Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(14): 748
DOI: 10.1055/s-2007-973613
Pro & Contra | Commentary
Kardiologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der koronare Kalknachweis gewinnt als prognostischer Parameter für Koronarereignisse mehr und mehr klinische Relevanz - Pro

Coronary calcification gains clinical relevance as a prognostic factor - proR. Erbel1
  • 1Klinik für Kardiologie, Universitätsklinikum Essen
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eingereicht: 8.1.2007

akzeptiert: 11.1.2007

Publication Date:
29 March 2007 (online)

Nach dem Köln-Marathon 2002 erlitt ein 61-jähriger Teilnehmer einen akuten Myokardinfarkt. Er war 177 cm groß, wog 76 kg und hatte ein Gesamtcholesterin von 158 mg/dl, ein LDL-Cholesterin von 89 mg/dl, ein HDL-Cholesterin von 50 mg/dl, Triglyceride von 67 mg/dl, ein Lipoprotein(a) von 15,4 mg/dl und Fibrinogen von 254 mg/dl. Bekannt war eine arterielle Hypertonie, die mit Losartan und einem Thiazidderivat behandelt wurde (PROCAM-Score 5,7 % in 10 Jahren). - Hätte der Marathonläufer als Hochrisikoperson identifiziert und der Herzinfarkt eventuell verhindert werden können? Ja, wenn ein Koronarkalk-Screening durchgeführt worden wäre, denn der Agatston-Score, der das Ausmaß der Koronargefäßverkalkung widerspiegelt, betrug bei dem Läufer 1115. Im altersentsprechenden Vergleich entsprach dies der 93,5. Perzentile. Es wäre möglich gewesen, das kardiovaskuläre Risiko medikamentös zu senken. Bei extremer Koronargefäßverkalkung wäre eine ausgefeilte Ischämiediagnostik notwendig gewesen. Bei positivem Befund hätte sie zur Koronarangiographie geführt, die bei dem Läufer nach dem Infarkt durchgeführt wurde und eine Drei-Gefäß-Erkrankung mit Hauptstammstenose ergab, so dass eine Bypassoperation erforderlich wurde.

Eine Meta-Analyse hat gezeigt, dass mit geläufigen Algorithmen, die erhebliche Variationen aufweisen und unterschiedliche Endpunkte definieren, das eigentliche Risiko in Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Risiko über- und in Gruppen mit hohem Risiko eher unterschätzt wird [1]. Ein Weg zur Verbesserung ist sicherlich die Berücksichtigung weiterer Faktoren, wie körperliche Belastbarkeit, psychosoziale Faktoren, abdominelle Adipositas sowie Ernährungsgewohnheiten. Große Hoffnung ist in neue Risikofaktoren einschließlich Biomarker gesetzt worden, um die Risikoabschätzung zu verbessern. Die neuen sind jedoch den klassischen Risikofaktoren in Bezug auf ihre Sensitivität und Spezifität (ROC-Kurven) nicht überlegen gewesen, um fatale und/oder nicht fatale kardiovaskuläre Ereignisse vorherzusagen [3]. Die Risikofaktoren erfassen den Status, nicht aber den Zeitverlauf, der besonders bei Faktoren wie Rauchen, Körpergewicht oder Hypertonie eine bedeutende Rolle spielen kann. Die Krankheitsentwicklung von der subklinischen zur klinischen Phase kann nicht vorherbestimmt werden. Durch die Erfassung des biologischen Alters der Koronargefäße ist die Bestimmung des koronaren Kalk-Scores den Risikofaktoren überlegen, wie Gegenüberstellungen von Sensitivitäts-/Spezifitätsdaten gezeigt haben. Bei Diabetikern liegt der Unterschied in der Fläche unter der ROC-Kurve für die Vorhersage von Ereignissen sogar bei 0,92 (Koronarkalk) gegenüber 0,60 (Framingham-Risiko) [2].

Derzeit wird deshalb die Risikostratifizierung in drei Stufen vorgenommen:

Stufe: Erfassung der Risikofaktoren. Stufe: Risikoeinschätzung: Niedriges Risiko: < 10 % Ereignisse in 10 Jahren Mittleres Risiko: 10 - 20 % Ereignisse in 10 Jahren Hohes Risiko: > 20 % Ereignisse in 10 Jahren Bei Diabetes mellitus, peripherer Verschlusserkrankung, Aortenaneurysmata oder Schlaganfall liegt immer ein hohes Risiko vor. Stufe: Prävention Bei niedrigem Risiko Lebensstiländerung empfehlenswert mit Kontrolluntersuchungen nach 3 bis 5 Jahren. Bei mittlerem Risiko weitergehende Diagnostik zur verbesserten Risikoeinschätzung: Bestimmung des Knöchel-Arm-Index, Ultraschalluntersuchung der Karotiden, Bestimmung des hoch-sensitiven CRPs, Belastungs-EKG bei Männern zwischen 45 und 60 Jahren oder Herz-CT; die einzige Methode, um direkte Zeichen der subklinischen Koronarsklerose zu erfassen. Bei positivem Befund erfolgt die Reklassifizierung zur Hochrisikogruppe und bei negativem Befund zur niedrigen Risikogruppe. Bei hohem Risiko Kombinationstherapie mit Acetylsalicylsäure, Statinen, β-Blockern und ACE-Hemmern. Das vaskuläre Risiko kann so um ca. 60 % gesenkt werden. Durch die Kombination mit Lebensstiländerung ist eine weitere Reduktion möglich. Eine gezielte Diagnostik hilft, die medikamentöse Therapie angemessen einzusetzen.

Der Koronarkalknachweis gewinnt als prognostischer Parameter an klinischer Relevanz. Für die endgültige Beurteilung sind Ergebnisse bevölkerungsbezogener Studien wie der Heinz-Nixdorf-Recall-Studie (Risk Factors, Evaluation of Coronary Calcium and Lifestyle; www.recall-studie.uni-essen.de) und der MESA-Studie (Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis; www.mesa-nhlbi.org) abzuwarten, die erstmalig und prospektiv den prognostischen Wert subklinischer Zeichen der Arteriosklerose untersuchen.

Literatur

  • 1 Brindle P. et al . Accuracy and impact of risk assessment in the primary prevention of cardiovascular disease.  Heart. 2006;  92 1752-1759
  • 2 Budoff M J. et al . Assessment of coronary artery disease by cardiac computed tomography.  Circulation. 2006;  114 1761-1791
  • 3 Wang T J. et al . Multiple biomarkers for the prediction of first major cardiovascular events and death.  New Engl J Med. 2006;  355 2631-2639

Prof. Dr. med. R. Erbel

Klinik für Kardiologie, Westdeutsches Herzzentrum Essen, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen

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