Psychiatr Prax 2007; 34(2): 102
DOI: 10.1055/s-2007-972760
Serie · Szene · Media Screen
Media Screen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Selbstermutigung

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Publication Date:
28 March 2007 (online)

 

Dieses Buch widersetzt sich der Einordnung in eine gängige Sparte. Es geht um uns selbst. Nicht eingeengt durch eine vorgegebene Systematik entwickeln die Autoren, ein Germanist, der jetzt ein Unternehmen leitet, und ein psychotherapeutisch tätiger Psychiater, Strategien einer individuellen Lebenskunst. Als Leser gewinnt man den Eindruck, an einer Expedition teilzunehmen. Man staunt über die Vielfalt der Landschaft, den Wechsel des sprachlichen Ausdrucks, über Essays und tagebuchartige Aufzeichnungen, bei denen Persönliches und Allgemeines verwoben wird, über fantasierte Interviews, über Drehbücher und immer wieder über ausgewählte Gedichte und die Begegnung mit Gestalten der Literatur. Die Autoren halten es mit dem Wort Schillers von der befreienden Wirkung des Schönen und des Spiels. Kunst macht die Menschen nicht klüger und tugendhafter, aber sie erfrischt. Die Frankfurter Poetik-Vorlesungen von Adolf Muschg werden zitiert: "Findet der Leser in der Literatur nicht eben das, was er am meisten zum Leben, einem sinnvollen Leben benötigt: Spielanleitungen...?" Unter den Begriff "Spielanleitung" im philosophisch-anthropologischen Sinne lässt sich das Buch einordnen.

Man merkt dem Buch an, dass Isermann und Schmoll mit großer Lust am Denken und Schreiben zu Werke gingen. Indem sie unsere Strategien der Lebensführung, des Umgangs mit Lebensproblemen und insbesondere mit den Affekten auf den Prüfstand stellen, entwickeln sie in nuce eine Affektlehre. Die Themen "Schwermut", "Überdruss", "Zorn" und "Ärger" werden erörtert, bebildert und in unterschiedlichen Sprach- und Stilformen dargestellt. Es ist unschwer erkennbar, dass psychotherapeutische Fragen den Hintergrund der Reflektionen abgeben. Auch mit den Kapiteln "Selbsttäuschung", "Altern" und "Alter" greifen sie Themen auf, die in jeder Psychotherapie von zentraler Bedeutung sind.

Selbstbegegnung und Selbsterkenntnis sind Ziele dieses Buches. Heute wissen wir, dass eine Psychotherapie dann erfolgreich ist, wenn es ihr gelingt, die Selbstheilungskräfte des Patienten zu wecken. Wir sprechen von ressourcen- bzw. lösungsorientierten Ansätzen. Es gilt, die stets vorhandenen, gesunden, kreativen Potenzen des Patienten zu wecken. Wer auf dem Weg einer ressourcenorientierten Psychotherapie vorankommen will, greife nach dem vorliegenden Buch. Er wird - manchmal zu seiner eigenen Überraschung immer wieder neue Landschaften entdecken, in Bereiche vorstoßen, die ihm bisher verschlossen waren. Die großen Konfliktthemen des Menschen geraten in einen neuen Kontext. Das Buch wird zu einer Fundgrube mit Anregungen für die tägliche Arbeit, neuen Ideen, Bildern, Narrativem, mit nachdenklichen Interpretationen und immer wieder Entdeckungen aus Kunst und Literatur.

Bekanntlich bedienen sich die neuesten Psychotherapieformen des Internets und sprechen von "intherapy". Man kann mit Kopfschütteln auf diese Unternehmungen reagieren. Aber man kann auch aus ihnen lernen, z.B. das Heilsame eines Textes, den ich mir wirklich aneigne, z.B. in Form eines Briefes, den ich an mich selbst richte, Isermann und Schmoll haben das Buch "Selbstermutigung" genannt. Es trifft den Kern ihrer Intention. Indem sie sich etwas herausnehmen und ihrer Lust am Denken und Schreiben frönen, ermutigen sie sich selbst und auch den Leser, der nur ein wenig Zeit mitbringen muss, um aufs Schönste bereichert zu werden.

Prof. Dr. med. Hans Stoffels, Berlin

Email: hans.stoffels@schlosspark-klinik.de

Isermann T, Schmoll D. Selbstermutigung. Sinnliche Impulse durch Kunst und Literatur. Essays zur Lebensführung. Asanger, Kröning 2006, 325 S., 29,50 Euro