Pneumologie 2007; 61(4): 270-271
DOI: 10.1055/s-2007-959208
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Anti-Raucherkampagne

Antismoking CampaignC.  Vogtherr
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. April 2007 (online)

Bezug: 1. Positionspapier der DGP in Pneumologie 2007; 61: 11 - 14
2. Artikel Prof. Dr. Loddenkemper in Pneumologie 2007; 61: 9 - 10
3. Pneumo-Focus in Pneumologie 2006; 60: 592

Sehr geehrte Herren,

die Anti-Raucher-Kampagne nimmt ja derzeit Kreuzzugs-Charakter an. Sie ist, wie man Presse, Rundfunk und TV entnehmen kann, ideologisch völlig überfrachtet. Jeden Tag erreichen uns neue Tatarenmeldungen, jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben.

Dass sich die DGP als Fachgesellschaft für das dabei hauptsächlich betroffene Organ dazu äußert, finde ich richtig. Dabei sollten aber wissenschaftlich belegte Argumente den Vorrang vor Ideologie-nahen pit-falls erhalten.

Der von Ihnen in Pneumologie 10/06 rezensierte Artikel aus Am J Resp Crit Med 2006 (Bezug 3) gehört eindeutig in letztere Gruppe, wenn er auch durch ein Editorial in der gleichen Ausgabe „geadelt” wurde. Wenn bei den untersuchten Kindern eine Abnahme der FEV1 um 1 % beobachtet wurde, kann dies wohl kaum signifikant sein. Der Wert liegt eindeutig innerhalb der Fehlergrenzen. Noch schlimmer ist die positive Wertung einer Abnahme um sage und schreibe ein halbes Prozent im Falle der passiv mitrauchenden Kinder. Dies als Beweis der Schädlichkeit des Passivrauchens zu bejubeln, finde ich unlauter. Hat sich denn wirklich keine aussagekräftigere Studie finden lassen?

Die Aussage im Positionspapier (Bezug 1), „15 000 Tote jährlich, davon 4000 Nichtraucher”, veranlasst mich zu der Frage, wer hat diese 4000 toten Nichtraucher gezählt? M.E. gibt die Todesursachenstatistik derartig detaillierte Aussagen gar nicht her. Dies schon wegen der geringen Obduktionsfrequenz. Es dürfte sich vielmehr um stochastische Hochrechnungen handeln und was von diesen zu halten ist, zeigte sich ja spätestens bei der letzten Bundestagswahl.

Also als Leitschnur der DGP: sachliche Information des wissenschaftlichen und, in zweiter Linie, des Laien-Publikums, kein Jubelpersertum für Wohlfühl-Institutionen (WHO, EU, CDC etc.) und Politiker, dies dürften wir als Fachgesellschaft doch nicht nötig haben oder?

Der sonst eher kauzige Artikel von Prof. Loddenkemper (Bezug 2) berührt mich in 2 Punkten doch tief: einmal erweckt die Androhung des Ausschlusses aus der Gesellschaft den fatalen Eindruck der Verfolgung Andersdenkender in dunkler Zeit. Das kann so nicht hingenommen werden, führt es doch zu einer Gleichschaltung der Forschung und Ausrichtung auf politisch korrekte Ergebnisse. Zum anderen mag es noch angehen, wenn der Autor einer Studie zur Offenlegung von Verflechtungen, mit welcher Institution auch immer, verpflichtet wird. Wenn dies aber auf den bloßen Besitz von Aktien ausgedehnt werden soll und gar noch der Besitz der Ehefrauen (warum nicht der Lebensabschnittspartnerin oder der Freundin) offengelegt werden soll, so kommt man Gesinnungsschnüffelei und Sippenhaftung gefährlich nahe. Ich hoffe, Sie sind einverstanden, wenn ich diesen Artikel im Fach „Stammtischgespräche” einordne.

Nicht nur die Medien, auch viele Autoren medizinischer Fachartikel trennen bei den Auswirkungen des Tabakrauchens nicht scharf zwischen den Wirkungen des Nikotins und denen von Feinstaub, Rauch, CO und Teer. Die, übrigens am besten, nachgewiesenen Wirkungen des Tabaks werden durch Nikotin ausgelöst - nämlich die kardiovaskulären. Die Anti-Raucherkampagne also flankierend durch Propaganda für Nikotinpflaster, -kaugummi oder gar off-label-use von Psychopharmaka zu unterstützen (Bezug 1, Bezug 2) ist kontraproduktiv, da dem Probanden ja weiter das hauptsächlich schädigende Agens zugeführt wird, bzw. er der Gefahr einer neuen Abhängigkeit - nämlich von dem Psychopharmakon ausgesetzt wird. Deshalb meine Forderung: auch Verflechtungen von DGP-Autoren mit der Nikotinersatzindustrie (nicht der bloße Aktienbesitz) sind offenzulegen.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Vogtherr
PS.: Weder ich noch meine Ehefrau haben jemals irgendeine Aktie besessen.

Dr. med. Christian Vogtherr

Medizinaldirektor, Lungenfacharzt

Aktienstr. 87

56626 Andernach