Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2007; 39(3): 123
DOI: 10.1055/s-2007-985985
Forschung
Neues aus der Onkologie
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Krebserkrankungen bei Kindern: Morbidität Langzeitüberlebender

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Publikationsdatum:
28. September 2007 (online)

Krebserkrankungen bei Kindern: Morbidität Langzeitüberlebende

Ab den sechziger Jahren konnten bei krebskranken Kindern zunehmende Heilungserfolge erzielt werden. So sind wir heute mit einem neuen Phänomen konfrontiert: den gesundheitlichen Spätfolgen dieser Therapien. Nun haben M. M. Geenen et al. (JAMA. 2007; 297: 2705-2727) eine retrospektive Studie zu diesem Thema veröffentlicht.

Studienteilnehmer waren 1362 Probanden, die zwischen 1966 und 1996 im „Emma Children`s Hospital” in Amsterdam (EKZ) an einem pädiatrischen Malignom behandelt wurden und dieses mindestens 5 Jahre überlebt haben. Die Patientenkontakte erfolgten über die Poliklinik für Spätfolgen kindlicher Tumorerkrankungen des EKZ, wobei 79 % der Probanden dort mittels standardisierter und evaluierter Instrumente interviewt und untersucht wurden. Insgesamt wurden 94,3 % der ehemaligen Patienten ärztlich untersucht. Die gesamte Rücklaufquote betrug 98,5 %.

Die durchschnittlich 24,4 Jahre alten Probanden (im Mittel 17-jährige Nachbeobachtungszeit) hatten in 75 % der Fälle mindestens eine therapiebedingte Nebenwirkung erlitten, in 24,6 % fünf oder mehr Episoden, in 40 % mindestens eine schwere oder lebensbedrohliche Spätfolge.

In Abhängigkeit von der Therapiemodalität zeigten sich nach alleiniger Radiatio bei 55 % der Langzeitüberlebenden schwerwiegende Ereignisse, nach alleiniger Chemotherapie dagegen nur bei 15 %; nach ausschließlich operativer Therapie belief sich diese Quote auf 25 %.

Eine hohe Rate schwerer Therapiefolgen wurde vor allem bei Knochen- und ZNS-Tumoren gefunden (64 %), seltenere Spätkomplikationen bei Wilmstumoren und hämatologischen Malignomen (je 12 %).

Fazit: Für Langzeitüberlebende nach malignen Tumoren im Kindesalter sollten strukturierte Nachsorgeprogramme erarbeitet werden, die vorhersehbaren Risiken rechtzeitig entgegenwirken. Dazu sind langfristig angelegte prospektive Untersuchungen nötig, so die Autoren.

Kommentar: Zusammen mit der im vergangenen Jahr veröffentlichten „Childhood Cancer Survivor Study” (CCSS) liefert die vorliegende Studie wichtige Daten zu den Langzeitfolgen kurativer Therapien bei kindlichen Tumoren, so die Autoren. Beide Studien kommen zu dem Ergebnis, dass bei einem Großteil der Überlebenden mindestens eine chronische Erkrankung oder schwerwiegende Beeinträchtigung als Folge der Therapie zurückbleibt. Wichtig sei, so K. C. Oeffinger und L. L. Robison in ihrem Editorial (JAMA. 2007; 297: 2762-2764), dass diese Langzeitfolgen keine chronischen Erkrankungen im herkömmlichen Sinne sind, sondern sich aus der ursprünglichen Therapie nach einer teils jahrelangen Latenz Erkrankungen von Organsystemen zeigen, die von der ursprünglichen Erkrankung nicht betroffen waren. Daher sei auch die Entwicklung entsprechender Langzeitscreeningprogramme für Betroffene und die Sensibilisierung des medizinischen Personals extrem wichtig.

Dr. med. Peter Pommer

Cham