Endo-Praxis 2006; 1(1): 32-34
DOI: 10.1055/s-2007-982009
Der besondere Fall

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sind Sie bei jeder Stenose auf (dem richtigen) Draht?

Endoskopische Behandlung einer schwierigen Stenose bei Primär Sklerosierender CholangitisPhilip Hilgard, Doris Stiefenhöfer, Thomas Zöpf, Guido Gerken
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Publication Date:
25 May 2007 (online)

Im Folgenden wird über einen heute 47-jährigen Patienten berichtet, der über eine seit seinem 23. Lebensjahr bestehende Colitis ulcerosa berichtet, dessen eigentliche Krankengeschichte aber im Jahre 2000 mit rechtsseitigen nicht-kolikartigen Oberbauchschmerzen und Fieber begann. Passend zu einer Cholestase war der Stuhlgang seit einigen Tagen entfärbt, der Urin bierbraun. Entsprechend waren laborchemisch das Bilirubin und die Cholestaseparameter sowie die Entzündungsparameter deutlich erhöht [Tabelle]. Der Patient berichtete anamnestisch die „Leberwerte” seien schon seit Jahren undulierend erhöht, eine Ursache konnte jedoch bisher nicht gefunden werden. Weder eine Leberpunktion noch eine Cholangiographie waren zu diesem Zeitpunkt jemals erfolgt. Sonographisch zeigte sich die Leber relativ unauffällig, sonographisch mit diskret inhomogenem Parenchym rechts und einer allenfalls minimalen Erweiterung der Gallenwege, diese ebenfalls rechts < links. Der proximale DHC wurde mit 0.7 cm ausgemessen. Der Patient wurde nun, unter der Verdachtsdiagnose einer Cholangitis, einer endoskopisch retrograden Cholangio-Pankreatikographie (ERCP) unterzogen. Während der Pankreasgang unauffällig war, zeigte sich in dieser Untersuchung nach selektiver Intubation des Gallengangs eine hochgradige Stenose im Bereich des proximalen Ductus hepaticus communis, die nicht überwunden werden konnte. Das intrahepatische Gallenwegsystem war nicht darstellbar. Daraufhin wurde der Patient lediglich papillotomiert und in unser Haus verlegt.

Tabelle 1

Hier erfolgte eine erneute ERCP durch den damals erfahrensten Untersucher. Dabei bestätigte sich die Stenose im proximalen DHC, der im Ganzen sehr wandunregelmässig und mit multiplen kleineren und grösseren Kalibersprüngen imponierte. Erneut war die Stenose, diesmal auch unter Verwendung multipler Drähte nicht zu überwinden. Das distal der Stenose applizierte Kontrastmittel (KM) floss fast ausschliesslich über den unmittelbar unterhalb mündenden Ductus cysticus in die große Gallenblase und bei Z.n. Papillotomie in das Duodenum ab [Abb. 1a]. Auf eine Darstellung unter Ballonokklusion wurde aufgrund der fehlenden Passierbarkeit der Stenose verzichtet. Die aus dem distalen Bereich der Stenose entnommenen Zytobürsten zeigten keine malignen Zellen, der Tumormarker CA19-9 war zu diesem Zeitpunkt 45 mg/dl und damit unverdächtig.

Unter der Verdachtsdiagnose einer aufgepfropften akuten bakteriellen Cholangitis bei fortgeschrittener primär sklerosierender Cholangitis wurde der Patient daraufhin für 6 Wochen mit einer antibiotischen Therapie behandelt. Begleitend erfolgte Einleitung einer Therapie mit Ursodeoxycholsäure. Darunter besserte sich der klinische Zustand des Patienten signifikant. Es kam jedoch auch in regelmäßigen Kontrolluntersuchungen innerhalb der nächsten Jahre nie zu einer kompletten Normalisierung der Laborwerte, Bilirubin und Cholestaseparameter blieben teils deutlich erhöht.

Abb. 1

Aus diesem Grund wurde 2003 eine erneute ERCP in unserem Hause durchgeführt, bei der sich der cholangiographische Befund exakt wie in den Voruntersuchungen zeigte. Die Stenose im DHC war erneut für keinen der verwendeten Katheter oder Drähte (incl. JagWireÒ-Draht und dem hydrophilen TerumoÒ-Draht) passierbar, das intrahepatische Gallenwegsystem nach wie vor nicht darstellbar [Abb. 1b]. Es erfolgte die cholangiographische Diagnose einer weit fortgeschrittenen PSC mit nahezu vollständiger Destruktion des intrahepatischen Gallenwegsystems. Dazu divergierend war jedoch der klinische Zustand des Patienten relativ gut, das Bilirubin stieg nie über 1.6 mg/dl und auch die sonstigen Leberfunktionsparameter waren normal.

Erneut wurde der Patient bei voller Arbeitsfähigkeit 2 Jahre ambulant geführt, bis im Januar 2005 unter erheblichem Anstieg des Bilirubins und der Entzündungsparameter eine erneute Episode mit akuter Cholangitis auftrat. Dennoch erbrachte die zu diesem Zeitpunkt erneut durchgeführte ERCP [Abb. 1c] keine Änderung des vorbeschriebenen Befundes. Nach wie vor war die DHC-Stenose nicht zu überwinden und eine stabile intrahepatische Lage eines interventionsfähigen Drahtes nicht zu erreichen. Der Verdacht auf eine weitgehende Destruktion des intrahepatischen Gallenwegsystems wurde in einer weiteren Untersuchung bestätigt [Abb. 1d]. Dazu im Gegensatz waren jedoch sowohl in der Ultraschalluntersuchung der Leber als auch in der in dieser Situation erstmalig durchgeführten Mangnetresonanz-Cholangio-Pankreatikographie (MRCP) das intrahepatische Gallenwegsystem darstellbar [Abb. 2]. Aus diesem Grund erfolgte die Planung einer perkutan-transhepatischen Cholangiographie, ggf. mit Einlage einer temporären Drainage (PTCD) bzw. bei Versagen dieser Methode die chirurgische Intervention mit Anlage einer biliodigestiven Anastomose.

Abb. 2

Unmittelbar zu diesem Zeitpunkt erfolgte seitens der Firma Boston Scientific die Vorstellung des neuen Hydra-JagWireÒ-Drahtes, dem aufgrund seiner speziellen internen Beschaffenheit und Beschichtung besondere Eigenschaften bei der Überwindung schwieriger Stenosen in den Gallengängen zugeschrieben wurden. Bei anhaltend eingeschränktem klinischen Zustand des o.g. Patienten wurde aus diesem Grund unter Verwendung dieses Drahtes ein letzter Versuch unternommen, vor geplanter PTC die Stenose im DHC doch von retrograd zu überwinden. Nach Positionierung eines Standard-Kontrastmittelkatheters unmittelbar vor der Stenose erfolgte der Vorschub des Hydra-JagWireÒ-Drahtes mit dem Versuch eine stabile intrahepatische Lage für nachfolgende Interventionen zu erzielen. Überraschenderweise gelang dieses nahezu im ersten Versuch. Der Draht ließ sich bis weit peripher in das rechte Gallenwegsystem vorschieben [Abb. 3a]. Nach Ausschluss einer Drahtperforation mit kurzer Darstellung über einen jetzt über den Draht eingebrachten 4-6 F Bougierungskatheter, wurde ein Ballonkatheter eingebracht und der rechte Ductus hepaticus sowie der DHC sukzessive dilatiert [Abb. 3b].

Die jetzt erstmalig von intrahepatisch (proximal der dominanten Stenose) vorgenommene Kontrastierung zeigte rechts ein weitgehend erhaltenes Gallenwegsystem mit nur geringen Wandunregelmässigkeiten und einer geringen prästenotischen Dilatation [Abb. 3c]. Im Abgangsbereich des aus dem DHC nahezu rechtwinklig abgehenden linken Hauptastes befand sich eine hochgradige Stenose, die in einer weiteren ERCP-Sitzung unter Verwendung eines lenkbaren Katheters und des Hydra-JagWireÒ-Drahtes ebenfalls überwinden und dilatieren ließ [Abb. 3d]. Trotz Verzicht auf die Einlage von Endoprothesen führte diese einmalige suffiziente Dilatationsbehandlung nach einem kurzen postinterventionellen Anstieg bereits zu einer vollständigen Normalisierung des Bilirubins und der AP, lediglich die gamma-GT blieb diskret erhöht [Tabelle 1]. Klinisch erholte sich der Patient vollständig.

Abb. 3

Die Verwendung des Hydra-JagWireÒ-Drahtes hat in diesem Fall die Durchführung der weitaus invasiveren PTCD oder gar eine chirurgische Intervention verhindert. Der Patient wird nun mit erneuten endoskopischen Dilatationsbehandlungen zunächst im Abstand von 3-6 Monaten weiter behandelt.

Doris Stiefenhöfer

Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie (Direktor: Prof. Dr. G. Gerken), Universitätsklinikum Essen

Hufelandstrasse 55, 45122 Essen

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