Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(40): 2061
DOI: 10.1055/s-2007-985640
Editorial

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Hämatologie und Onkologie: die komplexe Behandlung maligner Erkrankungen

Hematology and oncology: the complex treatment of malignant diseasesW. Hiddemann1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik III, Klinikum der Universität München - Großhadern
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Publication Date:
27 September 2007 (online)

In der Therapie maligner Erkrankungen sind in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte erzielt worden, die berechtigten Anlass zu der Hoffnung geben, die Prognose von Patienten mit bösartigen Tumoren in naher Zukunft substanziell zu verbessern. Diese Fortschritte basieren zum einen auf einem besseren Verständnis der Pathogenese zahlreicher onkologischer Erkrankungen, zum anderen aber auch auf der Entwicklung pathogenese- und biologieorientierter Therapiekonzepte.

Dazu zählen unter anderem monoklonale Antikörper, die gezielt auf tumorassoziierte Antigene ausgerichtet sind oder die tumorinduzierte Angiogenese beeinflussen. Beispiele für die erfolgreiche klinische Umsetzung dieser Konzepte sind die Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms mit dem gegen das Her2/neu-Antigen gerichtete Tastuzumab oder der die Angiogenese hemmende Antikörper Bevacizumab. Ein anderer viel versprechender Ansatz basiert auf der Beeinflussung von Signalübertragswegen durch kleine Moleküle, die Tumorwachstum, Zelldifferenzierung und Apoptose beeinflussen. Bei der klinischen und experimentellen Erprobung dieser Substanzen, wie dem Imatinib oder dem spezifisch der chronischen myeloischen Leukämie zugrunde liegende Fusionsprotein BCR-ABL, wurde erkennbar, dass sie weitere Phosphotyrosinkinasen inhibieren können und damit auch bei anderen Tumorerkrankungen wirksam sind. Da Imatinib auch den c-KIT-Rezeptor hemmen kann und dieser Rezeptor bei anderen Tumoren wie den gastrointestinalen Stromazelltumoren exprimiert ist, kam Imatinib auch bei diesen Erkrankungen zum Einsatz und zeigte eindrucksvolle Ergebnisse. Die Entwicklung sogenannter Multikinase-Inhibitoren nimmt derzeit einen breiten Raum in der klinischen Forschung ein und hat weitere Erfolge erkennen lassen. So erwiesen sich Sorafenib und Sunitinib als wirksam beim Nierenzellkarzinom, und erste Erfolge dieser Substanzen zeichnen sich auch bei anderen Tumorerkrankungen ab.

Ein entscheidendes Element der modernen Onkologie besteht neben der Verbesserung der gegen maligne Tumoren gerichteten Therapie in der Weiterentwicklung supportiver Behandlungskonzepte. So ist die Behandlung bösartiger Erkrankungen oft mit einer vorübergehenden Beeinträchtigung der Infektabwehr verbunden, und es kommt nach intensiven Therapiekonzepten, wie sie beispielsweise bei akuter Leukämie eingesetzt werden, fast regelhaft zu infektiösen Komplikationen. Die Bekämpfung Neutropenie-assoziierter Infektionen ist daher mitentscheidend für den Behandlungserfolg.

Bösartige Erkrankungen stellen jedoch nicht nur aufgrund ihrer biologischen Merkmale eine substanzielle Bedrohung für Patienten mit Krebs dar. Sie lösen bei vielen Betroffenen eine schockartige Reaktion und eine Lebenskrise aus, die alle Bereiche des täglichen Daseins in Frage stellt. Patienten, die mit der Diagnose einer Krebserkrankung konfrontiert werden, geraten oft in eine komplexe Lebenskrise und benötigen neben der Bekämpfung der eigentlichen Tumorerkrankung eine wirksame Hilfe bei der inneren Auseinandersetzung mit dieser Bedrohung. Die psychische Betreuung onkologischer Patienten ist daher ein unverzichtbarer, leider immer noch zu wenig beachteter Teil des Behandlungskonzeptes geworden.

Das vorliegende Schwerpunktheft, das anlässlich der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie in Basel vom 5. - 9. Oktober erscheint, vermittelt einen guten Überblick über die unterschiedlichen Aspekte der komplexen Behandlung maligner Erkrankungen: So befasst sich der Beitrag von Said et al. mit der Verlässlichkeit statistischer Erhebungen bei Krebserkrankungen. Solche Statistiken sind wesentliche Grundlage dafür, externe Ursachen für die Entstehung maligner Erkrankungen zu identifizieren. Die Untersuchung zeigt, dass die Krebsregistrierung in Hamburg „aus verschiedenen Gründen unvollständig ist” und Krebs als Todesursache häufiger sein dürfte, als die Statistiken vemuten lassen. Die Übersicht von Stremmel et al. widmet sich einer seltenen, klinisch jedoch sehr interessanten Entität: den Thymomen. Die von Sauer et al. vorgestellte Kasuistik hat ebenfalls eine relativ seltene Manifestationsform eines exokrin-endokrinen Karzinoms zum Gegenstand, macht jedoch erkennbar, dass derartige seltene Erscheinungsformen weitergehende Folgerungen erlauben. Gütz et al. greifen mit ihrem How-to-do-Beitrag das umstrittene Thema des Werts von Feinnadelaspirationen aus peripheren Lymphknoten auf und stellen die Möglichkeiten und Grenzen dieser Technik dar. Supportive Behandlungsmaßnahmen sind Gegenstand zweier weiterer Originalien: Singer et al. untersuchten die Häufigkeit psychischer Begleiterkrankungen und das Bedürfnis nach psychosozialer Unterstützung bei Tumorpatienten im Akutkrankenhaus, während Rieger et al. die Ergebnisse der Behandlung systemischer Mykosen mit liposomalem Amphotericin B darstellen.

Das vorliegende Schwerpunktheft verdeutlicht, wie facettenreich die Behandlung bösartiger Erkrankungen ist und welch großes Aufgabengebiet noch vor uns liegt, um Krebserkrankungen erfolgreich begegnen zu können.

Prof. Dr. W. Hiddemann

Medizinische Klinik und Poliklinik III, Klinikum der Universität München - Großhadern

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