Allgemeine Homöopathische Zeitung 2007; 252(1): 32-33
DOI: 10.1055/s-2007-968044
Forum
Nachruf
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & CO. KG

Dr. med. vet. Achim Schütte (1956-2006)

Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. Januar 2007 (online)

„Mensch, nimm Dich nicht so wichtig!” wäre zumindest ein Motto, das man Achim Schütte in den Mund hätte legen können. Seine Zurückhaltung und persönliche Bescheidenheit waren so ausgeprägt, dass selbst viele Kolleginnen und Kollegen der Carstens-Stiftung, der er seit 2000 angehört hat, erst allmählich begriffen, wie außergewöhnlich und bedeutend dieser Mann war. Seine zuvorkommende Liebenswürdigkeit und seine schier unbegrenzte Hilfsbereitschaft waren überwältigend.

Es ist daher an dieser Stelle besonders wichtig, seine Bedeutung innerhalb der Homöopathie hervorzuheben, zumal er auch mit dem Publizieren eher zurückhaltend war. Darin kommt auch sein kritischer und höchst selbstkritischer Geist zum Ausdruck. Dieser prägte bereits die Interpretation der Ergebnisse seiner Doktorarbeit, mit der vor fast 20 Jahren seine Zusammenarbeit mit der Carstens-Stiftung begonnen hat. Achim Schütte hat auf höchstem wissenschaftlichen Niveau in einer Blindstudie zeigen können, dass die Homöopathie der praxisüblichen Metaphylaxe mit Antibiotika in der Schweinehaltung überlegen war - und das in der modernen Massentierhaltung. Diese Arbeit ist bis heute das mit weitem Abstand Beste, was die klinische Forschung in der Veterinärhomöopathie zu bieten hat. Sogar darüber hinaus, denn die Wirksamkeit der Antibiotika-Metaphylaxe bei Schweinen war nie placebokontrolliert geprüft worden. Die konventionelle Tiermedizin war deshalb für diese Studie sehr dankbar und zog daraus den Schluss, dass die Antibiotika - höher dosiert werden müssten! Und es ist bezeichnend, dass Achim Schütte selbst diese Untersuchung durchführte, in der dann wie zu erwarten die Antibiotika der Homöopathie überlegen waren. Und es war für ihn selbstverständlich, beide Ergebnisse nüchtern zu publizieren. Denn seine Leidenschaft für das wissenschaftliche Arbeiten war mindestens genauso groß wie für die Homöopathie.

Er war aber gleichermaßen ein leidenschaftlicher Tier-Arzt. Unermüdlich bestrebt, die Haltungsbedingungen insbesondere der Schweine zu verbessern, hat er im Rahmen eines EU-Projekts die grauenvolle Praxis der Tiertransporte kreuz und quer durch Europa dokumentiert und evaluiert - mit der Folge, dass sein gesamtes Material über Nacht durch einen gezielten Einbruch restlos zerstört wurde. Er hat auch von diesem bitteren Erlebnis keinerlei Aufhebens gemacht. Er widmete sich vielmehr nun im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums der Tötungspraxis in den konventionellen Schlachthöfen und konnte hier endlich eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften zugunsten der Tiere erreichen. Diese beiden Projekte lassen erkennen: Achim Schütte war kein Phantast oder Fundamentalist; er hat nie versucht, anderen seine ganz persönlichen Maßstäbe aufzudrängen („Ich esse nur Fleisch von Tieren, die ich persönlich mit Namen gekannt habe.”)

Er war sich der Machtstrukturen in der Agrarindustrie voll bewusst und versuchte nach Kräften, innerhalb der Strukturen das Beste zu erreichen. Und wenn heute z. B. die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen öffentlich zum Einsatz der Homöopathie in der Schweinehaltung steht und ihren Landwirtschaftsberatern eine Weiterbildung in der Homöopathie ermöglicht, dann ist das dem überzeugenden Wirken und diplomatischen Geschick von Achim Schütte zu verdanken.

Sein Einstieg in die Carstens-Stiftung im Jahre 2000 war für beide Seiten ein ausgesprochener Glücksfall. Die Stiftung konnte einen international hoch angesehenen Wissenschaftler gewinnen und ihr Förderspektrum um den Bereich Tiermedizin erweitern. Achim Schütte konnte sich nun voll und ganz dem widmen, was ihm am Herzen lag: dem Einsatz der Homöopathie in der Tiermedizin, besonders der Nutztierhaltung. Und man kann es wahrlich nicht überschätzen, was er in den wenigen Jahren für den Einsatz der Homöopathie in der Landwirtschaft erreicht hat. An erster Stelle ist dabei sein „Warendorfer Projekt” zu nennen. Von der Fachwelt noch gar nicht registriert, ist dabei die bisher größte Einzelfalldokumentation (mehrere Tausend Fälle) für die Veterinärhomöopathie entstanden - wovon die Homöopathie in der Humanmedizin bisher nur träumen kann. Aus diesem Projekt stammt auch das Vermächtnis von Achim Schütte: Der „Leitfaden zur homöopathischen Behandlung von Schweinen”. Die Fertigstellung dieses zweibändigen Werkes konnte er noch kurz vor seinem Tode erleben.

Man kann Achim Schütte getrost neben Hans Wolter, dessen Schüler er war, als einen der großen Vertreter der Veterinärhomöopathie des 20. Jahrhunderts bezeichnen. Dass er gleichzeitig ein so bescheidener und liebenswürdiger Mensch war, macht ihn unvergesslich.

Die Carstens Stiftung ist stolz und dankbar, dass sie ihn für einige Jahre bei sich haben konnte.

Henning Albrecht

    >