Zusammenfassung
Hintergrund: Die Gutachterempfehlung zu der im Reformgesetz von 2001 festgelegten morbiditätsbezogenen Klassifikation der Versicherten im Risikostrukturausgleich (RSA) sieht eine Eingruppierung der Versicherten nach Krankenhausdiagnosen und Arzneimittelverordnungen entsprechend dem System IPHCC+RxGroups vor.
Ziel: Es sollen konzeptionell und datengestützt mögliche Fehlanreize der Arzneimittelkomponente des empfohlenen Klassifikationssystems und deren Wirkungen hinsichtlich der finanziellen Position von Kassen bei einem derartigen RSA untersucht werden.
Methodik: Für drei Beispiele möglicher Fehlanreizsetzung durch das RxGroups-System führen wir Simulationsrechnungen durch. Dabei werden für einzelne Veränderungen der Morbiditätseinstufungen im klassifikationsrelevanten Jahr t-1 die finanziellen Verteilungswirkungen über dieses und das Ausgleichsjahr t analysiert. Grundlage für die Berechnungen bilden die pseudonymisierten Versicherungs- und Leistungsdaten einer BKK-Stichprobe mit rund 370.000 Versicherten aus den Geschäftsjahren 2000 und 2001.
Ergebnisse: Gesamtwirtschaftlich gesehen führen alle Interventionen zu Ausgabensteigerungen. Auf Einzelwirtschaftsebene einer Kasse zeigt sich allerdings, dass es Bereiche gibt, in denen gezielte Interventionen auch im Falle der empfohlenen begrenzt-prospektiven Ausgestaltung des RSA unter Umständen lukrativ sein können und allemal rational sind.
Schlussfolgerungen: Bei der morbididätsorientierten Weiterentwicklung des RSA sollte der Gesetzgeber die Strategieanfälligkeit der Arzneimittelkomponente des IPHCC+RxGroups-Klassifikationssystems begrenzen. Das Klassifikationssystem sollte mehr von der Krankheit und weniger vom Wirkstoff und der Indikation her kommend aufgebaut werden. Dies schließt auch eine Einschränkung des Spektrums der abgebildeten Krankheiten und klassifikationsrelevanter Verordnungen ein.
Abstract
Background: A report commissioned by the German Ministry of Health recommends to the existing scheme for calculating risk-adjusted transfers to sickness funds supplement with the IPHCC+RxGroups method. The method is based on inpatient diagnoses and prescribed drugs as health status measures deduced from prior use.
Objective: The present study investigates the sickness fund's expected net return from gaming based on the drug component of the risk adjuster.
Methods: The study explores three possible strategies using the RxGroups method. For the stimulations, insurees are assigned to additional indications or to higher valued RxGroups within the same indication. Then, costs and financial benefits attributable to the altered drug use are estimated and compared with the status quo. The study uses 2000 and 2001 sample data of more than 370,000 insurees of Germany's company-based sickness funds system (BKK).
Results: While upgrading increases overall costs, it can be beneficial for the individual sickness funds. Their net return crucially depends on the number of sickness funds gaming the system: the more participating in the game, the smaller is the average net return. Moreover, not participating often is even worse, which in turn points to a prisoner's dilemma.
Conclusions: When extending the risk adjustment scheme in social health insurance, the German legislator should take into account the perverse incentives of risk adjusters such as the described prescription drug model.
Schlüsselwörter
morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich - Arzneimittelverordnungen - Fehlanreize - strategisches Verhalten
Key words
health-based risk adjustment - prescribed drugs - perverse incentives - gaming