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DOI: 10.1055/s-2007-973614
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Der koronare Kalknachweis gewinnt als prognostischer Parameter für koronare Ereignisse mehr und mehr klinische Relevanz - Contra
Coronary calcification gains clinical relevance as a prognostic factor - contraPublication History
eingereicht: 29.12.2007
akzeptiert: 11.1.2007
Publication Date:
29 March 2007 (online)

Mit Hilfe der Risikostratifikation (z. B. Framingham Risk Score [FRS]) gelingt eine Vorhersage koronarer Ereignisse in ca. 75 % der Fälle, während sich 25 % nicht durch klassische Risikofaktoren erklären lassen. Dies macht die Suche nach Methoden plausibel, die auch Personen erfassen, die bei Anwendung der derzeitigen Modelle zwar kein oder nur ein geringes Risiko aufweisen, aber trotzdem ein kardiovaskuläres Ereignis erleben. Zum Spektrum dieser Methoden gehört der Koronarkalknachweis. Abhängig von der verwendeten CT-Technik sind die unter Präventionsaspekten durchgeführten Koronarkalkmessungen mit einer Strahlenexposition (1,1 - 1,9 mSV) belastet und mit hohen Untersuchungskosten (200 - 500 ı) verbunden, die von den gesetzlichen Krankenversicherungen nicht erstattet werden.
Dem Nachweis von Koronarkalk liegt zwar häufig eine Atherosklerose zugrunde, umgekehrt weisen atherosklerotische Veränderungen der Koronarerien aber nicht zwingend Kalzifizierungen auf und können somit dem Nachweis entgehen. Über eine Quantifizierung des Koronarkalks ist eine grobe Abschätzung des Ausmaßes der koronaren Plaquebelastung möglich, die Korrelation ist aber nicht sehr eng. Auch stimmen Ausmaß und Lokalisation von Koronarkalk nicht mit der angiographisch nachgewiesenen Stenoselokalisation und deren Schweregrad überein, und eine enge Korrelation zwischen Kalk-Score und dem Risiko einer Plaqueruptur (Entwicklung eines akuten Koronarsyndroms) konnte bisher nicht gezeigt werden. Die Instabilität einer Plaque als Maß für die Wahrscheinlichkeit einer Ruptur kann durch die Kalkmessung also nicht ermittelt, sondern nur vage vermutet werden. Zwar weisen einige Studien [1] [2] auf eine gegenüber dem FRS verbesserte prognostische Aussagekraft hin, diese bezieht sich aber nicht auf harte Endpunkte wie Tod und/oder Myokardinfarkt, sondern auf „weiche Ereignisse” wie instabile Angina und Revaskularisation.
Will man die mit unterschiedlichen Untersuchungstechniken errechneten Kalk-Scores (Agatston-Score, Volumen-Scores) zu Screening-Zwecken einsetzen, müssen sie stabil und reproduzierbar erstellbar sein. Die von Fachgesellschaften vorgegebenen Mindeststandards favorisieren zwar keine bestimmte CT-Untersuchungstechnik, verlangen aber bei Wiederholungsmessungen Abweichungen < 10 %. Diese Voraus-setzungen werden je nach CT-Technik oft nicht erfüllt. Dies könnte auch die Ergebnisse von Verlaufskontrollen bei therapeutischen Interventionen beeinflussen. In einer kürzlich publizierten Studie [3] konnte nach einem Jahr Beobachtungsdauer unter konventioneller (10 mg) und Hochdosistherapie (80 mg) mit Atorvastatin trotz signifikant unterschiedlicher Senkung der LDL-Werte kein signifikanter Unterschied im Kalkvolumen-Score erfasst werden. Im Gegenteil, die Kalk-Scores nahmen in beiden Gruppen um 26 % zu. Dies steht im Widerspruch zu klinischen Studien (Prove-IT, TNT), die in Bezug auf klinische Endpunkte einen signifikanten Vorteil der ausgeprägten LDL-Senkung nachweisen konnten. Die Ergebnisse lassen neben anderen Folgerungen auch die Frage zu, ob sich der Kalk-Score tatsächlich als Surrogatparameter für kardiovaskuläre Ereignisse eignet.
Fazit: Prinzipiell wäre der frühzeitige, nichtinvasive und kostengünstige Nachweis atherosklerotischer Veränderungen der Gefäßwand und deren Differenzierung in eine stabile und instabile Form das ideale Vorgehen zur Risikostratifizierung asymptomatischer Risikogruppen. Allerdings führte in einer Studie [4] an 450 asymptomatischen Männern die Zusatzinformation „Koronarkalk” weder zu einer individuellen Reduktion konventioneller Risikofaktoren (z. B. Rauchen, Übergewicht etc.) noch zu einer Reduktion des prognostizierten 10-Jahres-Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse. Weitere Argumente der Fachgesellschaften, die Koronarkalkbestimmung für die Risikostratifizierung nicht generell zu empfehlen liegen 1. in der kontroversen Datenlage bezüglich ihrer additiven prognostischen Bedeutung, 2. in dem algorithmisch nicht erfassbaren Zusammenhang zwischen Koronarkalkmenge und Ereignishäufigkeit und 3. in der nicht unbegründeten Sorge, dass ein breiter, auch merkantil geprägter Einsatz des Kalk-Screenings außerhalb von Studien wegen der niedrigen Spezifität zu einer ungerechtfertigten weiteren Zunahme invasiv-diagnostischer Maßnahmen z. B. bei asymptomatischen Patienten führen könnte.
Literatur
- 1 Arad Y, Goodman K J, Roth M, Newstein D, Guerci A D. Coronary calcification, coronary disease risk factors, C-reactive protein and atherosclerotic cardiovascular disease events. J Am Coll Cardiol. 2005; 46 158-165
- 2 LaMonte M J. et al . Coronary artery calcium score and coronary heart disease events in a large cohort of asymptomatic men and women. Am J Epidemiol. 2005; 162 421-429
- 3 Schmermund A. et al . Effect of intensive versus standard lipid-lowering treatment with atorvastatin on the progression of calcified coronary atherosclerosis over 12 months. Circulation. 2006; 113 427-437
- 4 O’Malley PG. et al . Utility of electron beam computed tomography as a screening test for coronary artery disease and as an intervention for risk factor modification among young, asymptomatic, active-duty United States Army Personnel. Am Heart J. 1999; 137 932-942
Prof. Dr. Frank M. Baer
Klinik III für Innere Medizin, Klinikum der Universität zu Köln
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