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DOI: 10.1055/s-2007-980115
Tabakprävention
Tobacco PreventionPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
30. August 2007 (online)

In Deutschland rauchen über 30 % der Bevölkerung regelmäßig. Während bei Männern in den letzten Jahren das Rauchverhalten langsam rückläufig war, ist bei den Frauen noch eine Zunahme des Tabakrauchens zu verzeichnen. Bei Jugendlichen ist es über Jahrzehnte zu einer Abnahme des Eintrittsalters in den Tabakkonsum gekommen. Das Durchschnittsalter, in dem zum ersten Mal regelmäßig geraucht wurde, liegt augenblicklich zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr. Laut aktuellen Daten der WHO und der Europäischen Union liegt Deutschland bezüglich des Tabakkonsums im oberen Drittel der EU-Staaten [1].
Über die Hälfte der regelmäßigen Zigarettenraucher sterben an den Folgen des Rauchens. Die mittlere Lebenserwartung der Raucher ist um 10 Jahre reduziert [2]. In Deutschland ist das Rauchen die häufigste Einzelursache für Krankheit und vorzeitigen Tod [3] [4]. Tabakrauch ist der wesentliche Risikofaktor - neben kardiovaskulären Erkrankungen - für die COPD und bösartige Neubildungen insbesondere der Lunge [1]. Auch für das Asthma bronchiale [5] [6], infektiöse Erkrankungen wie Pneumonie [7] oder Tuberkulose [8] und die überwiegende Zahl der interstitiellen Lungenerkrankungen [9] ist Tabakrauchen ein wichtiger Risikofaktor. Passivrauchen verursacht in Deutschland jährlich bei sehr konservativer Berechnung mehr als 3300 vermeidbare Todesfälle unter Nichtrauchern [10]. Rauchverbote ermöglichen hier eine wirksame Prävention: Bei Personal des Gaststättengewerbes ließ sich schon wenige Monate nach Einführung eines Rauchverbotes eine Verminderung von Atembeschwerden und eine Verbesserung der Lungenfunktion feststellen [13].
Daher sind auch für Deutschland wirksame gesetzgeberische Maßnahmen zur Tabakkontrolle zu fordern. Zwar sind hier kürzlich Verbesserungen beim Werbeverbot und beim Schutz vor Passivrauchen eingeführt worden bzw. stehen unmittelbar bevor, jedoch sind diese in Deutschland immer noch nicht umfassend genug. Diese Maßnahmen sind parallel notwendig zur Verbesserung der primären Prävention insbesondere bei Jugendlichen, die vor dem Beginn einer „Raucherkarriere” geschützt werden müssen [16].
Jedes Jahr unternehmen etwa 30 % der Raucher einen Versuch, ihren Tabakkonsum zu beenden. Dies gelingt jedoch nur einem sehr kleinen Anteil der Raucher langfristig, da Nikotin zu einer starken Abhängigkeit führt [17]. Bereits das Rauchen einer einzigen Zigarette im Alter von 11 Jahren führt noch nach 3 Jahren zu einer Verdopplung des adjustierten relativen Risikos, einen regelmäßigen Tabakkonsum zu beginnen [18]. Erfolgreiche Therapieansätze sind hier in den letzten Jahrzehnten entwickelt worden. Tabakentwöhnungsprogramme mit psychosozialer und pharmakologischer Intervention sind ausgesprochen wirksam [19] [20]. Sie verbessern bei Patienten mit COPD die Lungenfunktion und die Sterblichkeit [19] [21]. Die Tabakentwöhnung ist die effektivste Therapie der Patienten mit COPD [22] [23].
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin engagiert sich seit längerem in der Prävention. So wird augenblicklich die Leitlinie Tabakentwöhnung auf dem S3 Niveau ausgearbeitet. Eine Arbeitsgruppe Tabakprävention in der DGP wurde gegründet, und die DGP ist Mitglied im Steuerungsgremium des Aktionsbündnisses Nichtrauchen, dem zehn große nicht-staatliche Gesundheitsorganisationen angehören, die ihre politischen Aktivitäten im Bereich „Förderung des Nichtrauchens/Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens” bündeln [24].
Vor diesem Hintergrund ist es an der Zeit, dem Leser einen evidenzbasierten Überblick zu Folgen und Therapie des Tabakrauchens zu geben. Hierbei sollen aktuelle Konzepte der Epidemiologie, Neurobiologie, Suchtforschung und Pharmakologie für den Alltag des Pneumologen nutzbar gemacht werden. Angesichts der sich anbahnenden Priorisierung der Prävention im Gesundheitswesen mit konsekutiven strukturellen Veränderungen ist es Ziel der Serie, die Kompetenz der Pneumologen in der Tabakentwöhnung weiter zu stärken.
Inhaltlich wird Tabakrauchen und COPD/Bronchialkarzinom sowie Passivrauchen von Pneumologen thematisiert. Psychiater und Psychologen werden Tabakentwöhnung (A. Batra), die Tabakentwöhnung-Versorgungssituation in Deutschland (S. Mühlig) sowie Sucht und Tabakrauchen (G. Winterer) bearbeiten. Die pädiatrische Dimension des Aktiv- und Passivrauchens wird von S. Zielen dargelegt.
Die Editoren hoffen mit den Beiträgen die Tabakprävention und die Tabakentwöhnung stärker in den Alltag der Pneumologie zu integrieren und so auch die Lebensqualität und Prognose von Patienten mit Lungenerkrankungen nachhaltig zu verbessern.
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Prof. Dr. med. Robert Loddenkemper
Generalsekretär (Secretary General), Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose,
Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring
Walterhöferstr. 11
14165 Berlin
eMail: rloddenkemper@dzk-tuberkulose.de