Rehabilitation (Stuttg) 2007; 46(4): 238-245
DOI: 10.1055/s-2007-971068
Methoden in der Rehabilitationsforschung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eigenschaften und Nutzen des Rasch-Modells in der klinischen Diagnostik

Properties and Benefits of Applying the Rasch Model in Clinical DiagnosticsM. Wirtz 1 , M. Böcker 2
  • 1Institut für Psychologie, Pädagogische Hochschule Freiburg
  • 2Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Aachen, RWTH Aachen
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. August 2007 (online)

Zusammenfassung

In der Rehabilitation ist der Einsatz geeigneter Assessmentinstrumente von grundlegender Be-deutung. Sowohl bei der Diagnostik von Patien-tenmerkmalen als auch bei der Evaluation vonBehandlungseffekten und für die Qualitätssicherung in Rehabilitationseinrichtungen muss eine hohe Qualität der psychometrischen Messinstrumente gewährleistet sein, um die Aussagekraft und Interpretierbarkeit der Daten sicherstellen zu können. Skalen, die nach den Annahmen des Rasch-Modells konstruiert wurden, besitzenbesonders wünschenswerte Eigenschaften, da begründet davon ausgegangen werden kann, dass die Personenkennwerte intervallskaliertsind und lediglich eine zugrunde liegende Merk-malsdimension das Antwortverhalten der Pa-tienten auf den einzelnen Skalen bedingt. In diesem Beitrag wird gezeigt, welche Eigenschaften Rasch-Skalen besitzen und welche Methoden durch die Anwendung des Rasch-Modells zur Verfügung gestellt werden, um Datenstrukturen klinisch differenzierter beurteilen und methodisch angemessener analysieren zu können.

Abstract

In medical rehabilitation settings the use of appropriate assessment instruments is essential in many ways. A high quality of psychometric scales has to be ensured in order to allow for an appropriate interpretation of diagnostical data as well as for the evaluation of treatment outcomes and for quality assurance within rehabilitation clinics. Assessment scales developed by means of Rasch analysis possess desirable properties, especially because person parameters reach interval level by definition, and the assumption of only one latent dimension suffices to predict respondents behaviour sufficiently. Accordingly, Rasch scales are strictly one-dimensional and thus allow for unambiguous interpretation of diagnostic results. In this article it is shown which specific properties characterize Rasch scales and how Rasch analysis can be used in order to allow for a more differentiated and clinically meaningful data interpretation and to enhance analysis of clinical data.

Literatur

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1 Koordinatoren der Reihe „Methoden in der Rehabilitationsforschung“:
Prof. Dr. Dr. Hermann Faller, Würzburg; Prof. Dr. Thomas Kohlmann, Greifswald; Dr. Christian Zwingmann, Siegburg
Interessenten, die einen Beitrag zur Reihe beisteuern möchten, werden gebeten, vorab Kontakt aufzunehmen:
eMail: christian.zwingmann@web.de

2 Die analysierten Daten stammen von n=1840 Patienten aus der orthopädischen Rehabilitation (weitere Angaben s. [8]).

3 Bei Verwendung des ordinalen Rasch-Modells muss eine weiter spezifizierte Modellvariante zugrunde gelegt werden [9]. Das hier zur Erläuterung genutzte Partial-Credit-Modell ist neben dem so genannten Ratingskalenmodell die am häufigsten verwendete Modellvariante und entspricht zumeist den Voreinstellungen in Analyseprogrammen.

4 In dem Sinne, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wahl jeder zur Verfügung stehenden Antwortkategorie vollständig determiniert ist.

5 Dies ist in der Eigenschaft der lokalen stochastischen Unabhängigkeit von Rasch-Skalen formuliert. Diese ist erfüllt, wenn die Kenntnis der zugrunde liegenden Personenfähigkeit ausreicht, um die Beantwortung - bis auf stochastische Effekte - aller Skalenitems vorherzusagen.

6 Zur Frage, in welchem Maße sich die Qualität der Parameterschätzungen aufgrund der Modellverletzungen verschlechtert und welches Ausmaß an Verletzung der Personenhomogenität tolerierbar ist, liegen unseres Wissens leider keine systematischen Studien vor.

7 Beim adaptiven Testen werden dem jeweiligen Patienten aufgrund seines Antwortverhaltens diejenigen Items dargeboten, die aufgrund ihrer Schwierigkeit optimal auf die Fähigkeit des Patienten abgestimmt sind. Dies ermöglicht eine präzise Schätzung der Personenfähigkeit trotz geringer Itemanzahl.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Markus Wirtz

Institut für Psychologie

Pädagogische Hochschule Freiburg

Kunzenweg 21

79117 Freiburg

eMail: markus.wirtz@ph-freiburg.de