Rofo 2007; 179(2): 191-195
DOI: 10.1055/s-2007-970214
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Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 30.03.2006, Az.: L 1 KR 12/05 - Kostenübernahme der Therapie mit [224Ra]Radiumchlorid

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Publikationsdatum:
20. Februar 2007 (online)

 

I. Einführung

Die Therapie des Morbus Bechterew mit dem Radionuklid [224Ra]Radiumchlorid gehört zu den ältesten Therapiemethoden in der nuklearmedizinischen Geschichte. So gehen erste erfolgreiche Therapieansätze mit dem Arzneimittel bereits auf Anfang der 40er-Jahre dieses Jahrhunderts zurück. Die Erkenntnisse zur Pharmakokinetik von [224Ra]Radiumchlorid sind von der International Commission on Radiological Protection in ihrer Publikation Nr. 67 im Jahre 1993 sorgfältig zusammengetragen und kritisch bewertet worden[1]. [224Ra]Radiumchlorid zählt zu den radioaktiven Stoffen, deren Biodistribution und Ausscheidung beim Tier und beim Menschen seit Jahrzehnten intensiv erforscht wurden. Es dürfte kaum einen radioaktiven (und auch nichtradioaktiven) Stoff geben, dessen Biokenetik annähernd gut untersucht wurde wie diejenige von [224Ra]Radiumchlorid[2].

Trotz der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Datum vom 23.10.2000 erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassung[3] besteht seit längerem Streit über die Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen, da diese der Auffassung sind, dass das der Therapie zugrundeliegende Arzneimittel 224SpondylAT® hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit erheblichen Zweifeln unterliege. Diese Bewertung beruht auf der Einschätzung, dass die derzeit vorhandenen Studienergebnisse mangels validem Studiendesign nicht als Wirksamkeitsnachweis der Evidenzklasse I, sondern nur den Evidenzklassen III oder IV zugeordnet werden könnten. Diese seien als "Wirksamkeitsvermutung" oder "-hinweis" geeignet, nicht jedoch als valider Beweis für die Wirksamkeit des Arzneimittels.

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat in einer Entscheidung vom 30.03.2006, Az.: L 1 KR 12/05 diese Auffassung ausdrücklich zurückgewiesen und festgestellt, dass gesetzlich krankenversicherte Patienten einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Therapie mit Radiumchlorid-224 gegen ihre Krankenkasse haben. Das Urteil geht jedoch über die Klärung dieser Einzelfrage hinaus, da ihm auch für die Anerkennung und Erstattungsfähigkeit anderer, insbesondere neuartiger, radioaktiver Arzneimittel in der GKV Bedeutung zukommt.

Literatur

01 International Commission on Radiological Protection. Age-dependent doses to members of the public from intake of radionuclides, Part 1. Anals of the ICRP Nr. 56. Oxford, New York, Frankfurt, Pergamon Press, 1990

02 Reiners, Braun. Therapie der Spondylitis ankylosans mit [224Ra]-Radiumchlorid. Der Nuklearmediziner, S. 105, 108

03 vgl. auch Strahlenschutzkommission, Stellungnahme zur Therapie mit [224Ra]Radiumchlorid vom 23./24.04.1998, S. 3; Bundesgesundheitsamt, Monografie: [224Ra] Radiumchlorid, Bundesanzeiger Nr. 219 vom 21.11.1992, S. 8827 und Nr. 6.6.3 der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin, Bundesanzeiger Nr. 207a, vom 07.11. 2002

04 Mit dem Inkrafttreten der Positivliste nach § 33 a erhält Abs. 1 Satz 1 folgende Fassung: "Versicherte haben Anspruch auf Versorgung von apothekenrechtlichen Arzneimitteln, soweit die Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähig sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen" (vgl. Begründung zum GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BT-Drs. 14/1245)

05 BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 17-"Goldnerz"

06 BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 3 S. 5 ff.-"Edelfosin"

07 vgl. hierzu BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 3 S. 5, 10

08 vgl. BVerfG NZS 1997, S. 225, 226

09 BAnz. Nr. 246 (die AMRL vom 31.08.1993 sind nach wie vor gültig, nachdem das LG Hamburg die Veröffentlichung der 8. Novelle der AMRL zum 1.04.1999 untersagt hat; vgl. Beschl. v. 31.03.1999, Az.: 315 O 143/99 und Hans. OLG, Urt. v. 19.10.2000, Az.: 3 U 201/99

10 BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 14 S. 59, 65- "ASI"

11 vom 28.01.1987 (BGBl. I S. 502)

12 vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht 1997, S. 318; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 1998, § 36 Rn. 27

13 vgl. Kloesel/Cyran, Kommentar zum Arzneimittelrecht, § 28 AMG Nr. 24; Rehmann, AMG 1999, § 28 Rdn. 2

14 vgl. BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 3, S. 5, 9

15 vgl. BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 3, S. 5, 11

16 Hierzu gehört insbesondere die Verpflichtung zur kostenlosen Abgabe des Arzneimittels an Ärzte und Krankenhäuser im Rahmen der klinischen Prüfung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe g AMG; vgl. hierzu Beschl. des BVerfG vom 14.03.2001, Az.: 1 BvR 1651/94

17 Es entspricht der Sorgfaltspflicht des pharmazeutischen Unternehmers, die behandelnden Ärzte von dem Auflageninhalt zu unterrichten, weil für diese eine Aufklärungspflicht gegenüber den Patienten besteht.

Rechtsanwälte Wigge, Münster

RA Dr. Peter Wigge

Fachanwalt für Medizinrecht

eMail: kanzlei@ra-wigge.de