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DOI: 10.1055/s-2007-964845
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Fetale Pulsoxymetrie - Abschied oder Neuanfang?
Fetal Pulse Oximetry - Farewell or Comeback?Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
09. März 2007 (online)
Die Pulsoxymetrie ist in der Anästhesie und Intensivmedizin als Überwachungsmethode nicht mehr wegzudenken und hat sich bestens bewährt zur Früherkennung hypoxischer Gefahrensituationen. In der Geburtshilfe ist der Stellenwert dieses Parameters - er erfasst kontinuierlich die Sauerstoffsättigung der Ungeborenen - in die Diskussion geraten. Dabei galt die klinische Relevanz dieses Überwachungsparameters zur Zustandsbeurteilung des Ungeborenen als belegt. Zahlreiche Untersucher konnten die Beziehung zwischen fetaler Sauerstoffsättigung und neonatalem Outcome bzw. art. Nabelschnur-pH-Wert nachweisen. Manche Arbeitsgruppe konnte sogar eine Senkung der operativen Entbindungsrate aufzeigen.
Ausführlich wird derzeit jedoch eine aktuelle Studie diskutiert - im Übrigen auch von der Laienpresse aufgegriffen - welche zu dem Ergebnis kommt, dass die Kenntnis über die fetale Sauerstoffsättigung (gemessen mit dem Nellcorsystem) zu keiner Reduktion der Sectiorate führt und keine Verbesserung des Zustandes von Neugeborenen zur Folge hat. Grundlegend neu ist dieses Ergebnis allerdings für den mit der Materie Vertrauten nicht, wurde doch bereits im Jahr 2000 ebenfalls in einer amerikanischen Studie, die mit dem gleichen Gerät durchgeführt wurde, keine Senkung der Sectiorate bei Anwendung des Nellcor Pulsoxymeters gefunden. Besonders verwirrt an der aktuellen Debatte, die durch widersprüchliche Studienergebnisse gekennzeichnet ist, dass die Methode „fetale Pulsoxymetrie“, stets mit einem seit Ende Januar 2006 nicht mehr vertriebenen Messsystem gleichgesetzt wird, also keine Unterscheidung zwischen dem Messprinzip (Verfahren) und der zur Anwendung kommenden technischen Ausführung erfolgt. Der mit den Details der technischen Entwicklung wenig vertraute Geburtshelfer kann somit nicht unbedingt wissen, dass ein (ehemals) marktbeherrschendes Messsystem zur fetalen Pulsoxymetrie vom Markt genommen wurde, nämlich das ursprünglich von der Firma Nellcor produzierte OxiFirst N-400 mit dem dazugehörigen Prototyp des Sensors FS 14 und dessen Weiterentwicklungen.
Über die Gründe, welche die Firma Tyco, die Nellcor aufgekauft hat, zur Einstellung des Vertriebs ihres Pulsoxymetriesystems OxiFirst N-400 bewogen hat, lässt sich nur spekulieren: Waren es die in den „FDA Patient Safety News“ mitgeteilten Berichte über dreizehn Neugeborene mit „poor outcome“ inklusiv zweier Todesfälle (FDA), die mangelnde Nachfrage, welche als offizieller Grund angeführt wird oder unlösbare Mängel an der Ausführung des Systems? Selbst überzeugten Anhängern des Nellcor-Systems war bei zunehmender Erfahrung mit diesem System aufgefallen, dass die schlechte Sensorfixierung den Stellenwert des Messparameters beeinträchtigt und auch die Applikation des Sensors gelegentlich Schwierigkeiten bereitet. Auf die Bedeutung einer guten Fixierung des Sensors zur Vermeidung von Artefakten hatte der Autor dieses Artikels bereits anlässlich einer FDA-Tagung hingewiesen, nachdem anfangs bei der Einführung des Produktes eindeutige Artefakte infolge mangelhafter Fixierung des Nellcor-Sensors fälschlicherweise als pathophysiologische Veränderungen fehlinterpretiert wurden. Darüber hinaus sank die Akzeptanz des Messgerätes bei dem geburtshilflichen Team nicht zuletzt wegen der Notwendigkeit zur Reapplikation des Sensors bei insgesamt niedriger Registrierdauer.
Trotz dieser unstrittigen Schwächen des Messsystems konnte in einer kürzlich publizierten Arbeit aus einer australischen Multizenterstudie nachgewiesen werden, dass sich der Einsatz der fetalen Pulsoxymetrie unter ökonomischen Aspekten betrachtet für den Krankenhausträger rechnet. Der Einsatz der fetalen Pulsoxymetrie führte zur Reduktion operativer Geburten bei suspektem CTG und zu einer Kostenersparnis pro Geburt von 813 australischen Dollar. Es ist bislang unklar, inwieweit die Art der Kostenerstattung bzw. Vergütung einer Geburt (operative Entbindung versus Spontangeburt) möglichen Einfluss auf das bevorzugte geburtshilfliche Vorgehen und die zur Geburtsüberwachung eingesetzten Verfahren haben kann.
Der Firma Nellcor vorzuwerfen, sie habe zu wenig Geld in die Weiterentwicklung der Technologie investiert und von einem „Abschied von der fetalen Pulsoxymetrie“ zu sprechen, ist falsch. Nicht der fetalen Pulsoxymetrie muss der Abschied gegeben werden, sondern nur dem fetalen Pulsoxymetriesystem OxiFirst der Firma Nellcor, welche das Problem der Sensorfixierung - eine elementare Voraussetzung zum Erhalt valider Messdaten - wegen eines anders ausgerichteten Patents nicht lösen konnte. Im Handel ist in Deutschland das fetale Pulsoxymetriesystem FetalSAT® mit dem Dualsens-Sensor® der amerikanischen Firma Nonin Medical Inc. Dieses Pulsoxymetriesystem basiert auf dem von Knitza und Rall am Univ.-Klinikum München-Großhadern entwickelten System. Es wurde erfolgreich getestet und ist inzwischen auch in Skandinavien, England, Frankreich und Spanien im Einsatz. Das Problem der unzureichenden Fixierung des Sensors am Fetus wird durch das Design der Elektrode gelöst. Hierdurch entfällt die gehäufte Notwendigkeit zur Reapplikation des Sensors. Die Registrierdauern, die mit dem Nellcor-System bei ca. 70 % lagen, betragen mit dem FetalSAT®-System 93 %. Signalverluste über eine Zeitspanne von mehr als 30 Sekunden sind zudem äußerst selten.
Im Gegensatz zu klar definierten Normalwerten bzw. Grenzwerten bei „Postnatalen“ gibt es für den Fetus sub partu eine relativ breite Normalverteilung der Sauerstoffsättigung. Die kritischen unteren Grenzwerte für den Fetus unter der Geburt bedürfen weiterer wissenschaftlicher Klärung. Die Gefährdung des Ungeborenen ist neben dem Absolutwert sicher auch von der Dauer und der Häufigkeit einer Unterschreitung des „Grenzwertes“ abhängig. Dieser Grenzwert kann möglicherweise individuell unterschiedlich sein. Eine Klärung dieser Frage, an der bereits einzelne Gruppen arbeiten, lässt sich möglicherweise durch die Kombination des FetalSAT®-Systems mit dem STAN-Überwachungsverfahren erzielen, wobei der Dualsens®-Sensor die Kombination beider Überwachungsverfahren grundsätzlich gestattet.
Der Stellenwert der fetalen Pulsoxymetrie mit dem FetalSAT®-System und dem dazugehörigen Sensor, der eine interne CTG-Registrierung erlaubt, liegt derzeit vor allem in der Zusatzinformation bei suspektem CTG. Bei Sättigungswerten im „grünen“ Bereich und suspektem CTG dürfte eine nahezu lückenlose Registrierung der fetalen Sauerstoffsättigung auch im Falle juristischer Auseinandersetzungen hilfreich sein, da das Wohlbefinden des Fetus zuverlässig dokumentiert wird.
Kontaktadresse des Autors, der Miterfinder und Mitpatentinhaber des Sensors Dualsens® ist, welcher bei dem FetalSAT®-System eingesetzt wird, s. unter „Korrespondenzadresse“.
Literatur beim Verfasser
Prof. Dr. Reinhold Knitza
Ruffiniallee 17
82166 Gräfelfing
eMail: knitza@gyn-zentrum.de