Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2007-966623
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Kolorektale Neoplasien: Sind Männer nicht nur „Vorsorge-Muffel”, sondern haben auch ein höheres Risiko?
Publication History
Publication Date:
06 July 2007 (online)
Kommentar zu:
Koloskopie im Screening-Programm für kolorektale Karzinome zur Detektion fortgeschrittener Tumoren
Colonoscopy in colorectal-cancer screening for detection of advanced neoplasia
Regula J, Rupinski M, Kraszewska E, Polkowski M, Pachlewski J, Orlowska J, Nowacki MP, Butruk E; Department of Gastroenterology, Medical Center for Postgraduate Education, and the Maria Sklodowska-Curie Memorial Cancer Center and Institute of Oncology, Warsaw, Poland
Hintergrund: Früherkennungsuntersuchungen für Darmkrebs werden bei normalem Risiko ab 50 Jahren und bei erhöhtem Risiko ab 40 Jahren alle 10 Jahre empfohlen. Obwohl das Lebenszeitrisiko für beide Geschlechter ähnlich ist, werden bei Männern in der Koloskopie mehr fortgeschrittene Neoplasien entdeckt.
Methoden: J. Regula et al. überprüften nun, ob das Geschlecht einen Risikofaktor für kolorektale Neoplasien darstellt. Grundlage der Analyse waren die Daten eines polnischen Screening-Programms für Darmkrebs, an dem 50.148 Patienten im Alter zwischen 40 und 66 Jahren teilgenommen hatten. Das Hauptaugenmerk galt dabei Patienten mit fortgeschrittenen Neoplasien. Diese waren als Karzinome oder Adenome mit mindestens 10 mm Durchmesser, hochgradigen Dysplasien oder tubulären bzw. tubulovillösen Anteilen definiert. 40- bis 49-jährige Teilnehmer fanden nur dann Aufnahme in das Programm, wenn sie eine familiäre Belastung bezüglich Karzinomerkrankungen aufwiesen.
Ergebnisse: Fortgeschrittene Neoplasien fanden sich bei 2553 (5,9 %) Teilnehmern im Alter zwischen 50 und 66 Jahren sowie bei 243 (3,4 %) Teilnehmern im Alter zwischen 40 und 49 Jahren. In der Regressionsanalyse zeigte sich, dass hierbei das männliche Geschlecht einen unabhängigen Risikofaktor für solche Läsionen darstellte und mit einem relativen Risiko von 1,73 einherging. Die Autoren hatten die Teilnehmer in verschiedene Altersgruppen eingeteilt (40 - 49 Jahre, 50 - 54 Jahre, 55 - 59 Jahre und 60 - 66 Jahre). In jeder dieser Gruppen lag die Zahl an Teilnehmern, die untersucht werden mussten, um eine fortgeschrittene Neoplasie zu entdecken, bei den Männern signifikant niedriger als bei den Frauen (23 vs. 36, 17 vs. 28, 12 vs. 22 bzw. 10 vs. 18).
Folgerungen: Wie die Autoren berichten, diagnostizierten sie fortgeschrittene kolorektale Neoplasien bei Männern signifikant häufiger als bei Frauen. Dies würde nach ihrer Ansicht rechtfertigen, die Empfehlungen zum Darmkrebs-Screening entsprechend zu ändern.
N Engl J Med 2006; 355: 1863 - 1872
Auch diese Studie zeigt, wie sinnvoll die Koloskopie als Früherkennungsmaßnahme für das kolorektale Karzinom ist. Nach dieser Studie werden bei Männern offensichtlich häufiger fortgeschrittene Karzinome zum Zeitpunkt der Indexkoloskopie entdeckt als bei Frauen.
Gezieltes Ansprechen von Männern. Aus langjähriger Erfahrung ist bekannt, dass Männer „Vorsorge-Muffel” sind; die Inanspruchnahmeraten z. B. des Okkultbluttestes über viele Jahre belegen das. Diese Beobachtung sollte dazu stimulieren, die Männer noch direkter anzusprechen, insbesondere aber auch die Frauen auf dieses Risiko ihrer Männer hinzuweisen. Die bisherigen Präventionskampagnen haben leider nur bedingt zum Erfolg geführt, obgleich in einer neuesten Studie klar nachgewiesen werden konnte, dass Aufklärungskampagnen die entsprechenden Zielgruppen erreichen und sie zur Darmkrebsfrüherkennung motivieren können (Z Gastroenterol 2006; 44 : 1127 - 1134). Der methodisch korrekte polnische Beitrag ist ein sehr guter Mosaikstein zu Risikobeurteilung, Ausgestaltung von Informationsmaterial und Anlage von gezielten Präventionskampagnen, zum Beispiel im Rahmen des jeweiligen Darmkrebsmonats eines Jahres.
Prävention als gesellschaftliche Aufgabe. Leider finden in letzter Zeit in großen Boulevardzeitschriften wieder Stimmen Aufmerksamkeit, die Vorsorgeuntersuchungen, speziell auch für den Darmkrebs, als nicht sinnvoll deklarieren. Prävention ist nicht nur eine Frage der Ökonomie, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich die Politik derzeit mit Recht stellt. Aus präventionsmedizinischer Sicht sind daher auch Bonusregelungen zur Stärkung des Präventionsbewusstseins sicher absolut begrüßenswert.
Erstpublikation in der Dtsch Med Wochenschr 2007; 132, Nr. 5
Prof. Dr. med. Jürgen F. Riemann
Medizinische Klinik C
Klinikum der Stadt Ludwigshafen/Rhein gGmbH
Bremserstraße 79
67063 Ludwigshafen am Rhein
Email: riemannj@klilu.de