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DOI: 10.1055/s-2007-1023905
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Dekubitus im Umfeld der Sterbephase: Epidemiologische, medizinrechtliche und ethische Aspekte
Decubitus ulcers in the dying: epidemiological, medicolegal and ethical aspectsPublication History
Publication Date:
25 March 2008 (online)
Zusammenfassung:
Grundproblematik und Fragestellung: Dekubitalulcera gelten oft als Folge fehlerhafter Prävention und können Anlaß forensischer Begutachtung sein; andererseits sind sie vor allem bei Sterbenden ein allgegenwärtiges Grundproblem geriatrischer Pflege. Prävalenz, Riskofaktoren und die Bedeutung des Pflegeumfelds in der Sterbephase werden vorgestellt.
Patienten und Methodik: Im Jahr 1998 wurde durch das Institut für Rechtsmedizin in einer Querschnittserhebung im Rahmen von 10222 Leichenschauen die Prävalenz von Dekubitalgeschwüren prospektiv untersucht.
Ergebnisse: Es zeigte sich eine Gesamtprävalenz von 11,2 % für Dekubitalgeschwüre der Grade I bis IV. Grad I trat bei 6,1 % aller Verstorbenen auf. Grad II machte 3 % aus. Auf Grad III und Grad IV entfielen 1,1 und 0,9 %. Im logistischen Regressionsmodell zeigen sich als unabhängige Risikofaktoren für höhergradige Dekubitalgeschwüre die Variablen weibliches Geschlecht, Sterbezeitpunkt Sommerhalbjahr, Altersmarasmus, Insult und andere neurologische Grunderkrankungen, chronische Nierenerkrankung und Traumaanamnese, darüber hinaus auch die Institutionalisierungsform zum Sterbezeitpunkt. Über die Hälfte aller Grad-IV-Fälle kamen in Hamburg aus dem Pflegeheimbereich, nur 11,5 % aus Krankenhäusern. Zu Hause Verstorbene trugen zu etwa einem Drittel der Dekubitalbefunde bei. Als Gründe für eine grundsätzlich höhere Dekubitusprävalenz im Pflegeheimsektor kommen neben der allgemein höheren Multimorbidität Wechselwirkungen zwischen Institutionalisierung und den Risikofaktoren weibliches Geschlecht. Altersmarasmus sowie Insult in Frage.
Folgerungen: Stationäre Pflegeinstitutionen sind in besonderer Weise mit der Problematik Dekubitus konfrontiert; weitere qualitätssichernde Maßnahmen erscheinen diesbezüglich unabdingbar. Individuelle Defizite in der Umsetzung von Standards der Dekubitusprävention verweisen auf mögliche Schwachstellen der gegenwärtigen Rahmenbedingungen der Pflegeabsicherung, aber auch auf die Verantwortung ärztlicher Supervision der Dekubituspflege. Bei der forensischen Bewertung höhergradiger Dekubitalulcera sollte neben Pflegestandards auch berücksichtigt werden, ob in der Sterbephase eine besondere ethische Abwägung bei der Frage der Wahrnehmung maximaler therapeutischer Handlungsoptionen gerechtfertigt war.
Abstract:
Background and objectives: Pressure sores usually result from insufficient preventive measures. They are particularly onmipresent among dying persons in geriatric care. This study deals with prevalence, risk factors and the significance of the nursing environment.
Patients and methods: The prevalence of pressure sores among the dead was analysed in a prospective cross-sectional study based on 10,222 postmortem examinations in a crematorium in Hamburg.
Results: The overall prevalence of pressure sores from grades I to IV was 11.2 % (grade I: 6.1 %, grade II: 3 %, grade III: 1.1 %, grade IV: 0.9 %). A final logistic regression model showed that pressure sores of Grade III or IV were associated with female gender, date of death in the summer, marasmus, stroke history, neurological disease in general, kidney disease, preceding traumatic events and nursery home residence at the time of death. More than half of all the grade IV cases were diagnosed among nursing home residents whereas those who had died in hospitals contributed to only 11.5 % of all the grade IV cases (dead from private homes 34.4 %). Nursing home residence was associated with female gender, marasmus and stroke history which predisposed to a higher rate of pressure sores.
Conclusions: Nursing homes are confronted with the highest Proportion of pressure sores among dying people when compared to hospitals or private home care. Failure to meet the Standards of preventive action against pressure sores point to the shortfalls in the present public health sector and nursing home regulations as well as the medical responsibility for supervision of nursing care. Apart from established Standards of care, medicolegal assessment of high-grade pressure sores should also take ethical considerations into account when considering maximum therapy goals among dying persons.