Intensivmedizin up2date 2006; 2(4): 273-274
DOI: 10.1055/s-2007-966137
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zur Frage der ärztlichen Leitung von Intensivstationen

Hugo  Van Aken
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Publication Date:
17 January 2007 (online)

Die Intensivmedizin vereint Ärzte, Pflegende und viele andere im medizinischen Bereich tätigen Berufsgruppen zu einem Team bei der Behandlung von Patienten, deren Vitalfunktion in lebensbedrohlicher Weise gestört oder gefährdet sind. In den nunmehr fünf Jahrzehnten ihrer Entwicklung sind Intensivstationen zu einer essentiellen Komponente moderner Hochleistungskrankenhäuser geworden, ohne die viele medizinische Spitzenleistungen undenkbar wären. Dies gilt für den operativen Bereich, wo sie zur Reduktion der perioperativen Morbidität und Letalität chirurgischer Hochrisikopatienten unverzichtbar sind, wo sie bestimmte Operationen überhaupt erst ermöglichen, ebenso wie für den internistisch-konservativen Bereich, die Neuromedizin und die neonatologisch-pädiatrische Intensivmedizin: überall helfen Intensivstationen mit hohem Einsatz an personeller Kompetenz und Ausschöpfung aller diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten Leben zu retten und die Grenzen der Medizin voranzutreiben.

Der hohe Stellenwert der Intensivmedizin wird von der Kultusministerkonferenz vom 29. September 1995 in ihren Überlegungen zur Neugestaltung von Struktur und Finanzierung der Hochschulmedizin hervorgehoben: die zukünftige Entwicklung würde immer stärker den Einsatz einer aufwändigen Intensivmedizin erfordern. Die Konferenz definiert zudem die Intensivmedizin als einen Hauptindikator des medizinischen Fortschritts und räumt ein, dass die Intensivmedizin ein wesentlicher Kostenfaktor ist und bleiben wird, wenn auf einen Fortschritt in der Medizin nicht verzichtet werden soll.

In der täglichen Praxis verlangt der interdisziplinäre Charakter der Intensivmedizin ein hohes Maß an Kooperation von allen mitbehandelnden Ärzten und den Pflegenden. Dies gilt umso mehr, als die Hochleistungs-Intensivmedizin im Spannungsfeld zwischen medizinischen Möglichkeiten und ethischen Grenzen stattfindet, wobei die Grenzen ständig weiter vorverlegt werden.

Unbedingte Voraussetzungen hierfür sind eine kontinuierliche Präsenz ärztlich intensivmedizinischer Kompetenz, die jederzeit in der Lage ist, Therapieentscheidungen zu treffen. In den letzten Jahren wurden Begriffsbestimmungen gewählt, Verantwortungsbereiche definiert und Weiterbildungsinhalte sowohl auf ärztlicher als auch auf pflegerischer Seite formuliert. Unter dem Oberbegriff „Intensivmedizin” werden die „Intensivpflege”, die „Intensivüberwachung” oder „-observation” und die „Intensivbehandlung” oder „-therapie” subsumiert. Zurzeit finden sich, dem unterschiedlichen Aufwand und den unterschiedlichen Anforderungen Rechnung tragend, in größeren Kliniken in der Regel getrennte Intensivüberwachungs- und Intensivtherapieeinheiten, während in den kleineren Krankenhäusern meist eine interdisziplinäre Intensivstation existiert, die sowohl Überwachungs- als auch Intensivtherapieeinheit ist.

Bereits 1974 hat der Vorstand der Deutschen Krankenhausgesellschaft Richtlinien für die Organisation der Intensivmedizin in den Krankenhäusern [1] verabschiedet. Aufgrund fehlender neuer Vereinbarungen zwischen den verschiedenen Fachgesellschaften hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft auf Anfrage bestätigt, dass die „Richtlinien für Organisation der Intensivmedizin in den Krankenhäusern” aus dem Jahr 1974 weiterhin Gültigkeit haben und bislang nicht durch eine „spätere” Fassung abgelöst worden seien, obwohl neuere Entwicklungen in der Therapie schwerstkranker Patienten und in der Struktur den Krankenhäusern sicherlich gegebenenfalls entsprechend zu berücksichtigen seien. Insbesondere der Personalbedarf für Intensiveinheiten hat sich durch das neue Entgeltsystem für Intensivpatienten und das neue Arbeitszeitgesetz grundsätzlich geändert, so dass Punkt 9 „Personalbedarf” bei Intensiveinheiten aus der damaligen Empfehlung heute nicht mehr Bestand haben kann. Hinsichtlich der Fragestellung zur ärztlichen Leitung von Intensiveinheiten kann die DKG-Empfehlung - unter Berücksichtigung der neuen (Muster-)Weiterbildungsordnung aus dem Jahre 2003 - nach wie vor adäquat in den Krankenhäusern umgesetzt werden. Da die Empfehlungen aus dem Jahr 1974 vielen Kollegen nicht mehr vorliegen, haben wir die Zustimmung der Deutschen Krankenhausgesellschaft erhalten, Punkt 10 „Ärztliche Leitung von Intensivstationen”, was hier klar formuliert ist, in diesem Heft nochmals abzudrucken. Es bestätigt sich wieder einmal die alte Weisheit „Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden”.

Auszug

aus den „Richtlinien für Organisation der „Internsivmedizin in den Krankenhäusern” [1]

10.1 in jeder Intensiv-Einheit ist einem in der Intensivmedizin erfahrenen Facharzt die Leitung zu übertragen (ärztlicher Leiter). Der ärztliche Leiter der Intensiv-Einheit trägt die Verantwortung für die ärztliche und pflegerische Betreuung der Patienten, die sachgemäße Instandhaltung der medizinisch-technischen Einrichtung und die Sicherstellung hygienischer Belange. Er kann insoweit den in der Intensiv-Einheit tätigen ärztlichen, pflegerischen, medizinisch-technischen und sonstigen Mitarbeitern Weisungen erteilen. In interdisziplinären Intensiv-Einheiten hat der ärztliche Leiter eine enge Zusammenarbeit mit den Ärzten der beteiligten Fachabteilungen/Kliniken sicherzustellen und die ärztliche Behandlung zu koordinieren. Im Übrigen trägt er die Verantwortung für die Überwachung und Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen.

10.2 Für die ärztliche Leitung der Intensiv-Einheiten gilt im Einzelnen folgendes:

10.2.1 Fachgebundene Intensiv-Einheiten sind Bestandteile der jeweiligen Fachabteilung/Klinik; sie unterstehen damit auch der ärztlichen Leitung dieser Abteilung/Klinik. Ärzte anderer Fachgebiete sind an der ärztlichen Behandlung im notwendigen Umfang zu beteiligen.

10.2.2 Interdisziplinäre Intensiv-Einheiten unterstehen

als fachbereichsgebundene Einheiten der konservativen Fächer der ärztlichen Leitung des Internisten, als fachbereichsgebundene Einheiten der operativen Fächer der ärztlichen Leitung des Anästhesisten,

als Zentraleinheiten i. d. R. der ärztlichen Leitung des Anästhesisten, sonst eines anderen in der Intensivmedizin erfahrenen leitenden Arztes.

Die Fachärzte der einzelnen Abteilungen/Kliniken bleiben als behandelnde oder mitbehandelnde Ärzte für die Diagnostik und Therapie des Grundleidens zuständig. Sie werden im Rahmen ihres Fachgebietes an der Ìrztlichen Behandlung der Intensiv-Einheit beteiligt.

Literatur

  • 1 Richtlinien für die Organisation der Intensivmedizin in den Krankenhäusern. Empfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom 9. September 1974.  Das Krankenhaus. 1974;  11 457