Geburtshilfe Frauenheilkd 2007; 67 - A10
DOI: 10.1055/s-2007-989149

Off-label use in der Gynäkologie

C Dierks 1
  • 1Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin

Die Arzneimitteltherapie außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets beinhaltet haftungsrechtliche und sozialrechtliche Nebenwirkungen. Aus haftungsrechtlicher Sicht ergibt sich die Notwendigkeit, die Patientin umfassend über die Therapie außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets, möglicherweise auch außerhalb der zugelassenen Applikationsform oder Dosierung, zu informieren. Eine auf dieser Aufklärung beruhende Einwilligung in den Off-label use sollte auch schriftlich gesondert dokumentiert werden. Im Schadensfall trifft den behandelnden Gynäkologen die Beweislast für die Zweckmäßigkeit der Therapie, da die Indizwirkung der arzneimittelrechtlichen Zulassung für die „fremde Indikation“ nicht besteht. Ein entsprechender Nachweis kann durch Vorlage wissenschaftlichen Erkenntnismaterials oder den Bezug auf Leitlinien erfolgen. Aus sozialrechtlicher Perspektive ist die Leistungspflicht der Krankenkassen die beherrschende Fragestellung. Nach mehreren wegweisenden Urteilen des Bundessozialgerichts ist der Off-label use eine Kassenleistung, wenn er zur Therapie einer schwerwiegenden Erkrankung dient, eine zugelassene therapeutische Alternative für die individuelle Patientin nicht vorhanden ist und eine begründete Aussicht auf Behandlungserfolg besteht. Bei singulären Erkrankungen, die aufgrund ihrer Seltenheit keine klinische Prüfung in einem für die Zulassung notwendigen Umfang erlauben, sind an den Nachweis der Erfolgsaussicht geringere Anforderungen zu stellen. Handelt es sich um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, reicht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf aus, um die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung zu begründen. In der Praxis sind für die Entscheidung über einen Off-label use also der Schweregrad der Erkrankung, die therapeutischen Alternativen und die Aussicht auf Behandlungserfolg maßgeblich.