Gesundheitswesen 2007; 69(1): 26-33
DOI: 10.1055/s-2007-960491
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sozialräumliche Clusteranalyse der Kreise und kreisfreien Städte und Gesundheitsindikatoren in NRW

Health Indicator-Based Cluster Analysis of Districts and Urban Districts in North Rhine-WestphaliaK. P. Strohmeier 1 , A. Schultz 1 , D. Bardehle 2 , R. Annuß 2 , A. Lenz 2
  • 1Ruhr-Universität Bochum
  • 2Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst NRW
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Publication Date:
09 March 2007 (online)

Zusammenfassung

Ziel: Im Indikatorensatz für die Gesundheitsberichterstattung in Nordrhein-Westfalen sind mehr als 70 Indikatoren auf regionaler Ebene enthalten, d. h. dass diese Daten für alle 54 Kreise und kreisfreien Städte zur Nutzung für die Gesundheitsberichterstattung vorliegen. Morbiditäts- und Mortalitätsindikatoren weisen zum Teil größere Unterschiede auf und bedürfen einer Interpretation. In der vorliegenden Arbeit wird versucht, ein Erklärungsmodell für den Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Lage am Beispiel von ausgewählten Indikatoren zu finden.

Methodik: Im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung werden in NRW seit 10 Jahren multivariate Analysen zur Klassifizierung von soziodemographisch unterschiedlich geprägten Gebietstypen durchgeführt, die sich mit Daten zur gesundheitlichen Lage verknüpfen lassen. In einem ersten Schritt werden mittels einer Hauptkomponentenanalyse Indikatoren zur Sozialstruktur zu Merkmalsdimensionen zusammengefasst, die die Unterschiede in den Lebensverhältnissen prägnant widerspiegeln. Es wurden zwei Dimensionen extrahiert: ein Wohlstandsfaktor, der hauptsächlich durch das verfügbare Einkommen bestimmt wird und ein sog. A-Faktor, der im Wesentlichen das Zusammentreffen armer, älterer, arbeitsloser und ausländischer Bevölkerungsgruppen in Regionen mit abnehmender Bevölkerung, aber hoher Bevölkerungsdichte kennzeichnet. In einem zweiten Schritt werden die 54 Kreise und kreisfreien Städte mittels einer Clusteranalyse auf Basis dieser Faktoren klassifiziert und Gebietstypen gebildet. Anschließend wird die Clustermethode zur Aufklärung regionaler Variationen von Gesundheitsindikatoren herangezogen.

Ergebnisse: Es ist erwiesen, dass die soziale Lage Einfluss auf Morbidität und Mortalität hat. Mit Hilfe ausgewählter Indikatoren können für NRW 6 Cluster mit einer unterschiedlichen sozioökonomischen Struktur gebildet werden, die Einfluss auf die gesundheitliche Lage haben. Besonderes Augenmerk bedarf das Cluster Ruhrgebiet mit einer unterdurchschnittlichen sozialen Lage. Mit 90% lebt der überwiegende Teil der Bevölkerung in NRW in den anderen 5 Clustern, die zwar unterschiedlich strukturiert sind, sich aber zunehmend angleichen. Vier Indikatoren zur gesundheitlichen Lage werden in der vorliegenden Publikation definierten Clustern zugeordnet und der Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Lage untersucht: Lebenserwartung von Frauen und Männern, Anteil untergewichtiger Lebendgeborener, Säuglingssterblichkeit und vermeidbare Todesfälle. Die mittlere Lebenserwartung von Männern und Frauen ist in sozial in mehrfacher Hinsicht benachteiligten Regionen (z. B. Ruhrgebiet), signifikant niedriger als in Regionen mit einer deutlich niedrigeren Problemkumulation. Darüber hinaus lässt sich eine signifikant höhere Lebenserwartung männlicher Lebendgeborener in Regionen mit hohem verfügbaren Einkommen erkennen. Das Modell liefert keinen überzeugenden Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Säuglingssterblichkeit sowie Brustkrebs.

Schlussfolgerung: Das Wissen über die sozialräumlichen Unterschiede in der gesundheitlichen Lage ist besonders bei Präventionsmaßnahmen von Bedeutung, um angemessen auf Gesundheitsrisiken in den Kreisen und kreisfreien Städten reagieren zu können. Die Untersuchung zeigt, dass eine hohe regionale Problemkumulation einen negativen Einfluss auf die gesundheitliche Lage hat, der bedeutsamer ist als der positive Einfluss einer wohlhabenden Region auf die gesundheitliche Lage.

Abstract

Objective: North Rhine-Westphalia (NRW's) indicator set for health reporting activities comprises more than 70 regional health indicators, which means that these data are available for health reporting purposes for all 54 districts and urban districts. Morbidity and mortality indicators differ in part quite considerably and require further interpretation. With the help of selected indicators, the authors of the following article try to explain the relation between social status and health status.

Methodology: Ten years ago, NRW, as part of its health reporting activities, started to carry out multivariate analyses to classify socio-demographically different types of regions, leading to the establishment of six types of regions which can be linked to health-related data. Social structure indicators are part of a first step submitted to a main component analysis and grouped together by a small number of features and/or factors which clearly reflect differences in living conditions. As a result, two factors were extracted: an economic prosperity factor which is mainly determined by the disposable income and a so-called A-factor which mainly describes the fact that poorer, elderly, unemployed and foreign population groups live concentrated in regions with a declining population but high population density. These factors are, in a second step, used for a cluster analysis aimed at classifying the 54 districts and urban districts and at establishing different types of regions. In a subsequent step, the cluster method is used to explain regional variations of selected health indicators.

Results: It is a proven fact that morbidity and mortality are influenced by social status. With the help of selected indicators, six clusters with a different socio-economic structure influencing the health status of the population can be established for NRW. Special attention should be paid to the cluster of the Ruhr area with its below-average social situation. With 90% NRW's population primarily living within the other 5 clusters which are differently structured but increasingly adjusting their living conditions to each other. The authors of this publication assign four health status indicators to predefined clusters and analyse the relation between the social and health status: female and male life expectancy, the proportion of underweight live births, infant mortality and avoidable deaths.In regions with high A-factor values (poverty pole), i. e., in several ways socially deprived regions, male and female average life expectancy is significantly lower than in regions with a clearly less pronounced accumulation of problems. Moreover, a significantly higher life expectancy for male live births can be observed in regions with a high disposable income. The model fails to establish a convincing correlation between social status and infant mortality and breast cancer.

Conclusions: Knowledge about socio-demographic differences in the health status of the population is particularly important for prevention measures in order to be able to react appropriately to health risks in districts and urban districts. The analysis shows that an intense regional accumulation of problems will have a negative influence on health status, an influence which is more significant than the positive influence of prosperous regions on the health status.

Literatur

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