Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 68(1): 23-24
DOI: 10.1055/s-2007-989469
Nachruf

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf: Josef Zander (1918 - 2007)

H. Ludwig, J. Baltzer
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eingereicht 10.12.2007 revidiert 7.1.2008

akzeptiert 7.1.2008

Publication Date:
28 January 2008 (online)

Am 1. 12. 2007 starb in München-Grünwald Prof. Josef Zander ([Abb. 1]). Mit ihm hat uns eine außergewöhnliche Persönlichkeit verlassen, deren Bedeutung und Ausstrahlung weit über die Frauenheilkunde hinausreichte. Zu seiner Beerdigung am 10. 12. 2007 im Waldfriedhof Grünwald haben sich neben seiner verzweigten Familie viele seiner Weggefährten, Schüler, Freunde, Fakultätsmitglieder und nicht wenige Getreue aus dem Personal der I. Univ.-Frauenklinik an der Maistraße in München versammelt, um Abschied zu nehmen und ihren Respekt zu bekunden, darunter seine Nachfolger, die Professoren Kindermann und Friese.

Abb. 1 Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Josef Zander.

Die Schriftleitung der „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ hat zu Beginn dieses Heftes eine Würdigung verfasst. Hier folgt der Versuch, die vielseitige Persönlichkeit des Verstorbenen nachzuzeichnen.

Zander begann als Grundlagenforscher. Das Schwergewicht lag bei den Steroidhormonen, insbesondere dem Progesteron und seinen Metaboliten [[1], [2], [3]]. Zander arbeitete in Marburg, Salt Lake City und Köln. Mit Übernahme des Lehrstuhles in Heidelberg (1962 - 1969) und erst recht in München (1969 - 1986), beeinflusst von den Traditionen dieser Klinik, konzentrierte er sich neben der Endokrinologie zunehmend auf die gynäkologische Onkologie, vor allem mit dem Ziel, die individuelle Behandlung des Zervixkarzinoms zu fördern. Es kam zu enger Kooperationen der Arbeitsgruppen, die schon in Marburg, Köln, Erlangen, Heidelberg und München bestanden [[4]].

Die I. Univ.-Frauenklinik München hat sich unter der Leitung von Zander von Anfang an der „Münchner“ und später „Bayerischen“ Studie zur Perinatalerhebung angeschlossen. Diese Studie wurde schließlich zum Kristallisationskern einer bundesweiten Perinatalerhebung [[5], [6]]. Eine besondere Instanz in der Qualitätssicherung der Grundlagen- und insbesondere endokrinologischen klinischen Forschung an seiner Klinik blieb auch während des Direktorates von Zander das unter der Leitung von Erich Kuss stehende Laboratorium für Biochemie und klinische Chemie.

Zanders aufmerksame Förderung ließ die Entwicklung von Arbeitsgruppen zu, so einer histopathologischen (J. Baltzer) und zytologischen, für deren Erhaltenbleiben im Klinikverband aus Gründen der Förderung der Krebsforschung in Frauenkliniken sich Zander vehement einsetzte [[7]]; einer endokrinologischen (B. Runnebaum), einer zu Blutgerinnung und Schock (W. Kuhn, H. Graeff) [[8]]; zur Prolaktinforschung (H. K. Rjosk, K. v. Werder) [[9]]; zur Früherkennung des Brustkrebses (Vaillant-Einheit) [[10]]; und zur In-vitro-Fertilisierung (H. K. Rjosk), um nur die erfolgreichsten zu nennen. Früh warnte Zander vor Grenzüberschreitungen der neuen Reproduktionsmedizin bis hin zur Manipulierbarkeit des Lebens [[11]].

Im Kreis engagierter jüngerer Forscher an der Klinik fühlte sich Zander wohl. Er konnte zuhören, Anregungen aufnehmen und die Richtung durch sein waches Interesse doch wesentlich mitbestimmen. An Publikationen aus den verschiedenen Arbeitsgruppen, die ihm besonders wichtig erschienen, beteiligte er sich mit seinem Namen und Gewicht.

Obwohl die Forschung die wesentliche Linie seines Berufsweges blieb, intensiver als bei vielen seiner gleichrangigen Kollegen, wuchs er in den Münchner Jahren als Kliniker und Arzt weit darüber hinaus. In der Eröffnungsansprache als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe am 12. 9. 1978 in München setzte er Schwerpunkte: Sterilität und Schwangerschaftsabbruch, Intensivgeburtshilfe versus familienorientierte Geburtshilfe, Qualitätssicherung und ärztliche Selbstkontrolle [[12]]. Dem Schwangerschaftsabbruch gegenüber blieb er zeit seines Lebens kritisch [[13]].

Anlässlich seiner Emeritierung am 30. 9. 1986 legte Josef Zander eine erste wissenschaftliche Biografie vor. Sie ist als kommentiertes Werksverzeichnis zu verstehen. An einer umfassenderen Autobiografie hat er bis zuletzt gearbeitet. Er nannte diese erste Broschüre „Spuren“ ([Abb. 2]). Darin schrieb er einleitend: „Die Forschung richtet sich auf neue Ziele. Wie ein Forschungsziel erreicht wurde, kann in der Erinnerung des Forschers einen sehr viel größeren Wert erhalten als das Resultat.“ [[14]]. Das lässt sich auch auf sein Leben übertragen; nämlich wie er gelebt hat, hinterlässt in denen, die ihm nahe waren, weit tiefere Spuren als das, was er an Substanziellem, so viel es auch sei, greifbar zurückließ. Sein Leben war gezeichnet durch den ihm eigenen Stil. Eine Persönlichkeit, die warm und unbeirrbar zu Freunden stand, seinen 6 Kindern aus 3 Ehen ein fürsorgender und liebevoller Vater blieb, seinen Kollegen einer, an dem man sich orientieren konnte und mochte. Er war seinen Patientinnen nicht nur ein einfühlender Arzt, sondern auch Ästhet, und der Liebhaber und Sammler zeitgenössischer Kunst; er besaß den sicheren Instinkt dessen, der viel gesehen und viel gelesen hatte, der viele Menschen kannte und dem Geschmacklosigkeiten welcher Art auch immer geradezu körperlich zuwider waren. In seinem Auftreten verriet er tiefes intellektuelles Interesse am Zeitgeschehen, erhellt von einer gründlichen, geradezu universellen Bildung. So kannte man ihn: Individuell bis in die nur leicht gebremste Eleganz der Kleidung, ohne es je zu übertreiben; sicher im Urteil, ohne darauf zu bestehen, in allen Fällen recht zu haben; einsichtig, durchaus auch in Erkennung der eigenen Grenzen, die er sich allerdings weit gezogen hatte; demütig vor den Beschwerden seiner Altersjahre, ergeben bis zuletzt in das Unabwendbare. Viele, die ihn kannten, mochten ihn. Nicht wenige liebten ihn und werden ihn als eine Persönlichkeit in Erinnerung behalten, der ein abgerundetes Lebenswerk gelungen ist, nicht nur in den Ergebnissen seiner Arbeit als Forscher, als Lehrer, Kliniker oder als ein Mentor und Förderer seiner Mitarbeiter, - sondern auch in der schieren aktuellen Präsenz war er ein durch und durch geschliffener, gezeichneter, einmalig abgerundeter, man ist versucht zu sagen, ein vollendeter Mensch. Nach dem Motto zu seinen „Spuren“ hat er gesucht, bis er auf die Zeilen von Jacques Le Goff stieß:

Abb. 2 Antoni Tapies: Drei Fußabdrücke. Aus J. Zander: Stufen (1998) „Die Zeichnung … aus dem Jahre 1966 ist äußerst reduziert. Spuren von 3 Schritten eines Menschen, begleitet von 3 Kreuzen, in schwarzer Tusche vom Künstler geradezu hingeworfen. Unter der mit einem Lineal gezogenen Linie erkennen wir einige verwischte Zahlen. Kreuze, Linie und verwischte Zahlen als Symbole zwischen den schwachen Spuren eines Menschen - wie auch immer man diese Zeichen deuten mag: Sie verweisen auf Vergänglichkeit.“ (J. Zander).

„Hinter der Vernunft hat er die Leidenschaft des Gerechten, hinter der Wissenschaft den Durst nach Wahrheit, hinter der Kritik die Suche nach etwas Besserem zu sehen gewusst.“

Hans Ludwig, Basel Jörg Baltzer, Krefeld

Literatur

  • 1 Zander J. Progesterone in human blood and tissue.  Nature. 1954;  174 406
  • 2 Zander J. Steroids in human ovary.  J Biol Chemistry. 1958;  232 117-122
  • 3 Zander J. 20 Jahre gynäkologische Grundlagenforschung in der Nachkriegszeit. Marx OM, Moses H Emeriti erinnern sich. Bd. 1, Die medizinischen Fakultäten. Weinheim, New York, Basel, Cambridge, Tokio; Verlag VCH Verlag 1958: 123-165
  • 4 Zander J, Baltzer J, Lohe K J. et al . Carcinoma of the cervix; an attempt to individualize treatment. Results of a 20-year cooperative study.  Am J Obstet Gynec. 1981;  139 752-759
  • 5 Selbmann H K, Zander J, Holzmann K. Qualitätssicherung geburtshilflichen Handelns.  Archives Gynec Obstet. 1981;  232 585-591
  • 6 Zander J. Die Mutter in der Schwangerschaft, der Arzt und die biomedizinische Technik. Leopoldina Symposion: „Der Arzt und die apparative Medizin“.  Nova Acta Leopoldina. 1983;  NF 55 69-74
  • 7 Zander J. 100 Jahre gynäkologische Krebstherapie.  Geburtsh Frauenheilk. 1978;  38 711-715
  • 8 Kuhn W, Graeff H. Prophylaktische Maßnahmen beim septischen Schock. Zander J Septischer Abort und bakterieller Schock. Berlin, Heidelberg, New York; Springer 1968: 74-90
  • 9 v Werder K, Zander J. Menschliches Prolaktin.  Klin Wschr. 1979;  57 1-2
  • 10 de Waal J D, Baltzer J, Lohe K J, Zander J. Anamnese und Diagnostik bei 657 Patientinnen mit primärem Mammakarzinom.  Arch Gynecol Obstet. 1985;  237 138
  • 11 Zander J. Manipulierbarkeit des Lebens. Expertentagung des Gesundheitsforums der Süddeutschen Zeitung. 12..4..1989
  • 12 Zander J. Eröffnungsansprache 42. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. München 1978. Verh. DGGG 1978: 42-48
  • 13 Zander J. Medizin-ethische Probleme am Beginn des Lebens.  Münch Med Wschr. 1983;  125 572-574
  • 14 Zander J. Spuren. München, Berlin; Urban & Schwarzenberg 1998

Prof. Dr. med. FRCOG FACOG (hon.) Hans Ludwig

Wartenbergstr. 9

4052 Basel

Schweiz

Email: prof.ludwig@bluewin.ch