Klinische Neurophysiologie 2007; 38 - P333
DOI: 10.1055/s-2007-976461

Verbessern kanülierte Pedikelschrauben die Durchführung der Transpedikulären Spinalnerv-Stimulation bei Instrumentationen im Bereich der LWS?

O Suess 1, L Weise 1, T Picht 1, S Suess 1, M Brock 1, T Kombos 1
  • 1Berlin

Hintergrund: Die Platzierung von Pedikelschrauben bei der dorsalen Wirbelsäuleninstrumentation birgt das Risiko von Verletzungen nervaler Strukturen. Zwar konnte die Zahl der Fehlplatzierungen durch Einsatz bilddatengeführter Operationstechniken zunehmend gesenkt werden – dennoch ist diese Operationstechnik immer noch mit einer beachtlichen Morbidität behaftet. Deshalb wurden verschiedene neurophysiologische Untersuchungstechniken für das Monitoring der abgehenden Spinalnerven beschrieben, ohne, dass sich jedoch eine dieser Techniken für den klinischen Routineeinsatz dauerhaft durchgesetzt hat.

Material und Methodik: Es wurde untersucht, ob die Transpedikulären Spinalnerv-Stimulation (TSS) bei Verwendung eines neuen kanülierten Pedikelschraubensystems (XIA Precision, Stryker) direkt über den transpedikulär platzierten Führungsdraht durchgeführt werden kann. Die Untersuchungen erfolgten bei 20 mono- und 5 biseg-mentalen Stabilisierungen im Bereich der LWS aufgrund degenerativer (11/25), traumatischer (6/25) und tumoröser Genese (8/25). Spontane und getriggerte myogene EMG-Aktivität (direkt: Einzelimpulse bis 10 mA; indirekt: gepulst 4,7Hz, 200ms, max. 20 mA) wurde mit Nadelelektroden über die Kennmuskulatur an den unteren Extremitäten abgeleitet.

Fig. 1

Ergebnisse: Ohne äußere Triggerung konnte während der Dekompression des Spinalkanals sowohl „train“-Aktivität (als Zeichen länger andauernder Traktion oder Kompression) sowie „spike-“ und „burst-“ Aktivität (als Zeichen für kurzzeitigen Nervenwurzelkontakt) gefunden werden. In den postoperativen CT-Kontrollen zeigten sich 101 der insgesamt 110 Schrauben vollständig intrapedikulär gelegen, 6/110 um <2mm und 3/110 um >2mm nach medial disloziert. Nur eine Schraubenfehllage mit Kontakt zur Nervenwurzel L5 war jedoch klinisch symptomatisch. Diese wurde intraoperativ jedoch weder durch die direkte noch durch die indirekte TSS erkannt.

Schlussfolgerungen: Nur in wenigen Fällen eines medialen Pedikelschrauben-Durchbruches kommt es postoperativ tatsächlich zu radikulären Beschwerden. Sensitivität und Spezifität der TSS bleiben daher auch unter Verwendung der neuen kanülierten Schraubentechnik eingeschränkt. Die Gründe für falsch negative Ergebnisse sind u.a.: die individuelle Aktivitätsschwelle der abgeleiteten Muskelgruppe, Anästhesieeinflüsse und Grad der Muskelrelaxation, die unterschiedlichen Gewebewiderstände, Flüssigkeitsansammlungen im Stimulationsgebiet, vorbestehende Nervenwurzelkompressionen und metabolische Vorerkrankungen.