OP-Journal 2005; 21(2): 172-179
DOI: 10.1055/s-2007-977768
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Was ist gesichert in der Alterstraumatologie? Eine Stellungnahme aus der Sicht der Klinischen Epidemiologie

Dirk Stengel, Kai Bauwens, Gerrit Matthes, Thomas Einsiedel, Axel Ekkernkamp
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Publication Date:
12 April 2007 (online)

Zusammenfassung

Verletzungen des alten Menschen führen zu einer erheblichen Belastung der unter Alltagsbedingungen noch kompensierten physiologischen Balance und stellen hohe Anforderungen an Prävention, Diagnostik und Therapie. Pathologische Frakturen von Wirbelkörpern, hüftgelenknahem Oberschenkel und proximalem Humerus sind häufig die Erstmanifestation einer Osteoporose, die sich neben dem Diabetes mellitus und kardiovaskulären sowie Krebserkrankungen zu einem globalen Problem entwickelt hat. Die Ergebnisse großer randomisierter Studien legen ein ungünstiges Nutzen-/Risikoprofil für eine Hormonersatztherapie in der Menopause nahe. Während Bisphosphonate Medikamente der ersten Wahl zur Erhöhung der Knochenmineraldichte bei gesicherter Osteoporose sind, haben sie keinen Stellenwert in der Prophylaxe. Weder die erhoffte hohe Effektivität von Sturzpräventionsprogrammen, noch von Hüftprotektoren werden durch die Daten aus randomisierten Studien belegt. Umso entscheidender ist die nachweislich wirksame Therapie von Verletzungen des Bewegungsapparates im Alter. Die bevorzugte Implantation von bipolaren Prothesen bei Schenkelhalsfrakturen und die interne Osteosynthese mittels DHS bei pertrochantären Brüchen sind wissenschaftlich gut belegt. Bei dislozierten Vierfragment-Frakturen des Humeruskopfes führen die interne Osteosynthese mit winkelstabilen Implantaten und die primäre Endoprothetik zu vergleichbaren funktionellen Ergebnissen; der Constant-Murley-Score übersteigt jedoch auch nach langfristiger Nachbeobachtung nicht 75 % der möglichen Punktzahl. Vertebroplastie und Kyphoplastie wurden bisher nicht in randomisierten Studien im Vergleich zum Standard of Care untersucht; die publizierten Daten sind widersprüchlich und werden durch das Wissen um Zementleckagen und spätere Wirbelkörperbrüche angrenzender Bewegungssegmente relativiert. Zusammenfassend besteht erheblicher Forschungsbedarf in der Alterstraumatologie; die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse werden der gesundheitspolitischen und ökonomischen Bedeutung dieses Gebietes nicht gerecht.

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