Notfallmedizin up2date 2007; 2(3): 189
DOI: 10.1055/s-2007-965583
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neurologie und Notfallmedizin - ein gutes Team

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Publication Date:
13 November 2007 (online)

Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts bestand die Herausforderung an die klinische Neurologie ganz überwiegend in der Diagnostik von Symptomen und Syndromen und deren Zuordnung zu verschiedenen Krankheitsbildern. Es galt, dass in den meisten Fällen keine oder allenfalls palliativ-therapeutische Maßnahmen möglich waren. Dies hat sich in den letzten Jahrzehnten entscheidend geändert: Die Neurologie hat sich in ein therapeutisch aktives Fach gewandelt, das differenzierte Therapieverfahren anbieten kann. Das Ziel in den nächsten Jahren wird darüber hinaus sein, mehr und mehr therapeutische Maßnahmen schon im präklinischen Bereich zu beginnen, um eine optimale Versorgung unserer Patienten zu gewährleisten.

Exemplarisch kann dies am Beispiel des Schlaganfalls aber auch der Behandlung von epileptischen Anfällen deutlich gemacht werden. So gilt für den Schlaganfall, dass er zwar mittlerweile die zweithäufigste Todesursache in den industrialisierten Ländern ist, wir jedoch heute Behandlungskonzepte in der Hand haben, die eine Behandlung dieser Erkrankung erlauben und zu einer deutlichen Verbesserung des Ergebnisses führen können. Dies ist aber nur möglich, wenn wir, ähnlich wie bei einem akuten Herzinfarkt, das rasche und reibungslose Ineinandergreifen von Notfall- und Akutversorgung sowohl präklinisch wie auch im Krankenhaus möglich machen.

Beim Status epilepticus kommt es heute auf eine rasche und konsequente Einleitung der Therapie nach gut erprobten Schemata an. Ähnlich wie beim Schlaganfall darf keine Zeit verloren gehen. Wichtig ist, dass sich auch der Notfallmediziner mit den heute gebräuchlichen Antiepileptika vertraut macht und nicht, wie es immer wieder geschieht, nach einem abgelaufenen epileptischen Anfall dem Patienten Benzodiazepine oder Ähnliches appliziert und damit eine länger dauernde Bewusstseinsstörung induziert, die manchmal sogar eine Intubation nach sich zieht. Die therapeutischen Möglichkeiten der Epilepsiebehandlung haben sich in den letzten Jahren stetig verbessert, da neue Substanzen mit einer besseren Verträglichkeit und einfacheren Handhabbarkeit eingeführt wurden. Chronische Nebenwirkungen auf kognitive Funktion, Hormonsystem und Knochenstoffwechsel sind so zunehmend seltener zu sehen.

Beim Schlaganfall ist die Versorgung der Patienten durch die Einführung von Schlaganfall-Spezialstationen (so genannten Stroke Units), die eine verbesserte Personalstruktur und Optimierung des Schlaganfallmanagements erlauben, wesentlich verbessert worden. Ziel muss es aber sein, auch prähospital schon Maßnahmen zu ergreifen, die sich positiv auf den Patienten auswirken. Dazu gehört natürlich die Erfassung und Behandlung von entgleisten Blutzuckerwerten, die Behandlung von Fieber oder von drohender Hypoxie. Wichtig ist, dass wir uns auch in der Notfallversorgung an Leitlinien orientieren, deren Kernaussagen auf hohem Evidenzniveau belegt sind. Naturgemäß ist dieser Evidenzgrad im Rettungsdienst nur selten gegeben: Studien sind schwer zu organisieren und nur im Ausnahmefall randomisiert und doppelblind durchführbar. Eine regelgerechte Verblindung des Patienten oder Studienarztes ist häufig Fiktion. So konnte in Schlaganfallstudien, die das Gerinnungssystem beeinflussen, eine erhöhte Blutungsneigung bei mit Verum behandelten Patienten kaum übersehen werden. Die Vorgabe des „informed consent“ selektiert meist eher leichter erkrankte Patienten und ist bei Krankheiten, die mit Koma, Aphasie oder Verwirrtheit einhergehen, nicht realisierbar. Trotzdem gibt es erste ermutigende Ansätze für große präklinische Studien; genannt sei hier zum Beispiel die TROICA-Studie zur präklinischen Lysetherapie nach Reanimation.

Wenn die Leser erkennen, dass neurologische Notfälle genauso rasch erkannt und behandelt werden müssen wie internistische oder andere Notfälle, ist für die weitere Versorgung neurologischer Patienten schon viel gewonnen. Auf diesem Weg müssen wir weiter arbeiten und auch in Zukunft Studien initiieren, die schon präklinisch therapeutische Maßnahmen evaluieren.


Prof. Dr. med. Stefan Schwab, Erlangen