Der Klinikarzt 2007; 36(5): 243
DOI: 10.1055/s-2007-982889
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Benefit und Profit

Adolf Grünert
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 June 2007 (online)

Die Priorisierung des Kapitals als Leitidee mit der Zielsetzung der Profitmaximierung eingesetzter finanzieller Ressourcen ist zweifellos ein Prinzip, das in der wirtschaftlichen Wachstumskultur erfolgreich eingesetzt und akzeptiert wird. Humane Aspekte der Menschenarbeitskraft wertet diese Strategie als sekundär. Im Rahmen von Bildung und Gesundheit muss sich diese ökonomistische Führungsstrategie jedoch als fatal erweisen. Da beide Bereiche solidarisch von allen Bürgern finanziert und sichergestellt werden, würde der Einsatz und die Kapitalwertschöpfung aus diesen finanziellen Ressourcen durch die profitorientierten Leistungsökonomisten zu einer Gaunerei verkommen.

Wie zukunftsfähig ein Staatswesen ist, hängt davon ab, wie viel Bildung und Gesundheit die Gemeinschaft dem Einzelnen zur Verfügung stellt. Medizinische Einrichtungen, die sich in Nischen profitorientiert den „sich rechnenden” Anteil aus dem Gesamten herauspicken ohne sich der Gesamtverantwortung in dem ohnehin praxisfremden, politischen Gebührendschungel zu stellen, müssen gezwungen werden, sich dem Wertekonzept der Gesamtgesellschaft zu beugen und von ihrer oft erfolgreichen Schnäppchenjägermanier pseudocleverer Pfiffigkeiten entlarvt werden. Eigentlich muss es in der Entscheidung zwischen Benefit für den Patienten und Profit der betreibenden Institution unstrittig sein, nur solche gesundheitsrelevanten Leistungen zu finanzieren, deren Nutzen für den Patienten nachgewiesen ist.

Die besondere Qualität der von Institutionen und Ärzten gehandelten „Produkte der Gesundheitserhaltung oder -wiederherstellung” unterscheidet sich eben ganz charakteristisch von der Qualität der Handelsprodukte der übrigen Wirtschaft: Sie müssen zunächst kostenintensiv erschaffen werden, ohne erkennbar profitabel zu sein. Doch die betriebswirtschaftliche, kostenbezogene Leistungsbemessung ist in den meisten Bereichen des Gesundheitswesens bisher nicht erfolgt. Schuld daran ist die Fortschreibung meist historisch überfrachteter Gebührenordnungen.

Überspitzt formuliert lassen die Abrechnungssysteme, die auf den sogenannten Fallpauschalen basieren, meist nicht nur die erforderliche Begründung der kaufmännischen Kostenkalkulation vermissen. Auch die Amortisierung umfangreicher Investitionen neu entwickelter Großgeräte sind nicht nachvollziehbar erfasst. Damit verhindern diese Finanzierungssysteme einen echten Wettbewerb wirkungsvoller als er je durch die Optimierung der Behandlungsqualität und der -abläufe stimuliert werden könnte.

Wenn die für die Leistungsfähigkeit und Zukunftsperspektive bestimmenden Bereiche von Bildung und Gesundheitswesen in ihrem besonderen Stellenwert akzeptiert werden, erfährt die Profitmaximierung im Gesundheitswesen ebenfalls eine eindeutige Beschränkung, die die Finanzierung auf der Kostenbasis einschließlich der Betriebsführung festlegt und ihren strategischen Eigenwert nachrangig regelt. Ebenso wenig wie Leistungen aus dem Bildungs- und Gesundheitswesen ohne nachgewiesenen Nutzen für die Zielgruppe aus dem sozialen und bildungsorientierten Budget finanziert werden, wird die kapitalorientierte Profitmaximierung ihren strategiebestimmenden Stellenwert über dem Primat der Qualitäts- und Ergebnissicherung einnehmen.

Habe ich Ihr Interesse geweckt? Dann darf ich Sie herzlich zu dem Sommerseminar „Benefit und Profit” der Akademie für Wissenschaft, Wirtschaft und Technik an der Universität Ulm einladen (www.uni-ulm-de/akademie). In diesem Rahmen wird sich ein Projekt der Klinischen Ökonomik der Universität Ulm mit einem grundlegenden Problemfeld an der Schnittstelle sozialer Verpflichtungen und ökonomischer, profitorientierter Betriebsführung medizinischer Einrichtungen befassen.

Prof. Dr. mult. Adolf Grünert

Ulm