Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2007-986389
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Ausbau der Patientenberatung: bei psychischen Erkrankungen von besonderer Bedeutung
The Great Importance of Counselling Services for Patients with Mental IllnessesPublication History
Publication Date:
28 March 2008 (online)
Helga Kühn-Mengel
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Diese Definition schließt geistiges und seelisches Wohlbefinden bewusst ein. Laut Expertinnen und Experten ist fast jeder zweite Mensch in seinem Leben einmal von psychischen Störungen betroffen, dennoch werden geistige und seelische Krankheiten in der Öffentlichkeit nur selten zur Sprache gebracht. Handlungsbedarf ist angezeigt, denn auch die Gesundheitsreporte der Krankenkassen berichten in den letzten Jahren übereinstimmend von einer zunehmenden Zahl psychischer Erkrankungen. Jede dritte Frühverrentung in Deutschland wird verursacht durch eine psychische Erkrankung, wobei Depressionen den Hauptanteil stellen.
Als Patientenbeauftragte der Bundesregierung ist mir die Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Versorgung psychisch Kranker ein besonderes Anliegen. Ich betone deshalb immer wieder, wie wichtig es ist, den Kenntnisstand in der Gesellschaft darüber zu verbessern, dass psychische Krankheiten heilbar, zumindest therapierbar sind. Psychisch Erkrankte müssen ebenso Berücksichtigung und Akzeptanz finden, wie somatisch Erkrankte. Versorgungsforschung und ein besseres Monitoring der psychischen Erkrankungen, z. B. in den Gesundheitsberichterstattungen, sind hier eine wichtige Forderung. In meiner täglichen Praxis stelle ich fest, dass gerade hier ein Verbesserungsbedarf besteht.
Gerade am Beispiel von psychischen Erkrankungen wird so deutlich, dass alle Beteiligten intensiv zusammenarbeiten müssen, um die bestmögliche medizinische Versorgung zu gewährleisten. Die Konzepte der integrierten Versorgung sind daher gerade für diesen Bereich so besonders geeignet - denn dadurch rückt die Vernetzung einzelner medizinischer und nicht medizinischer Versorgungsbereiche ins Zentrum der Behandlung. Das Versorgungskonzept der Institutsambulanzen ist hier ein wichtiger Baustein.
Mit den Gesundheitsreformen der letzten Jahre wurden deutliche Akzente in der Stärkung der Patienteninteressen gesetzt. Mit der Förderung der unabhängigen Patientenberatung (UPD), der Beteiligung von Patientenvertretern an Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Benennung einer Patientenbeauftragten sind wichtige Schritte bereits getan. Um die Anliegen der Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen verstärkt in das Gesundheitssystem zu integrieren, setzt die Politik weiterhin auf die Kompetenz der Patienteninitiativen und Selbsthilfegruppen.
Patientinnen und Patienten sind bei der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Interessen und Rechte gegenüber Ärzten, Therapeuten und sonstigen Institutionen häufig eingeschränkt; dies gilt besonders für psychisch Erkrankte, die sich zum Teil in schwierigen medizinischen und sozialen Situationen befinden.
Gerade auf dem psychiatrischen Gebiet gibt es bislang keine breite Implementierung der Patientenbeteiligung. Die meisten psychiatrischen Patienten wünschen jedoch Informationen und die Beteiligung bei medizinischen Entscheidungen.
Wenn der Arzt gemeinsam mit dem Patienten eine Therapieentscheidung entwickelt, hat dies zudem einen positiven Einfluss auf den Therapieerfolg: Eine partizipative Entscheidungsfindung und die Einbindung des Patienten fördert das Vertrauen, die Therapiemotivation und die Patientenzufriedenheit. Hieraus ergibt sich aber auch die Notwendigkeit einer transparenten und verständlichen Patienteninformation und -aufklärung und eine Verbesserung der Arzt-Patienten-Kommunikation im medizinischen Alltag.
Umso wichtiger sind daher niedrigschwellige Ansprechpartner - gerade auch bei Konfliktsituationen: Aber leider sind Patientenfürsprecher in psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Kliniken ebenso selten, wie unabhängige Beschwerdestellen in der Psychiatrie. Dies belegen auch Dr. Hamann u. a. mit ihrer bundesweiten Umfrage. Initiativen, wie die „Unabhängigen Beschwerdestellen in der Psychiatrie”, erhalten so einen hohen Stellenwert.
Besonders wichtig erscheinen mir auch Patientenberatungen und Beschwerdestellen, wenn es zu Konflikten mit Leistungserbringern oder auch Krankenkassen kommt. In solchen Situationen sind niedrigschwellige, kompetente und vor allen neutrale Beratungsangebote unverzichtbar. Sie bieten vielfältige Möglichkeiten der Information, Unterstützung, Konfliktbereinigung und Schlichtung, die aus Sicht der Betroffenen und ihrer Angehörigen häufig zielführender und effizienter sind, als etwa das Beschreiten des Rechtswegs.
In diesem Sinne wünsche ich der Initiative der „Unabhängigen Beschwerdestellen in der Psychiatrie” viel Erfolg bei der Umsetzung ihrer Ziele.
Helga Kühn-Mengel
die Beauftragte der Bundesregierung
für die Belange der Patientinnen und Patienten
Helga Kühn-Mengel
Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten
Friedrichstraße 108
10117 Berlin
Email: info@patientenbeauftragte.de