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DOI: 10.1055/s-2007-966234
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Jenseits der konventionellen Koloskopie - der Marktplatz öffnet sich
Eine Übersicht über Arbeiten im letzten Jahr zu Koloskopmodifikationen, neuen Koloskopen und der KolonkapselPublication History
Publication Date:
02 April 2007 (online)
Kommentar zu
1. Modifikation der Koloskopspitze
Evaluation of a novel colonoscope designed for easier passage through flexures: a randomized study
Hoff G, Bretthauer M, Huppertz-Hauss G, Sauar J, Paulsen J, Dahler S, Kjellevold O. Endoscopy 2005; 37 : 1123 - 1126
Zusammenfassung: Ein neues Koloskop, modifiziert nur durch eine passive Abwinklungsfunktion distal des eigentlichen abwinkelbaren Distalteils des Endoskops, überwindet vielleicht besser Kurven und wurde daraufhin in einer randomisierten Studie an 280 ambulanten Koloskopiepatienten getestet. Die Raten der Zökalintubation (87 % vs. 85 %) und der Anteil der sekundären Sedierung (7 % vs. 11 %) unterschieden sich nicht bei dem neuen und dem Standardkoloskop. In der Patientenbefragung war die Rate der Koloskopien ohne Schmerz/nur geringer Schmerz allerdings in der Gruppe mit dem flexibleren Koloskop signifikant höher (77 % vs. 63 %).
2. Aufsatzkappe auf dem Koloskop
Improved colonoscopy success rate with a distally attached mucosectomy cap
Lee YT, Hui AJ, Wong VW, Hung LC, Sung JJ. Endoscopy 2006; 38 : 739 - 742. Epub 2006 Apr 27
A randomized controlled trial evaluating the usefulness of a transparent hood attached to the tip of the colonoscope
Kondo S, Yamaji Y, Watabe H, Yamada A, Sugimoto T, Ohta M, Ogura K, Okamoto M, Yoshida H, Kawabe T, Omata M. Am J Gastroenterol 2006 Nov 13 [Epub ahead of print]
Zusammenfassung: Eine konventionelle Mukosektomiekappe auf der Spitze eines Koloskops soll die Passage von Kurven durch bessere Sicht und eine Art „Vorbiegeeffekt” erleichtern. In einer Studie aus Hongkong konnte bei 100 schwierigen Koloskopien (keine Sigmapassage und/oder kein Erreichen des Zökums) die Zökumrate mit dieser Maßnahme auf 94 % gebracht werden, bei allerdings einer Perforation.
Eine randomisierte Studie aus Japan bezog dagegen 684 unsedierte Patienten mit Routinekoloskopien ein und unterteilte in 3 Gruppen (Mukosektomiekappe, kurze Kappe, keine Kappe). Hierbei betrug die Zökumrate 95 % und war in allen Gruppen gleich. Allerdings lagen bei der Gruppe mit Mukosektomiekappe die Einführungszeit (11,5 vs. 14 min) wie auch die Polypendetektionsrate (49 % vs. 39 %) signifikant höher; die kurze Kappe erbrachte keine Vorteile.
3. Neoguide-Koloskop
In vitro evaluation of forces exerted by a new computer-assisted colonoscope (the NeoGuide Endoscopy System)
Eickhoff A, Jakobs R, Kamal A, Mermash S, Riemann JF, van Dam J. Endoscopy 2006; 38 : 1224 - 1229
Computer-assisted colonoscopy (the NeoGuide Endoscopy System): results of the first human clinical trial („PACE Study”)
Eickhoff A, van Dam J, Jakobs R, Kudis V, HArtmann D, Damian U, Weickert U, Schilling D, Riemann JF. Am J Gastroenterol 2006 Dec 11; [Epub ahead of print]
Zusammenfassung: Ein neues, intelligentes Koloskop merkt sich beim Vorschieben computergestützt durch seitliche Sensoren und einen externen Lokalisator die individuellen Kolonkurven des jeweiligen Patienten und behält diese Form in den entsprechenden Darmsegmenten beim weiteren Vorschub des Gerätes nach distal bei. Hierdurch entstehen - am Kolonmodell getestet - weniger Stauchkräfte und Schlingenbildungen als bei der konventionellen Koloskopie. Die klinische Studie wurde an 11 Patienten (3 Screening, 8 diagnostische Indikationen, meist Schmerzen oder Diarrhö) durchgeführt; ein Patient wurde wegen ungenügender Vorbereitung ausgeschlossen. Die Zufriedenheit von Arzt und Patient war hoch, wird im Abstract berichtet, diese wird aber im Text nicht durch Zahlen untermauert. Über die Ärzte wird gesagt, dass die allgemeine Zufriedenheitsrate mit dem neuen Koloskop der mit dem konventionellen überlegen war (100 %), ohne dass allerdings ein Vergleichsmaßstab benannt wurde. Die mittlere Zeit bis zum Erreichen des Zökums lag bei 20,5 min, es traten keine Komplikationen auf. Bei 4 von 10 Patienten waren konventionelle Manöver (Positionswechsel, abdominelle Kompression) nötig. Die Sedierung bestand aus Midazolam (mittlere Dosis 4,2 mg) und Propofol (mittlere Dosis 96,8 mg), ohne dass spezifiziert wird, wie viele Patienten tatsächlich wie sediert wurden; eine Patientenbefragung wird ebenfalls nicht spezifisch genannt.
4. CathCam-Koloskop
The Cath-Cam: a new concept in colonoscopy
Long G, Fritscher-Ravens A, Mosse CA, Mills T, Swain P. Gastrointest Endosc 2006; 64 : 997 - 1001
CathCam guide wire-directed colonoscopy: first pilot study in patients with a previous incomplete colonoscopy
Fritscher-Ravens A, Fox S, Swain CP, Milla P, Long G. Endoscopy 2006; 38; 209 - 213
Zusammenfassung: Ein 11 mm dicker und 1,8 m langer, weicher Koloskopschlauch wird über einen an der Spitze gebogenen, weichen Führungsdraht ins Kolon vorgeschoben; der Führungsdraht soll den Weg suchen und bahnen. Im Tierversuch konnte auch hier gezeigt werden, dass die wirkenden Kräfte beim Vorschub deutlich geringer sind. In einer ersten klinischen Evaluation an 14 Patienten mit abgebrochener konventioneller Koloskopie wurde 1 Untersuchung wegen enger Sigmastenose abgebrochen, bei den restlichen 13 Patienten wurde in 12 Fällen schließlich das Kolon erreicht (alle Koloskopien wurden mit 2,5 - 5 mg Dormicum durchgeführt). Hierbei wurden die ersten 4 Untersuchungen nach dem alleinigen CathCam-Prinzip (Gerät und Führungsdraht), die weiteren dann modifiziert - Koloskopie bis zum Sigma, dann Drahtvorschub, dann Koloskop gezogen und CathCam über Draht eingeführt - durchgeführt. Die Gesamtzeit lag bei durchschnittlich 24 min (5 - 105 min), verminderte sich aber bei Technik 2 (im Mittel 15 min).
5. Aeroscope
The Aer-O-Scope: proof of the concept of a pneumatic, skill-independent, self-propelling, self-navigating colonoscope in a pig model
Pfeffer J, Grinshpon R, Rex D, Levin B, Rosch T, Arber N, Halpern Z. Endoscopy 2006; 38 : 144 - 148
The aer-o-scope: proof of concept of a pneumatic, skill-independent, self-propelling, self-navigating colonoscope
Vucelic B, Rex D, Pulanic R, Pfefer J, Hrstic I, Levin B, Halpern Z, Arber N. Gastronertology 2006; 130 : 672 - 677
Zusammenfassung: Ein rektaler Einführungsschlauch wird mit einem Ballon im Rektum fixiert (wie beim Kolonkontrasteinlauf), hierdurch wird ein Koloskopschlauch mit einer Kamerakapsel an der Spitze eingeführt. Diese Spitze trägt ebenfalls einen speziellen Ballon, der sich, wenn aufgeblasen, dem Kolon anlegt. Zwischen beide Ballons wird CO2 eingeblasen, und wenn der Druck zwischen den Ballons höher ist als der Druck im Lumen vor dem distalen Ballon, bewegt sich das Gerät von selbst weiter. Die hierbei entstehenden Drücke sind offenbar niedrig (im Mittel 34 mbar), und die absolute Druckbegrenzung im Gerät (Sensoren) liegt verstellbar bei 40 - 50 mbar. Nach Feasibility- und Safety-Studien am Schwein wurden in Kroatien 12 junge Freiwillige (im Mittel 30 Jahre) untersucht, bei denen in 10 Fällen das Zökum erreicht wurde (bestätigt im Röntgen); 2 der Probanden mussten leicht sediert werden. Die mittlere Zeit bis zum Zökum lag bei den 10 erfolgreichen Untersuchungen bei 14 min. Über die Optik wird nichts berichtet, eine Rundumoptik (Omniview) wird gerade in dieses Geräteprinzip eingebaut. Das Gerät hat Insufflation- und Absaugungsfunktion im Zuführschlauch, aber keinen Arbeitskanal, also keine Biopsie- oder Eingriffsmöglichkeit.
6. Kolonkapsel
Evaluation of the PillCam Colon capsule in the detection of colonic pathology: results of the first multicenter, prospective, comparative study
Eliakim R, Fireman Z, Gralnek IM, Yassin K, Waterman M, Kopelman Y, Lachter J, Koslowsky B, Adler SN. Endoscopy 2006; 38 : 963 - 970
PillCam colon capsule endoscopy compared with colonoscopy for colorectal tumor diagnosis: a prospective pilot study.
Schoofs N, Deviere J, Van Gossum A. Endoscopy 2006; 38 : 971 - 977
Zusammenfassung: Eine 11 × 32 mm große Kolonkapsel mit (wie bei der Ösophaguskapsel) beidseitiger Kamera „schläft” die ersten 2 Stunden nach Aktivierung und nimmt dann für mehrere Stunden den Betrieb auf (keine Angaben über maximale Laufzeit); mit zusätzlichem Abführmittel stieg die Exkretion der Kapsel nach 10 Stunden auf 78 %. Hierbei muss ein ausgeklügelter Vorbereitungsplan eingehalten werden, in dem auch nach Kapselingestion noch „boosts” mit zusätzlichen Abführmitteln vorgesehen sind. Zwei Studien verglichen die Kolonkapsel mit der Koloskopie, eine Studie an 3 israelischen Zentren mit 91 Patienten und eine zweite aus einem Zentrum in Brüssel mit 41 Patienten. Hierbei wurden beide Studien ohne Kenntnis der jeweils anderen durchgeführt bzw. ausgewertet. In der israelischen Studie wurden allerdings 3 Beurteilungsrunden durchgeführt (Hauptuntersucher/externer Reading-Service/Expertengruppe), wobei die Ergebnisse sich von Runde zu Runde steigerten, wie z. B. Sensitivität (56 %/69 %/76 %) oder Spezifität (69 %/81 %/100 %). Positiver und negativer prädiktiver Wert der Kolonkapsel für alle Polypen lagen bei - je nach Auswertemodus - 57 %/67 % (Erstauswerter) oder 100 %/78 % in Israel (Expertengruppe) und bei 36 % und 86 % für signifikante Polypen (3 Polypen oder mehr) in Brüssel. Komplikationen gab es keine.
Neue Koloskope. Die oben beschriebenen Studien über neue Koloskope lassen sich relativ einfach zusammenfassen:
Kleinere Modifikationen des Koloskops wie eine flexiblere Spitze oder das Aufsetzen einer transparenten Kappe wie bei der Mukosektomie bringen relativ wenig Gewinn, obwohl sie in relativ großen und auch randomisierten Studien getestet wurden. Bei Verwendung der Aufsatzkappe kam es in einer Studie (mit allerdings konventionell gescheiterten Fällen) zu einer Perforation. Innovativere Ansätze intelligenter, drahtgeführter oder sich selbst bewegender Koloskope sind in der Regel am Tier und dann jeweils an kleinen Probanden- oder Patientenzahlen getestet; hierbei darf man von diesen neuen und teilweise ja noch in Entwicklung befindlichen Geräten noch keine Wunder erwarten. Die Zökumraten sind demnach auch nur ordentlich, die Zeiten bis zum Zökum relativ lang, und teilweise wurden die Patienten auch sediert. Insgesamt erstaunt schon die minimale Zahl an Probanden oder Patienten bei einer doch relativ geläufigen Methode, die die Arbeitsgruppen mit ihren vorläufigen Ergebnissen („proof of principle”) in teilweise hochrangige Journale bringt. Überlegenswert wäre es vielleicht, eine Marktplatzsektion in den verschiedenen Journalen zu etablieren, und sie klarer von Studien mit doch deutlich stärkerem wissenschaftlichem Anspruch abzutrennen.
Kolonkapsel. Der ultimative non-endoskopische Ansatz ist natürlich die lang erwartete Kolonkapsel; hier sind 2 Pilotstudien erschienen mit etwas unterschiedlichen Ergebnissen. Folgendes lässt sich anmerken:
Initiale Ergebnisse sind meist besser als nachfolgende (s. Ösophaguskapsel). Hier, bei der Kolonkapsel, lagen die prädiktiven Werte der ersten Studien zwischen 36 % und 86 %, meist bei einem Mittelwert um 50 - 60 %. Hier muss allerdings noch deutlich nachgebessert werden, ob durch Verbesserungen der Batterielaufzeit, der Kolonvorbereitung oder der Optik (Rundumoptik) wird sich zeigen. Skeptiker mögen die grundsätzliche Möglichkeit einer nicht extern bewegbaren und somit von der Kolonmotiliät abhängigen Kapsel in Zweifel ziehen, alle oder fast alle infrage kommenden Läsionen dingfest zu machen, doch zu spekulieren wäre, ob angeregte Bildgebung (z. B. Autofluoreszenz oder Weiterentwicklungen) dieses mögliche Manko kompensieren kann. Immerhin haben die beiden initialen Studien im Gegensatz zu den oben genannten Mitteilungen über neue Koloskope etwa 130 Patienten eingeschlossen. Die Kapsel bietet viele spekulative Vorteile, die mit der zwanghaften Vorstellung einhergehen, Patienten oder Screening-Kandidaten von Arzt, Praxis oder Krankenhaus fernzuhalten, und für sie auch ja keine Sekunde vom Arbeitsleben abzuknapsen: Übers Wochenende zuhause führt man selbst nach Kochanleitung die Darmkrebsvorsorge durch und liefert die CD bei der ärztlichen Auswertestelle (Krankenkasse?) ab. Auch unter einer weniger ironisierten Betrachtung stellt eine solche Methode jedoch eine Bedrohung endoskopierender Gastroenterologen dar, was ja nicht gegen die Methode spricht, aber dafür, sich Gedanken zu machen über eine sinnvolle Evaluierung der Methode wie auch - im Erfolgsfall - ihren Einbau in den medizinischen Alltag in Gastroenterologie/Endoskopie.
Prof. Dr. med. Thomas Rösch
Charité Universitätsmedizin Berlin
Campus Virchow-Klinikum
Email: thomas.roesch@charite.de