Zusammenfassung
Das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS) ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen.
In der medikamentösen Therapie des IPS haben Dopaminagonisten heute neben L-Dopa einen
festen Platz. Bei allen unter 70-jährigen Patienten wird eine Monotherapie mit einem
Dopaminagonisten bzw. falls nötig eine dopaminagonistendominante Kombinationstherapie
empfohlen. Um das Risiko von motorischen Spätkomplikationen zu minimieren, wird versucht,
eine möglichst physiologische, das heißt kontinuierliche Stimulation der Dopaminrezeptoren
zu erreichen. Durch die Entwicklung des transdermal applizierten Dopaminagonisten
Rotigotin, mit dem sich konstante Plasmaspiegel über 24 Stunden erzielen lassen, scheint
man dem Ziel einer anhaltenden Stimulation der Dopaminrezeptoren einen weiteren Schritt
nähergekommen zu sein.
Abstract
Idiopathic Parkinson's disease is one of the most frequent neurological diseases.
Besides L-dopa dopamine agonists play a major role in therapy of this condition. In
most guidelines it is advocated to use dopamine agonists proferentially in monotherapy
or in combination in de novo patients younger than 70 years old. To avoid dyskinesias
continuous dopamine receptor stimulation should be achieved. This may be very well
accomplished by the use of a transdermally applicated dopamine agonist which results
in constant plasma levels over the whole day.
Schlüsselwörter
Parkinsonerkrankung - Dopaminagonisten - kontinuierliche Stimulation - Rotigotin -
transdermale Applikation
Key words
Parkinson's disease - dopamine agonists - continuous stimulation - rotigotine - transdermal
application
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Diskussion zum Vortrag von Prof. Reichmann
In Langzeitstudien wurde gezeigt, dass das Dyskinesierisiko bei initialer Gabe von
Dopaminagonisten geringer ist als bei anfänglicher Behandlung mit L-Dopa. Haben an
diesen Studien bevorzugt Parkinsonpatienten vom Rigor-Akinese-Typ oder tremordominante
Patienten teilgenommen?
Reichmann: Eventuell haben mehr tremordominante Patienten und weniger Patienten vom Rigor-Akinese-Typ
teilgenommen. Im Prinzip war von diesen Studien kein bestimmter Parkinsontyp ausgeschlossen.
Die Patienten waren unter der Dopaminagonistenmonotherapie langfristig motorisch gut
kontrolliert, wobei der Anteil der Patienten, die befriedigend eingestellt waren,
mit fortschreitender Studiendauer sukzessive abnahm. Warum bestimmte Patienten per
se oder unter der Gabe von Dopaminagonisten ein besseres Outcome haben als andere,
ist bislang offen und erfordert weitere kontrollierte Untersuchungen.
Durch konstante Blutspiegel und eine kontinuierliche Stimulation der Dopaminrezeptoren
lässt sich das Dyskinesierisiko reduzieren. Ließe sich ein ähnlicher Effekt auch durch
retardiertes L-Dopa erzielen?
Reichmann: Theoretisch erscheint dies möglich, allerdings konkurriert die Resorption von L-Dopa
mit der Resorption von aromatischen Aminosäuren wie Leucin und Isoleucin. Die Resorption
von L-Dopa erfolgt deshalb trotz Retardierung in Abhängigkeit von den Mahlzeiten diskontinuierlich.
Während sich durch ein L-Dopa-Retardpräparat nachts konstante Blutspiegel erzielen
lassen, kann ein vergleichbarer Effekt tagsüber deshalb nur durch eine jejunale L-Dopa-Gabe
erreicht werden.
Dopaminagonisten mit langer Halbwertszeit stehen heute bereits zur Verfügung. Welchen
Vorteil bringt es, diese lange Halbwertszeit durch eine veränderte Galenik nochmals
zu verlängern?
Reichmann: Selbst bei langer Halbwertszeit treten allein aufgrund der mehrmals täglichen Einnahme
unvermeidbar Blutspiegelspitzen auf. Durch ein Retardpräparat oder auch durch eine
transdermale Applikation ist es möglich, deutlich gleichmäßigere Blutspiegel zu erzielen.
Darüber hinaus sind abgesehen von der Messung von Blutspiegeln weitere Parameter wie
z. B. die Rezeptoraffinität wichtig.
Warum müssen L-Dopa und Dopaminagonisten im Verlauf der Parkinsonerkrankung immer
höher dosiert werden, um eine gute motorische Beweglichkeit zu erzielen?
Reichmann: Im klinischen Alltag macht man diese Erfahrung sehr oft. Dennoch lässt sich diese
Frage bislang nicht zufriedenstellend beantworten. Es gibt verschiedene Ansätze, um
dieses Phänomen zu erklären. Vermutlich nimmt die Dichte der Rezeptoren im Laufe der
Zeit ab, eventuell spielen auch Veränderungen der Blut-Hirn-Schranke bzw. der Gliazellen
eine Rolle oder es gibt ein Toleranzphänomen. Zudem muss man berücksichtigen, dass
die endogene Produktion von Dopamin durch die exogene Zufuhr von Dopaminagonisten
herunterreguliert wird. Möglicherweise erklärt auch die Partialantagonisierung von
Dopamin diesen Effekt.
Prof. Dr. Heinz Reichmann
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Neurologie
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Email: Heinz.Reichmann@uniklinikum-dresden.de