, there has hardly been any research on immigrant's experiences with General Practitioners or research on Black patients. As an example the experiences of Black People1 with an immigration background from the Democratic Republic of Congo (RDC) with German White GPs was investigated.

Methods: Two focus groups with a total of 33 participants from the DRC were held and the discussions documented and transcribed. The authors performed a content analysis and developed inductively the categorical system on the basis of the transcription.

Results: The participants underlined their self-competences in health and diseases. Language was mentioned as a problem in communication, but had no priority except for the lack of documents in French. However, they underlined the hectic and unfriendliness of German medical staff as well as lack of respect towards them. They also criticised the insufficient medical competence of German medical doctors concerning diseases, which are common in Africa and the increasing social injustice, bureaucracy and economic efficiency. Experiences with discrimination and racism were clearly expressed and illustrated in its intermingled structure with other forms of discrimination.

Conclusions: The concept concerning health and diseases of the African immigrants was a Western medical concept, other concepts like, e.g., “African” formed medical concepts did not occur. The many-sided experienced discriminations of Black immigrants in White Surgeries and in the German Health System presumably also correspond to experiences in other areas of German society. A number of critical remarks of the participants corresponded with what we expect from White patients, especially when speaking about communicative abilities of doctors. Better communicative abilities and a better knowledge of the so-called “tropical diseases” are required. But to the same degree it is mandatory to develop the ability of reflecting on discrimination at all levels including racism and “intercultural” opening of the German Health System.

1 „Schwarze” steht hier nicht für „Schwarz” als Farbe, sondern als gesellschaftlich-politischer Begriff, der der Selbstbezeichnung von „Schwarzen Deutschen” entspricht und daher mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben wird. Auch „Weiß” steht in diesem Artikel für einen gesellschaftlich-politischen Begriff.

2 Black People and White People are written with a capital letter, as it is a political description and not meant as a colour.

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1 „Schwarze” steht hier nicht für „Schwarz” als Farbe, sondern als gesellschaftlich-politischer Begriff, der der Selbstbezeichnung von „Schwarzen Deutschen” entspricht und daher mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben wird. Auch „Weiß” steht in diesem Artikel für einen gesellschaftlich-politischen Begriff.

2 Black People and White People are written with a capital letter, as it is a political description and not meant as a colour.

3 Auch ECRI gebraucht den Begriff „ausländerfeindlich” an dieser Stelle deutlich als Surrogat für Rassismus, da Weiße Ausländer, z. B. aus der Schweiz, den USA, England, Schweden usw. nicht „ausländerfeindlicher” Gewalt ausgesetzt sind.

4 Auch hier bleibt im ECRI-Bericht unmarkiert, wer wen erkennt. Gemeint ist wohl, dass Weiße Schwarze „erkennen”.

5 Alle direkten Zitate der Fokusgruppenteilnehmer werden im Folgenden in Anführungszeichen dargestellt. In Klammer wird die Quelle mit Focusgruppe und zeilennummern im Transkript angegeben.

Korrespondenzadresse

H. Gerlach

Fachärztin für Allgemeinmedizin

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